Gastautor / 17.03.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 56 / Seite ausdrucken

Lügen sind käuflich, Wahrheit nicht

Von Konrad Adam.

Früher nannten sich die Zeitungen Tendenzbetriebe; sie waren das auch. Die Meinungen waren frei, die Fakten heilig, die Nachrichten getrennt vom Kommentar. Inzwischen hat sich das geändert. Die Politik hat die Medien gekauft. Eine Philippika.

Wozu die Aufregung? ist man geneigt zu fragen, wenn man den Lärm vernimmt, mit dem die Öffentlichkeit auf die Nachricht reagiert, dass man mit Speck Mäuse fängt. Oder mit Geld Journalisten. Neu ist das nicht, spektakulär auch nicht. Was stellen zweihundert dienstwillige Redakteure im Vergleich zu den Zehntausenden dar, die am Gängelband der Regierung laufen? Wie kümmerlich nehmen sich die eineinhalb Millionen, die Kanzler und Minister ausgegeben haben, gegen die achteinhalb Milliarden aus, die dem staatlich privilegierten Medienkartell Jahr für Jahr zufließen? Warum sich über Honorare von ein paar tausend Euro erregen, wenn die Intendanten von ARD und ZDF Gehälter in sechsstelliger Höhe kassieren und Patricia Schlesinger, die geschasste RBB-Chefin, vor Gericht zieht, um eine Rente von monatlich knapp 20.000 Euro einzuklagen? So könnte man endlos weiter fragen. Und resignieren. Denn wozu über Peanuts reden, wenn es um ganze Erdnussfarmen geht. Lohnt sich das?

Ja, es lohnt. Denn hier geht es ja nicht um irgendwelche Dienstleistungen, sondern um Meinungskauf, um Korruption in beiderlei Gestalt. Gekauft worden sind nicht irgendwelche PR-Agenten oder freischaffende Journalisten, sondern, weit überwiegend jedenfalls, Angestellte und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunks, der laut Staatsvertrag zu sachlicher, unabhängiger und ausgewogener Berichterstattung verpflichtet ist. Gekauft hat auch nicht irgendwer, sondern die Regierung, vertreten durch Kanzleramt und Ministerien, die laut Verfassung nicht diesen oder jenen, schon gar nicht ihren eigenen Interessen dienen sollen, sondern dem Gemeinwohl. Das war zwar immer schon mehr Poesie als Prosa, doch nun ist es auch mit der Prosa vorbei. Die einen haben gekauft, die anderen haben sich kaufen lassen, damit sind beide unglaubwürdig geworden. Sie haben Vertrauen verspielt, und das muss Folgen haben.

Überraschend kam das alles nicht. Angela Merkel hatte vorgearbeitet und ihre Absicht, Information durch Propaganda zu ersetzen, deutlich genug   durchblicken lassen. Der mittlerweile fünf Jahre alte Migrationspakt fordert ganz offen dazu auf, Kampagnen zu führen, einseitig zu berichten, „positive“ Beiträge zu unterstützen und „negative“ zu bekämpfen, auch das natürlich in der verlogenen Sprache, die jeder Propaganda eigen ist. Die Unterzeichner, also auch Deutschland, wollen sensibilisieren, die Guten fördern und den Bösen, die sich der amtlichen Sprachregelung zu entziehen suchen, in die Parade fahren, „bei voller Berücksichtigung der Medienfreiheit“, wie die Verfasser dieses jämmerlichen Textes, ganz dienstfertige Beamte, hinzusetzen. Seit den berüchtigten Prairial-Dekreten, die in der blutigsten Phase der Französischen Revolution jeden, der im Verdacht stand, falsche Nachrichten und irreführende Ansichten auszusprengen, mit dem Tode bedrohten, hat es keinen schamloseren Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit gegeben als dieses Machwerk.

Halbe Wahrheiten verwandeln sich über Nacht in ganze Lügen

Was die neuen deutschen Medienmacher an Kampfparolen vor sich hertragen – das Zeichen setzen, Haltung zeigen, Meinung haben und so weiter – sind durchweg alte Hüte. Alles das war seit jeher nicht bloß erlaubt; es war Voraussetzung für jede Form von anspruchsvollem Journalismus. Nicht zufällig nannten sich die Zeitungen Tendenzbetriebe; sie waren das auch. Daran war auch nichts auszusetzen, so lange sie unterschiedliche Tendenzen verfolgten und konkurrierenden Parteien die Stange hielten: die Meinungen waren frei, die Fakten heilig, die Nachrichten getrennt vom Kommentar. Inzwischen hat sich das geändert. Zu schreiben, „was ist“, wie Rudolf Augstein das von seinen Redakteuren verlangt hatte, gilt als reaktionärer spleen, als Rückfall in eine Zeit, über die der Fortschritt hinaus ist. Die Trennung von Bericht und Meinung funktioniere nicht mehr, verkünden die neuen deutschen Medienmacher, und wischen die Meinungsfreiheit kurzerhand vom Tisch. Denn Meinungsfreiheit, hatte Hannah Arendt seinerzeit bemerkt, „ist eine Farce, wenn die Information über die Tatsachen nicht garantiert ist“.

Ausgerechnet die so genannten Faktenfinder, ein Zweigbetrieb der Tagesschau, haben sich als Meister in der Kunst erwiesen, Tatsachen als Meinungen auszugeben und, umgekehrt, Meinungen in Tatsachen zu verwandeln. Dass es mehr als nur zwei Geschlechter geben soll, ist eine Behauptung, die als Faktum verkündet wird; umgekehrt wird das Faktum, dass Einwanderung die Gesellschaft belastet, als Unterstellung bezeichnet und bekämpft. So oder so wird das Vertrauen in die Wirklichkeit zerstört, und das spielt jenen Kräften in die Hände, die Wahrheit und Vernunft durch fortschrittliches Denken ersetzen wollen. Winston Smith, der traurige Held aus Orwells „1984“, hat in dem Moment kapituliert, wo er einräumt, dass zwei mal zwei auch fünf sein könne. Er glaubt nicht länger an die Wahrheit, nicht einmal an die Möglichkeit von Wahrheit. Das ist die Stunde der Ideologen. Wenn der Unterschied von wahr und falsch, von Fakten und Fiktion, von Tatsachen und Meinungen verschwunden ist, dann zieht die Nacht auf, in der man Georg Restle für einen Journalisten, Anne Will für eine Moderatorin und Sven Lehmann für einen Staatssekretär halten kann.

Im Unterschied zur Wahrheit, die man sich gern nackt vorstellt, tritt die Lüge in mancherlei Verkleidung auf. Die Kostüme wechseln, im hochmodernen Medienbetrieb kommen fast täglich ein paar neue hinzu. Unter hochgestochenen Begriffen wie framingagenda-setting, image-making und so weiter werden halbe Wahrheiten in die Welt gesetzt, die sich über Nacht in ganze Lügen verwandeln. Sich ihrem Einfluss zu entziehen, ist schwer, da das duale Rundfunksystem, halb öffentlich und halb privat, von seinem Erfinder, dem Bundesverfassungsgericht, mit allerlei Privilegien ausgestattet worden ist. Die Richter etablierten ein Kartell, das zu Missbrauch, Überheblichkeit und Korruption geradezu einlädt, der RBB ist dafür nur ein Beispiel unter vielen. Anlass genug also, sich daran zu erinnern, dass es neben der positiven auch eine negative Meinungsfreiheit gibt. Wir haben Anspruch darauf, von einem Angebot verschont zu bleiben, das wir aus gutem Grund nicht wünschen. Und sollten uns gegen diejenigen zur Wehr setzten, die verlangen, dass wir für das, was wir nicht haben wollen, auch noch bezahlen.

 

Konrad Adam ist Journalist und Publizist. Er war von 1979 bis 2000 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und dann bis 2007 Chefkorrespondent und Kolumnist der Welt.

Foto: Pixabay

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PeterBernhardt / 17.03.2023

Die Regierungen sind das Problem! ++++++Taiwans Repräsentant Eric Huang in Vilnius; Jedes Regime ist rational, allerdings setzen sie jeweils unterschiedliche Prioritäten in den Berechnungen ihrer Interessen. Während Demokratien vor allem an das Wohlergehen ihrer Bürger denken, hat in autoritären Staaten der Machterhalt des Regimes die aller höchste Priorität .Welt,17.3.23 ++++++++  @Rainer Niersberger: “Die aktuelle Staatsform weist faktisch! alle Merkmale eines quasitotalitaeren Systems auf, an dessen Perfektion aber von den Tätern natürlich weiter “gearbeitet” wird.”

Sam Lowry / 17.03.2023

“Den Sozialismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf”

Gunther Laudahn / 17.03.2023

Das ist eine zwangsläufige Folge der Digitalisierung. Alles,was man digitalisieren kann, wird wertlos. Musik, Filme, Fotos, Zeitungsartikel etc. Wir Musiker können dann wenigstens noch auf die Bühne. Das Live Konzerterlebnis kann man nicht digitalisieren. Alle anderen müssen sich nach neuen Geldquellen umsehen. Und da gibt es reichlich. Stiftungen, Milliardäre, Regierungen, Religionen… Für die Wahrheit gibt’s kein Geld.

Thomas Schöffel / 17.03.2023

Alles richtig. Und der Volkgenosse -so nicht gänzlich deppert- nickt auch noch wohlmeinend dazu und… macht nichts. Solange man trotz aller behaupteten Katastrophen auf die Straße treten kann und einen Zustand antrifft, an dem sich nichts zu verändert haben scheint, sieht für den Durchschnittsdödel doch alles gut aus. Überall fahren Verbrenner rum, die Leute stehen an den Ecken und schmöken Zigaretten wie immer, der Türke an der Ecke verkauft sein Gemüse und baut eben keine Bomben und wir haben unsere Mallorca-Reise gebucht. Irgendwie scheint das ganze Unbill immer nur im Fernsehen zu passieren und gendern tut auch keiner, den ich kenne. Solange ich also wenig bis gar nichts davon bemerke, gibt es kein Anlaß, den eigenen Arsch vom Sofa hochzukriegen. Ich gucke fast kein Fernsehen mehr, bzw. nutze die Flimmerkiste nur noch für Krimis, Spielfilme und sonstiges, was mich direkt interessiert. Als ich am ersten Januar diesen Jahres mein Autoradio zum ersten mal im neuen Jahr einschaltete, war das erste Wort: Holocaust. Kein Scheiß, wirklich. Sofort wieder abgeschaltet. Meine Infos besorge ich mir im Netz, ich bekomme schon mit, was wichtig ist. Aber ob nun irgendwo ein Zug entgleist oder mal wieder eine überfüllte Fähre in Indonesien absäuft,... ist das wirklich wichtig? Hier für uns? Für mich? All diese Schwatzbuden wie Anne Will (und kann nicht), Maischberger, Lanz und wie sie heißen mögen, tue ich mir schon seit Jahren nicht mehr an. Ist unerträglich geworden. Kann man nicht mal ein Asylbewerberheim direkt gegenüber von dem Privathaus von Habeck, Scholz oder Lindner aufstellen? Das wäre mal was. Oder wenn der Remmo-Clan mal einen TV-Sender so richtig aggressiv kulturbereichern würde, da hätte ich mal klammheimliche Schadenfreude. Aber so. Wird wohl wieder nichts. So lange, bis das Unglück vor der eigenen Tür steht.

Heinrich Bleichrodt / 17.03.2023

Ja, Sie haben - mal wieder - ins Schwarze getroffen. Weiter so; Verschärfung im Duktus erforderlich! Nicht nachlassen.

A. Ostrovsky / 17.03.2023

“Lügen sind käuflich, Wahrheit nicht”. Es kommt aber darauf an, wer das entscheidet, was Lüge und was Wahrheit ist. Wenn man den kauft, beherrscht man die Welt. Und es ist egal, ob er lügt oder die Wahrheit sagt, wenn er nur genau das macht, wofür er bezahlt wird. Oder sie.

Gerhard Schweickhardt / 17.03.2023

Seit vielen Jahren gibt es Widerstand gegen das GEZ. Das Framing ist unerträglich und widerspricht dem öff Auftrag. Die Aufsicht funktioniert nicht ode ist au h gekauft.Verschwendung u Vetternwirtschaft. Das BVerG stellt sich über den parlamentarischen Gesetzgeber bei der Erhöhung, stellt das Selbstbestimmungsrecht UNTER den Finanzierungsbedarf eines Unternehmens. Die öffentlichen Medien sind zum politischen Machtzentrum verkommen. Nur ohne diese Macht finden wir wieder zum demokratischen Diskurs zurück. Der Wille hierzu fehlt , es gäbe sehr viel zu richten und der Michel schläft.

K.Lehmann / 17.03.2023

Wer sieht denn schon RBB? Da kann ich mir auch wünschen, das DDR 1 oder DDR 2 wieder auf Sendung gehen, inklusive der Moderatoren.

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