Roger Letsch / 08.03.2023 / 12:00 / Foto: Chris McAndrew / 59 / Seite ausdrucken

Matt, der Schließer – Skandal im Sperrbezirk

Die vom „Telegraph" veröffentlichten WhatsApp-Nachrichten des britischen Ex-Gesundheitsministers offenbaren den so willkürlichen wie zynischen Umgang mit der Corona-Krise. Die politischen Manöver bestätigen den Verdacht, dass alles Covid-Gebrüll der Regierenden vor allem einem Zweck diente: dem eigenen Machterhalt. 

Es war alles auf Band. Jedes Gespräch, jede abfällige Bemerkung, jeder frei fliegende überdrehte Gedanke. Er wollte es leicht haben für ein nach seiner gloriosen zweiten Amtszeit sicher folgendes Buchprojekt und sich mittels überall installierter Abhöreinrichtungen und der aufgezeichneten Bänder auch noch an das kleinste seiner weisen Worte erinnern können. Keinen Gedanken verschwendete US-Präsident Richard Nixon daran, dass es einmal genau diese Aufzeichnungen sein würden, die ihn aus dem Präsidentenamt kegeln. Die Arroganz der Macht ließ ihn die Brisanz des Materials nicht erkennen und rechtfertigte stattdessen jedes seiner Worte vor ihm selbst.

Man muss zwangsläufig an Nixon denken, wenn man die sogenannten „Lockdown-Files“ des Matt Hancock betrachtet. Hancock, britischer Gesundheitsminister in beiden Kabinetten von Boris Johnson und ein in der Eigenwahrnehmung großer Drachentöter im Kampf gegen Covid-19, wollte seinem Wirken nachträglich das passende Evangelium beigesellen, doch mangelte es ihm entweder an Zeit oder an Talent. Vielleicht an beidem. Er schloss also einen Vertrag mit der Journalistin Isabel Oakeshott, die ihm als Co-Autorin des Buches behilflich war, welches unter dem Titel „Pandemic Diaries: The inside story of Britain’s battle against Covid“ im Dezember 2022 erschienen ist. 

Herausgekommen ist ein höchstministerliches „De Bello Gallico“ unter dem Motto „Ich kam, sah und siegte“. Zum Zweck der Recherche überließ Hancock seiner Co-Autorin auch ein Hunderttausende zählendes Konvolut aus WhatsApp-Nachrichten, die Oakeshott nach Veröffentlichung des Buches an den englischen „Telegraph“ weiterreichte – Geheimhaltungsklausel hin oder her, denn was Hancock nicht bedacht oder auch nur in Erwägung gezogen hatte: Oakeshott gehört zu den vielen Millionen Briten, die ganz und gar nicht zufrieden waren mit der Art und Weise, wie die Covid-Maßnahmen auf der Insel von der Politik umgesetzt wurden, und was sie in den WhatsApp-Nachrichten lesen musste, wies auf Hancock als einen der Verursacher völlig überzogener Grausamkeiten hin.

„Projekt Angst”

Die Nachrichten gehen zurück ins Jahr 2020/21, also in die Hochzeit der Covid-Panik mit Lockdowns und äußerst rigiden Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung. Neidvoll schauten westliche Politiker auf China und andere autoritäre Regierungen, denen es möglich war, die eigene Bevölkerung einfach wegzusperren. Wo es etwas freier zugeht, muss man Psychologie anwenden, um „Freiwilligkeit“ zu erzwingen. So wollte Matt Hancock die damals neue Alpha-Variante „einsetzen“, um die Öffentlichkeit „in Angst und Schrecken zu versetzen“ und sicherstellen, dass die Bevölkerung sich an Abriegelung und Selbstisolation hält.

Hancocks hatte regen Austausch mit seinem Kabinettskollegen Simon Case, der ihn darin bestätigte, dass der „Angst- und Schuldfaktor“ von entscheidender Bedeutung bei der dritten landesweiten Abriegelung im Januar 2021 sei, weil sie die „Nachrichten verstärke“. Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Auch in Deutschland basierten die heftigsten Grundrechtseinschränkungen stets auf den schlimmsten Annahmen und Modellen, und ich würde meine letzte originalverpackte FFP2-Maske darauf wetten, dass die persönliche Kommunikation unserer Gesundheitsminister Spahn und Lauterbach nicht freundlicher ausfällt.

Ob sie so gehässig bis zynisch war, wie die zwischen Hancock und seinem Medienberater Damon Poole, dem Hancock textete „We frighten the pants off everyone with the new strain“? Die Bürger zu Tode erschrecken, gehört eigentlich nicht zum Aufgabenprofil eines Politikers, weder in Großbritannien noch in Deutschland. 

Die unappetitlichen Details in den WhatsApp-Leaks sind zahlreich, und es ist anzunehmen, dass noch viele weitere veröffentlicht werden. Doch nicht die Flapsigkeit im Ton ist das, was die Menschen so aufregt. Es sind die politischen Manöver, die nun offensichtlich werden und den Verdacht bestätigen, dass alles politische Covid-Gebrüll vor allem einem Zweck diente: dem eigenen Machterhalt. Lab-Leak (Laborleck) vs. Bat-Soup (Fledermaus-Suppe) mal beiseite gelassen, erinnern wir uns doch noch sehr genau an die Unsicherheit, die zum ersten (fast) weltweiten Lockdown führte.

Im Zweifel für die Vorsicht, hieß es, und für den ersten Monat Ausnahmezustand waren so ziemlich alle an Bord. Doch dann hätte man vieles besser wissen und anders entscheiden müssen. Das Problem war jedoch eine Politik, die sich festgelegt hatte. Festgelegt auf eine Ursache, einen Weg und ein Ziel. Versuch und Irrtum, Ratlosigkeit und das Eingeständnis des Nicht-Wissens kamen in den Plänen nicht vor, und alle Entscheidungen hatten zuvörderst die Aufgabe, vorherige Entscheidungen zu rechtfertigen. Radikal neue Erkenntnisse, die den angeordneten Maßnahmen sogar widersprachen, wurden unterdrückt. So viel übrigens zur Floskel „follow the science“. 

Fristen in der „Pingdemie“

Nirgends tritt dies in den Lockdown-Files klarer zutage als bei der Frage, wie lange sich die Briten in Isolation begeben mussten, wenn etwa die verhasste Covid-Warnapp Alarm schlug. Der schwarze englische Humor machte aus Covid rasch die „Pingdemie“ (in Anspielung auf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Ping). Viele gingen schon deshalb nicht mehr auf die Straße, weil das Programm so empfindlich auf „Kontakte“ reagierte. Es konnte vorkommen, dass der Alarm losging, wenn der Wohnungsnachbar auf der anderen Seite der Hauswand positiv war. Waren es anfangs ganze 14 Tage Selbstisolation, taten sich Hancock und Kollegen schwer damit, wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Übertragbarkeit umzusetzen.

Professor Chris Whitty, Epidemiologe und Chefmediziner der britischen Regierung, unterrichtete Hancock darüber, dass die Quarantäne überflüssig und eine fünftägige Testphase ausreichend sei. Hancock lehnte mit dem Hinweis ab, dass dies ja bedeuten würde, dass er eine falsche Entscheidung getroffen habe, ja, von Anfang an falsch lag. Und das ging natürlich gar nicht! Er verkürzte lediglich die verordnete Quarantäne auf 10 Tage, ganz nach dem Motto, das Hanns Dieter Hüsch einst formulierte „Wenn ich einen Fehler mache, mache ich gleich noch einen hinterher, dann sieht es wie Methode aus.“

Ein Knutscher und heftiges Petting

Weltweit hätte es 2020/21 Politiker bedurft, die in der Lage gewesen wären, zu erkennen, auf welch dünnem Eis sie Entscheidungen trafen und wie notwendig Korrekturen und das Eingeständnis von Fehlern ist. Stattdessen hatten wir es fast ausschließlich mit kleingeistigen Selbstgöttern zu tun, die Fehlerkorrektur für Schwäche und Beharren für Stärke hielten. Doch auch von Hancocks Selbstherrlichkeit ist nicht viel geblieben. Ein Pandemie-Narrativ nach dem anderen brach in sich zusammen, und war es im Jahr 2021 noch die nützlichste Empfehlung, in einem Atemzug mit Lockdowns, Maskierungen, Kontaktverboten und der massenweisen Ausrollung der Pfizer-Moderna-Welle genannt zu werden, verdrückt sich nun die ganze Politikerriege auf Insel wie Kontinent in die Büsche. Man wollte doch nur… man wusste noch nicht… man liebte doch alle Menschen… seht dort, das Klima!

Hancock ist als Gesundheitsminister längst Geschichte. Die Leaks seiner politischen Unverschämtheiten stehen höchstens seinem Comeback im Weg, sollte nicht, wie bei so vielen Dingen, bald gnädig Gras über sie wachsen. Ärgerlich nur, dass er nicht darüber stürzte, dass er grundlos und rechtsfrei seine Landsleute in ihren Wohnungen einsperrte und sie in Todesangst versetzt hat, sondern weil er wie Boris Johnson bei der Übertretung der eigenen Lockdown-Regeln erwischt wurde: knutschend und fummelnd mit seiner heimlichen Geliebten auf einem Balkon, während andere Briten sich gleichzeitig an die blödsinnigen „Nur-ein-Haushalt“-Regeln halten sollten.

Und es dauerte nochmal bis November 2022, bis ihn auch seine Partei rauswarf. Mit Hancocks politischen Intrigen und seinem Versagen als Gesundheitsminister hatte man zwar keine Probleme, eine Teilnahme am „Dschungelcamp“ war dann aber zu viel. Die Idee mit dem Dschungelcamp allerdings begrüße ich! Und ich sähe auch gern Wieler, Montgomery, Drosten, Spahn und Lauterbach dort. Die Käfer gönn‘ ich denen, und erst nach 14 Tagen Selbstisolation holte ich den ersten dort raus.

Als Resümee der ganzen Affäre bietet sich ein Zitat von Nigel Farage an:: “When laws become enemies of men, men becomes enemy of laws.” Zu deutsch: Wenn Gesetze zu Feinden der Menschen werden, werden die Menschen zu Feinden der Gesetze.

Foto: Chris McAndrew CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Hans Buschmann / 08.03.2023

Der einzige Unterschied zu Deutschland ist, dass es hier noch viel schlimmer war, und bis heute werden hier noch Gegner der Maßnahmen von der Justiz gejagt, da die “Machtelite” hier keine Grenzen aufgezeigt bekommt.

Hans Kloss / 08.03.2023

Glück dass so was doch in D. nicht möglich wäre. Ich meine wir haben so viele Stellen die Demokratie und Menschenrechte schützen, dass jemand doch was sehen würde usw. Dann würden auch die Medien darüebr berichten usw. So wie es sich gin der echter Demokratie und in dem echten Rechtsstaat gehört….

Sam Lowry / 08.03.2023

Das Einzige, was mich noch an dem ganzen Wahnsinn interessiert, ist die Frage, ob und inwieweit “Shedding” bei Spikes funktioniert. Ich würde mich freiwillig als Ungeimpfter melden, um mein Blut danach untersuchen zu lassen. Fehlen jetzt nur noch 999 andere Probanden und ein seriöser Wissenschaftler.

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