Vor Jahrzehnten wagte eine Feministin Unerhörtes: Vergewaltigungen aufzudecken, auf die noch kein Schwein gekommen war. Ihr selbst blieb der erstrebte Lohn – eine Professur für linguistische Opferlehre – leider versagt. Heute profitieren Hunderte vom akademischen Gendervoodoo. Ständchen auf eine zu unrecht Vergessene.
Lassen Sie uns mal ein Stück zurückgucken, die Gegenwart ist stressig genug. Also, vor einem halben Jahrhundert ging es deutlich entspannter zu, wenigstens im Westen Deutschlands. Man konnte reden, wie einem der Schnabel gewachsen war (ausgenommen beim Baader-Meinhof-Komplex, das Thema konnte gefährlich werden), ohne alsbald an irgendeinem Pranger zu landen.
Auch in erotischer Hinsicht war man locker drauf. Weitaus lockerer als heute! Zwar wurde der Spruch „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ von den meisten Zeitgenossen nicht wirklich gelebt. Doch bei gegenseitigem Gefallen spontan in die Kiste zu hüpfen, war unter Jungs und Deerns nicht ganz unüblich, wenn ich mich richtig erinnere.
Die Pille setzte ihren Siegeszug fort, Aids war noch kein Thema und der Phänotypus des ze.tt oder jetzt lesenden Schneeflöckchens mit seinen diversen Befindlichkeitsmacken noch nicht geboren – himmlische Jahre. Wer damals jung war, hatte das Blatt des Jahrhunderts bekommen. Grand mit Vieren.
Ehrliche Kampflesben
Indes, nicht alle sahen das so rosig. In bestimmten Frauenzirkeln grummelte es. Mit dem Tomatenwurf von Frankfurt hatte es angefangen. 1968 schmiss eine Romanistikstudentin bei einer Konferenz von Linksradikalen einen Paradeiser in Richtung des Studentenhäuptlings Hans-Jürgen Krahl und rief: „Genosse Krahl! Du bist objektiv ein Konterrevolutionär und ein Agent des Klassenfeindes dazu!“
Hintergrund war, dass linke Frauen sich durch die ewig von Befreiung schwafelnden Revoluzzer irgendwie, nun ja, verarscht fühlten. Diese Kerle waren Machos durch und durch, wie ihre bourgeoisen Väter. „Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen“, so lautete eine Flugblattparole des nämlichen Milieus.
Ob das wörtlich gemeint war, wurde nicht klar. Der Tomatenwurf jedenfalls gilt als die Geburtsstunde einer neuen deutschen Frauenbewegung. Nicht lange danach sprang Alice Schwarzer auf den Zug, und der Stern erschien mit seinem legendären „Wir haben abgetrieben“-Titel. Allerlei Werke zur „Frauenproblematik“ – so nannte man das Genre ernstlich – hielten Einzug in die Buchläden.
Unvermeidlich, dass im Umfeld der Bewegung auch Subkulturen und Konventikel blühten, die noch radikalere Ziele verfolgten. Dass die Kastration des Mannes nur eine „Übergangslösung“ sein könne, postulierten Anarcha-Feministinnen in einem Periodikum namens Die schwarze Botin, wo die Zeichnung eines guillotinierten Männerkopfs in Frauenhand zu betrachten war. Die beiden Blattmacherinnen waren mir auf Anhieb sympathisch. Es handelte sich um ehrliche Kampflesben, die aus ihrem Hass auf Schwanzträger, aber auch aus der Verachtung für klebrige Frauensolidarität kein Hehl machten.
Schenkelklopfer wie „Männer reden, Frauen schweigen“
Das unterschied sie angenehm von den Schwurbelinen bei Emma oder deren Konkurrenzorgan Courage. Wo aus Akzeptanzgründen immer so getan wurde, als ginge es um die Anliegen aller Frauen, selbst um die der unverbesserlichen Heten. Schwarzer trieb die Anbiederei schließlich so weit, dass sie jahrelang in der trutschigen ARD-Sendung „Ja oder Nein“ (eine Nachfolge vom „Heiteren Beruferaten“) als Quiztante auftrat.
Aber den meisten Spaß machte meinen Kumpels und mir, in den 1970ern frei flottierende Partisanen der undogmatischen Linken, eine bis ins tiefe Zwerchfell spaßbefreite Frau und ihr linguistischer Theoriebaukasten. Bereits 1978 trat sie mit der These auf den Markt, das generische Maskulinum (etwa „Bären“ für Bärinnen und Bären) „lösche Frauen gedanklich aus“.
Mehr noch, mittels einer „Männersprache“ würde Frauen permanent Gewalt angetan. Ja, regelrecht sprachgenotzüchtigt würden sie. „Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen“, so lautete der Untertitel eines ihrer Bücher.
Schenkelklopfer waren für uns auch Kapitelüberschriften wie „Männer reden, Frauen schweigen“ oder „Die beste Frau ist die, die nicht spricht“. Wir rätselten über die genaue Position des Planeten, auf dem die Dame gelebt haben musste, ehe sie zu unserer Erleuchtung gen Erde gebeamt worden war.
Ein Name, wie von Loriot erfunden
Schon bei ihrem Namen kam Freude auf, um eine Wendung aus dem Partyhit „Polonäse Blankenese“ zu zitieren: „Senta Trömel-Plötz“. Ein Dreiklang, als habe ihn der Humorgott Loriot erschaffen, wie der auf Femidiotien spezialisierte Achse-Autor Bernhard Lassahn treffend in anderem Zusammenhang bemerkte.
„Senta“ war uns allein als Schäferhündinnenname geläufig, wenn man von der zauberhaften Senta Berger absah, deren üppige Formen wesentlich zum Gelingen von Meister Peckinpahs Western „Sierra Charriba“ (1965) beitrugen.
Und erst „Trömel-Plötz“! Wie wir uns beömmelten beziehungsweise betrömelten, jung und albern wie wir waren. Spekulierten darüber, ob es einen Herrn Trömel (oder Plötz?) gab und wie ein solcher Mensch wohl beschaffen wäre. Ach, wenig wusste wir von Senta Trömel-Plötz; so wenig wie sie von uns. Nicht im Entferntesten konnte sie ahnen, wie viel Gaudi sie uns Jerks bereitete.
STP, wie wir sie künftig in Anerkennung ihrer unbestreitbaren Verdienste nennen wollen, hatte in den USA Linguistik studiert, was man dank Wikipedia weiß. Dort wurde sie auch promoviert, sogar habilitiert. Doch führten weder dieses Lametta noch ihre bahnbrechenden Sprachforschungen dazu, dass sie daheim mehr als eine befristete Professur an der Uni Konstanz ergattern konnte.
Verbitterter Rückzug nach Amerika
Der erstrebte Lehrstuhl für „feministische Linguistik“ wurde ihr verweigert – aus politischen Gründen, wie sie annahm. Sie erhielt „praktisch Berufsverbot“, zürnte eine Mitstreiterin namens Luise F. Pusch, dies trotz STPs „Bestsellerinnen“ (O-Ton Pusch).
Die Gemeinheit, natürlich männerbündisch eingefädelt, wog umso schwerer angesichts von STPs Recherchen über geniale Frauen, welche im Schatten berühmter Männer verkümmerten, obschon ihnen von deren Ruhm ein großer Anteil zugestanden hätte. So deckte STP etwa auf, dass Albert Einsteins erste Frau Mileva Maric als Mit-, wenn nicht gar als Hauptautorin von Einsteins Frühwerk zu gelten habe.
Dass diese Erkenntnis von sogenannten Experten per Mansplaining arrogant abgebügelt wurde (Frau Maric sei nicht viel mehr gewesen als ein „Resonanzboden für Einsteins Ideen“), stellte eine weitere Kränkung der Forscherin dar. Kein Wunder, dass sie irgendwann beschloss, Deutschland den Rücken zu kehren. Längst lebt sie wieder in den USA, wo ihre Zunft, so seufzte sie mal, mehr geschätzt werde als in Deutschland.
Das ist, Göttin sei Dank, nicht mehr ganz aktuell. Denn mittlerweile ist die Disziplin von STP auch hierzulande ein Fels in der Brandung männlicher Anmaßung geworden. Viel – womöglich zu viel – wurde geschrieben und debattiert über die amerikanische Philosophin Judith Butler oder die deutsche Genderfachfrau Prof.ens Dr.ens Lann Hornscheidt.
Legitime Mutti allen Genderklamauks
Doch wer hat denn die Vorarbeiten geleistet? Wer die Mühen der Ebene auf sich genommen? Warum spricht so gut wie niemand (alle mitgemeint!) mehr von STP?
Zeit für eine Ehrenrettung: legitime Mutti allen Genderklamauks und grassierender Sprachverhunzungen inklusive Schrägstriche, Unterstriche, Sternchen, Binnen-I, Knacklaute etc.; Vorreiterin von sämtlichem Mumpitz, der in die für jeden Quark empfangsbereiten Hirne von Studentinnen und Studenten implantiert werden kann, welche Die Zeit im Studi-Abo erhalten; Quartiermacherin für femilinguistischen Voodoozauber rund um Sexismus, geschlechtergerechte Sprache und semantische Diskriminierung ist niemand anders als…
…genau! Als die große, die unnachahmliche, the one-and-only STP.
Ihr Wirken, so fern und doch so nah. Was sie einst säte, wird jetzt geerntet. Wenn zum Beispiel im gewesenen Land der Dichter & Denker nunmehr ein Lexikon mit dem Rubrum „Geschickt gendern“ online steht, welches Dichter mit „dichtende Person“ übersetzt (für Denker gibt es noch keine Empfehlung, kommt aber sicher bald), so ist auch dies indirekt ein Verdienst von STP. Der Ehegatte als „die Ehe teilende Person“ – smart, oder? Im Englischen werden solche Personen gelegentlich auch „Wifesharer“ genannt.
Die reichste Ernte verzeichnen die heutigen Genderistas selber. Wurde Frau STP vor Dezennien noch ein rentensicherer Lehrstuhl verweigert, so gab es 2019 bereits 185 Professuren für Gendergaga. Andere Quellen nennen über 200 Lehrstühle, mehr als für Pharmazie.
Da ist sicher noch Luft nach oben. Sobald Kernphysik und Automobilforschung endgültig abgewickelt sind (die Genforschung ist bereits mehrheitlich über den großen Teich entfleucht), könnten die Vakanzen mit Genderwissenschaft ausgeschäumt werden.
Womöglich ein Exportschlager. Irgendwann gendert dann nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt. Na ja, mit Ausnahme der Chinesen vielleicht.