Peter Grimm / 28.07.2020 / 14:00 / 24 / Seite ausdrucken

Maske und Maulkorb

Neulich fiel mir das alte kleine Gebotsschild an der Tür eines Linienbusses ins Auge. Es gemahnte Fahrgäste mit Hunden schon lange Zeit, dass sie ihrem vierbeinigen Liebling im Bus einen Maulkorb anlegen müssen. Heutzutage fällt dieses Schildchen neben den wesentlich größeren und prägnanteren Aufklebern an den Bustüren, welche die Maskenpflicht für alle Zweibeiner vorschreiben, kaum noch auf. Den Verkehrsbetrieben ist offensichtlich die Maskenpflicht für Menschen ungleich wichtiger als die Maulkorbpflicht für Hunde. In etlichen Zügen der Berliner S-Bahn lässt sich auf den ersten Blick nicht einmal mehr der Maulkorbgebots-Aufkleber finden. Aber wann wurden solche Gebote in Berlin je wirklich durchgesetzt? Hunde ohne Maulkorb sah und sieht man in Berliner Stadtbahnzügen deutlich häufiger als welche mit.

Bei der Maskenpflicht sieht das offenbar anders aus. Unmaskierte Reisende sind – im Gegensatz zu den ersten Wochen des Vermummungszwangs – kaum noch zu sehen. Die Maske genießt – egal ob aus Angst vor dem Virus oder aus Angst vor den inzwischen auch in Berlin drohenden Bußgeldern – im Nahverkehr offenbar mehr Akzeptanz als der Maulkorb unter Hundehaltern. Viele von ihnen verweigern den Maulkorb für ihren vierbeinigen Liebling selbst dann, wenn dieser Liebling groß wie ein Kalb ist und äußerst einschüchternd wirkt. 

Vielleicht erinnern Sie sich ja noch an die Debatten längst vergangener Jahrzehnte, als nach einigen – sogar tödlichen – Kampfhundeattacken bestimmte als gefährlich eingeordnete Hunderassen den Maulkorb von der Obrigkeit verordnet bekamen. Manche Herrchen und Frauchen beklagten seinerzeit quasi Menschenrechtsverletzungen, als sie sich gezwungen sahen, ihrem Hund etwas vor die Schnauze zu schnallen. Von verletzten Tierrechten gar nicht zu reden.

"Keine artgerechte Kommunikation"

Diese alte Debatte setzte sich mit den immer gleichen Argumenten auf beiden Seiten durch die Jahrzehnte fort, stieß allerdings immer seltener auf breites Publikumsinteresse. Überall, wo irgendeine Hundeverordnungsnovelle diskutiert wurde, flammte der alte Maulkorb-Kulturkampf wieder auf. Wie beispielsweise vor zwei Jahren in Wien, als es um ein neues Tierhaltegesetz ging. Auf heute.at konnte man dazu seinerzeit lesen: 

„Der Verband Österreichischer Tierschutzorganisationen kritisiert diese Novelle. Der Grund: Man sehe einen Widerspruch zum Tierschutzgesetz. Eine generelle Maulkorbpflicht würde nämlich bedeuten, dass die Hunde keine Möglichkeit für eine artgerechte Kommunikation hätten. Auch ihr Bewegungsbedürfnis würde ohne Grund maßgeblich eingeschränkt werden, so die Tierschutzorganisation "pro-tier.at" in einer Aussendung.

Auch trage diese Maßnahme nicht zu vermehrter Sicherheit im öffentlichem Raum bei. Der Gegenteil wäre sogar der Fall. Ursula Aigner für den Verband "pro-tier": "Der Maulkorb am Hund gibt den Hundehaltern nur zu leicht ein falsches Sicherheitsgefühl und manche werden dann erst recht unvorsichtig. Die Maßnahme bringt nichts und verdammt tausende völlig friedlicher und verträglicher Hunde zu einem nicht hundegemäßen Leben."

Jetzt könnte manch Maskengegner sofort Analogien erkennen, denn auch Menschen sind in ihrer artgerechten Kommunikation eingeschränkt, wenn sie etwas vor Mund und Nase binden müssen. Aber finden diese Masken-Gegner nun unter den Maulkorb-Gegnern Verbündete? Nicht zwingend. Während ich mir neulich in der S-Bahn genau diese Frage gestellt hatte, liefen im Waggon drei große Hunde mit ihren Herrchen an mir vorbei. Und siehe da: Die Hunde hatten keinen Maulkorb, aber ihre Herrchen trugen Maske. Offenbar fiel es ihnen leichter, sich selbst etwas um Mund und Nase zu binden, als ihren Hunden etwas um die Schnauze. Außerdem soll man ja nicht Äpfel mit Birnen und Masken mit Maulkörben vergleichen. 

Es zählt der symbolische Effekt

Allerdings keimte auch eine Befürchtung in mir auf. Auch wenn der Zwang zur Maske besser angenommen wird als der Zwang zum Maulkorb – diskutiert wird über ihren Nutzen und ihren Sinn dennoch. Nur selten ist einer dabei so ehrlich wie Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Verkündung der jüngsten Maskenpflicht-Wiedereinführung. Er verwies auf den „symbolischen Effekt“: „Je mehr sie aus unserem Alltag verschwindet, desto stärker wird die Sorglosigkeit.“ 

Es sieht so aus, als ob die meisten Regierungen es derzeit im Sinne von Kurz für angeraten halten, ihren Bürgern mit beschränkten Rechten vorerst möglichst wenig der Corona-Sorgen zu nehmen. Lieber werden so schöne Begriffe wie Alltagsmaske geprägt. Das lässt befürchten, dass auch die Diskussionen um die Maskenpflicht ein ebenso alltäglicher Dauerbrenner werden wie die Debatte um die Maulkorbpflicht. Allerdings ist der Symbolwert des letzteren Gebots schon ziemlich verblichen. Das könnte dann dem Masken-Symbol in den nächsten Jahrzehnten vielleicht ebenso widerfahren.

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Hans Kloss / 28.07.2020

Und mal wieder hatte Orwell Zukunft gesehen: “four legs good, two legs bad”.

Gabriele Klein / 28.07.2020

@Hoffmann Gebe Ihnen teils völlig Recht,  extrem wichtig wäre, dass man beim ersten Anzeichen daheim bleibt bzw. dass man bereits beim Arbeitgeber entsprechend behandeln kann, auf Grund des schnellen Fortschreitens der Krankheit. Weiterhin wären UV Entkeimer wichtig in Räumlichkeiten, sowie sauber arbeitende Klimaanlagen, ein Thema zu dem sich die DB, das Kind der deutschen Regierung ausschweigt und zwar mit Erfolg, da sich die Kritik glücklicherweise an der Maske abarbeitet. Zu Ihrer Forderung: “Alle Menschen, die in der Öffentlichkeit Masken tragen, sind asoziale, unsolidarische, gemeingefährliche Krankheitsverbreiter und gehören solange sie viral sind, in Zwangsquarantäne.” Gebe Ihnen völlig Recht, und da wir weder wissen wer viral i nicht, , (Es gibt keine Garantie dass Sie sich 1 Sekunde nach einem negativen Test infizieren, auch die Frage der Immunität ist ungeklärt) müssten alle in Zwangsquarantäne d.h. kompletter Lockdown, das können wir uns aber nicht leisten und der Lockdown fordert seinerseits Menschenleben, somit .........? PS:  noch was zu allen Menschen die in der Öffentlichkeit Masken tragen ............. Meinen Sie jetzt damit auch die Allergiker,  bzw. auch die Rad, Ski , Snowboard Fahrer? Die tragen das Ding nämlich Stundenlang und meist gar noch in untertäniger “gebückter Haltung” , freiwillig. Wow. “Selbst wenn die Pest ausbrechen würde, wäre die Maskenpflicht Unrecht” bei der Spanischen Grippe war die Maske fast weltweit Pflicht. Zum Warum man das Seinige zu tun hat den Andern NICHT zu gefährden wäre mein Tipp der Kantsche Imperativ. Dieser Diskurs rund um die Maske lässt sehr tief blicken nicht nur wie es mit der Rücksichtnahme sowohl der Regierung als auch ihrer Opposition in diesem Lande bestellt ist sondern auch mit der Fähigkeit höchst unangenehme Informationen realistisch einzuordnen anstatt zu verdrängen. Es gehört schon was dazu an sämtlichen Ärzteblättern, Fachzeitschriften die man doch sonst so gern zitiert vorbeizuargumentieren.

herbert binder / 28.07.2020

Wie war die Aufregung so groß, als vor etlichen Jahren die Gurtpflicht verordnet wurde. “Ich laß mir doch nicht vorschreiben…”, usw., usf. Inzwischen eine Alltagserscheinung. Es ist zu erwarten, zu befürchten, daß der Face-to-Face-Veredlung der gleiche Karriereweg blüht [natürlich nur zum Glanze unseres Glückes] Oh Gott, hoffentlich bin ich jetzt mit diesem Vergleich nicht hinkend auf den Hund gekommen. Apropos. Zu diesem Vierbeiner fällt mir noch spontan ein, lieber Herr Grimm, der wird geliebt. Wenigstens überwiegend.

Peter Wachter / 28.07.2020

Ein Ende der “Pandemie” ist nicht absehbar (s.h. RKI in den ÖR) und damit auch der Maskenpflicht, daher auch die Umbenennung in Alltagsmaske. Nebenbei fördert es auch die Akzeptanz des Hijab und die Antifa darf sich ganz legal vermummen.

Michael Hoffmann / 28.07.2020

Selbst wenn die Pest ausbrechen würde, wäre die Maskenpflicht Unrecht. Denn jeder Mensch muß selbst über die Art seines Schutzes vor einem Risko entscheiden können. Das ist übrigens auch der Grund, warum man das Narrativ erfunden hat, das Tragen der Maske schütze andere. Weil man Menschen in einem Rechtsstaat schlecht zum eigenen Schutz zu etwas zwingen kann. Wer also eine Maske trägt, ist offensichtlich infiziert und verbreitet Viren. Da die Maske aber nicht zuverlässig schützt (wozu gibt es sonst mit Millionenaufwand gebaute OP-Säle), müßte der Maskenträger, wenn er wirklich von Nächstenliebe getrieben wird, zuhause bleiben. Schließlich geht ja auch kein rücksichtsvoller Mensch mit einem grippalen Effekt unter die Leute. Und da Corona angeblich noch viel, viel schlimmer ist, wäre ein solches Verhalten erst recht angezeigt. Ergo: Alle Menschen, die in der Öffentlichkeit Masken tragen, sind asoziale, unsolidarische, gemeingefährliche Krankheitsverbreiter und gehören solange sie viral sind, in Zwangsquarantäne.

Markus Knust / 28.07.2020

Ganz ehrlich, bei allem Verständnis Ich kann dieses Geseier über die Masken nicht mehr hören. Was daran nun so epochal furchtbar sein soll, sich so eine Maske aufzusetzen, verstehe ich bis heute nicht. Die Konstruktionen die hierzulande im rechten Lager darum gesponnen werden ist nicht weniger lächerlich, als die linke Klima Hysterie. Die Asiaten handeln seit Jahrzehnten so, schon aus Höflichkeit und hygienischen Gründen. Nur der Deutsche weint und jammert, als er ihm Gliedmaßen amputiert werden. Ja, mich stört die Maske auch und da ich unter COPD leide, bekomme ich nicht mal sonderlich gut Luft damit. Aber es ist nun mal Vorschrift und schaden kann es mit Sicherheit nicht. Es gibt ganz andere Themen, mit denen wir uns beschäftigen sollten. Die Masken sind nämlich ein genehmigter Aufreger, der hier aber für hervorragende Beschäftigung zu sorgen scheint.

Dov Nesher / 28.07.2020

Hätte ich Achgut nicht gelesen hätte ich diese Assoziation nicht. “Danke” Achgut. Echt “hilfreich”.

Andi Nöhren / 28.07.2020

Demnächst kommt noch die Vorschrift sich sofort in gebückte Haltung zu begeben, wenn ein Regierungsmitglied von Bundesregierung und Landesregierungen oder Drosten sich zu Fuß den Untertanen nähern, wenn sie im Fernsehen gezeigt werden oder mit einem Pkw an Menschen vorbeifahren. Die Maskierung ist nur eine Vorstufe hiervon.

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