Gastautor / 18.07.2020 / 16:00 / Foto: Matti Blume / 30 / Seite ausdrucken

Liegt es an meiner schwarzen Hautfarbe?

Von Benjamin Caesar.

Auf dem Heimweg bewegen sich die Füße fast wie von alleine. Die Gedanken können sogar in anderen Sphären schweben, aber der fast schon apathische Gang führt schnurstracks gen Haustür – ein herrlicher Automatismus.

Doch dieses evolutionäre Bon-Bon ist an jenem Samstagmorgen im Juni um 4 Uhr plötzlich abgeschaltet. Als ich mit meinen Gedanken wieder zum Heimweg zurückkehre, merke ich, dass ich einige hundert Meter zu weit gelaufen bin. Also kehrt und marsch. Und während mir junges Volk im After-Party-Rausch entgegengeht, -torkelt und in einem Fall sogar -hopst, sind meine Gedanken trotz später Stunde geradlinig. Das liegt zum einen daran, dass ich wenig getrunken habe, zum anderen aber an gewissen Sätzen, die ich beim Besuch meiner Stammkneipe vernommen und an denen ich zu knabbern habe. 

Zuhause angekommen. Im Bett dreht das Gedankenkarussell dann richtig auf. Ich erinnere mich zurück: Während ich am Tresen ein Gespräch mit einem bereits angetrunkenen 30-Jährigen führe, erzählt er, dass in seiner Fußballmannschaft neuerdings mehrere, erst seit kurzem in Deutschland lebende Migranten aus Tschetschenien und Afghanistan spielen. Einige seiner Freunde haben bereits den Klub gewechselt. "Es ist nicht mehr so wie früher", sagt er niedergeschlagen. Er guckt mich an, ich nicke. Aber dann schiebt er überraschend nach: "Tut mir leid! Ich habe ja nichts gegen Ausländer. Ich komme mit allen Menschen gut klar". Gebetsmühlenartig wiederholt er diese Sätze in variierender Reihenfolge über die nächsten 20 Minuten. 

In mir macht sich Unverständnis und Bewunderung breit. Zweiteres, weil das Angstmoment "Hoffenlich-habe-ich-nichts-rassistisches-gesagt" anscheinend auch bei geschätzten zwei Promille noch funktionstüchtig ist. Das Unverständnis nimmt allerdings überhand. Warum fühlt sich dieser Mann verpflichtet, sich zu entschuldigen? Liegt es an der Aussage selbst oder an meiner schwarzen Hautfarbe? 

Gruppenidentität als organisierendes Denkmuster. 

Ich befürchte letzteres. Und das ist der Kasus Knacktus. Nicht weiß zu sein, trifft auf mehrere Millionen Menschen in Deutschhalnd zu, und die Heterogenität dieser Gruppe ist kaum in Worte zu fassen. Es ist die unangenehme Annahme mancher weißen Menschen, dass alle Nicht-Weißen eine Art Schwarmbewusstsein verbindet. Der 30-Jährige ist einer fehlgeleiteten und spalterischen Idee auf den Leim gegangen – die Abbkehr von der Idee des Individuums. Kurzum: Gruppenidentität als organisierendes Denkmuster. 

Mir werden Entschuldigungen für Sätze entgegengebracht, die ich nicht für verfänglich erachte. Mir wird ein unsichtbares Band zu Leuten in die Hand gedrückt, die ich nicht kenne und mit denen ich nichts gemein habe. Ich als Individuum verschwinde in einer Gruppe. Dass ich seit rund 30 Jahren in diesem Land lebe und meine Erziehung sowie meine Erfahrungen völlig andersartig sind, gerät in Vergessenheit. Ganz abgesehen davon, dass jeder Mensch Verständnis für einen Mann haben sollte, der Zeiten hinterhertrauert, in denen seine Mitspieler seine Sprache auf Anhieb verstanden haben und er mit seinen Grundschulfreunden zusammen gespielt hat. 

Apropos Vergangenheit: Wir waren schon einmal weiter als heute. Vor zehn Jahren habe ich solche vorauseilenden Apologien nicht vernommen. Und sie sollten auch heute nicht sein. Dass eine Unterhaltung mit Nicht-Weiß für Weiß zu einem verbalen Eierlauf wird, ist Rückschritt. Die Degeneration von der Anstands- zur Opfergesellschaft lehne ich ab, weil mir dadurch unfreiwillig ein Bonus zugeschustert wird, indem mir Mitmenschen das Etikett "zerbrechlich" – also schwach und daher schützenswert, quasi infantil – aufdrücken. Mal sehen, ob ich kommendes Wochenende den Heimweg wieder automatisch finde. Ich wünsche es mir jedenfalls.

Benjamin Caesar, Jahrgang 1989, ist freier Autor.

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Hermine Mut / 18.07.2020

Kleine Szene aus der Provinz :  gestern vor dem Dorfladen, 2 ca 7-jährige Jungen lungern vor der Eingangstür, der eine ziemlich schwarz, der andere weiß .  SEHR dreist kommt sofort :“gib uns Geld, wir wollen Eis kaufen, gib uns 2 Euro !” -wobei der Afrikanische sehr deutlich der Wortführer ist und der andere brav seine Forderung bekräftigt. Mir bleibt die Spucke weg - 2 Euro finde ich viel Geld für so kleine Kinder, die Frechheit ihrer Forderung schockt mich. Ich lache sie aus und sage :“Ha , gib du mir doch 2 Euro !!” - “Aber wir haben Hunger, wir haben nichts zu essen…” wird ohne jede Hemmung nachgeschoben. Es macht mich wütend. Hätten 2 Kinder um Centbeträge gebettelt, hätte ich dies positiv als Mutprobe und soziales Experiment / Spiel gewertet. Dies aber finde ich einfach unverschämt. Es war hier keine kindliche Unschuld im Spiel. Das dunkelhäutige Kind wirkte wie “abgerichtet”, sein hiesiger Kamerad wirkte wie sein Assistent, devot . Es ekelt mich an.  Something is rotten in the state of ... Der Umgang und Kontakt zwischen weiß und schwarz hatte schon mal mehr “Serenity”, wie mir scheint. Blödes vergiftetes Spiel.

Hans-Peter Dollhopf / 18.07.2020

“und er mit seinen Grundschulfreunden zusammen gespielt hat” Eine durch ethnisches Gruppendenken auffallende Zusammensetzung der Nachkriegsnachwuchsbevölkerung der Bundesrepublik war im Jahr meiner Einschulung in eine bayerische Dorfschule in den 60ern auch bei den sportlich durchaus nicht verachtenswerten Gemeinschaftsspielen auf dem Pausenhof mit mehr als fünfzig sich vollkomen wie selbstverständlich selbst organisierenden Kindern von sieben Jahren irrelevant! Weil, meine Grundschulfreund *(aka “klack”) Innen und ich waren damals einfach satte 97 Prozent ho-mo-Gen urbevölkerisch. Irre, aber die sind es dort, wo ich auf die ursprüngliche Dorfschule ging, heute auch immer noch! Inhomogenität begann mit der Verbandsschule, mit vollkommen sinnlosen[sic] Keilereien im Pausenhof. Für uns Dorfbrut begann nach jener “Überstellung” an eine “höhere” bayerische Schulinstanz die neue Lebenszeit der leider schulisch nicht vermittelten, “unaufgearbeiteten”, Konfrontation mit Asozialität. Und da war für viele weitere Jahre überhaupt noch kein Einziger mit “Erdogan”-Migrationshintergrund unter den Asozialen, die wir langsam und exponentiell bereits wenige Jahre später erfuhren mit ihrem widerlichen und für deutsche Kinder vollkommen[sic] asozialen Schulhofkonzeptes des kleinen Paschas.

J.G.R. Benthien / 18.07.2020

Sie könnten uns allen einen grossen Gefallen tun, indem Sie diesen Artikel an sämtliche Parteizentralen in Deutschland senden würden, mit der Bitte, ihn an alle Institutionen und Stiftungen weiterzuleiten.

Heinz Becker / 18.07.2020

Es kommt NIE auf die Verpackung - oder die Hautfarbe - an, sondern darauf, was drin ist. Bei ERIKA steht auch CDU drauf und SED ist drin…Wobei es bei dem Rest der vormaligen Christenunion auch nicht viel anders aussieht.

Gabriele Kremmel / 18.07.2020

@Harald Unger: “Wenn der Rassismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: “Ich bin der Rassismus.” Nein, er wird sagen: “Ich bin der Antirassismus”. Wie recht Sie haben, genauso ist es gerade.

Robert Jankowski / 18.07.2020

Ich unterscheide nach “Arschloch” und “Nicht-Arschloch”, da bin ich voll Rassist. Aber ehrlich gesagt esse ich auch immer noch Negerküsse. Das hat für mich Nichts mit Rasse oder sonstwas zu tun. Ich finde es genauso rassistisch für alle Weltscheiße die alten weißen Männer verantwortlich zu machen. Da ist mir Alles zu billig und nicht reflektiv genug. Diese Neusprech Methodik, jede Diskussion über eine formell “richtige” Sprache abzuwürgen, ignoriere ich. Wer mich als Nazi tituliert, kann sich dann warm anziehen, denn dann gibts zumindest verbal auf die Fresse! Ich lasse mir keine Schere im Kopf installieren und mein Menschenbild vorschreiben von irgendwelchen Sozialarbeitern, die in erster Linie eine Sache verfolgen: die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze durch Dauerimport von Migranten. Ich halte es mit Funny van Dannen: auch lesbische, Schwarze, Behinderte können ätzend sein! Sehr empfehlenswert das Lied.

Ralf Pöhling / 18.07.2020

Zitat:“Ich befürchte letzteres. Und das ist der Kasus Knacktus. Nicht weiß zu sein, trifft auf mehrere Millionen Menschen in Deutschhalnd zu, und die Heterogenität dieser Gruppe ist kaum in Worte zu fassen. Es ist die unangenehme Annahme mancher weißen Menschen, dass alle Nicht-Weißen eine Art Schwarmbewusstsein verbindet. Der 30-Jährige ist einer fehlgeleiteten und spalterischen Idee auf den Leim gegangen – die Abbkehr von der Idee des Individuums. Kurzum: Gruppenidentität als organisierendes Denkmuster. “ Die meisten Menschen auf diesem Planeten ticken so. Das ist normal. Jemand, der sich jedoch als Minderheit in einer überaus heterogenen Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb einer homogenen Gruppe ohne Migrationshintergrund bewegt, mag dies zunächst nicht nachvollziehen können. Wirklich individuell sein und sich als Individuum gegen die Mehrheit ausleben zu können, setzt einen extrem starken Charakter voraus. In jeder Gesellschaft gibt es diejenigen, die den Weg aufzeigen und diejenigen, die folgen. Erstere sind immer deutlich in der Minderheit und zweite immer in der überwiegenden Mehrheit. Menschen sind Herdentiere. Und je mehr sich Menschen mit einer Herde identifizieren können, desto wohler und geschützter fühlen sie sich. Wenn man ihnen ihre Herde auf irgendeine Art und Weise wegnimmt, sei es z.B. durch Heterogenisierung der Gesellschaft durch überaus starke Migrationsbewegungen in sehr kurzer Zeit, folgt unweigerlich die Unsicherheit. Was umso stärker ausfällt, wenn die zuwandernden Migranten ihre eigene Gruppenidentität mitbringen und hier weiter ausbauen, was dann unweigerlich zu Konkurrenzdenken führt. Liberale, auf das Individuum fokussierte Politik, funktioniert nur mit stark individuell geprägten Führernaturen. Also mit denjenigen, die in einer Herde üblicherweise den Weg aufzeigen. Und genau dieser Typus Mensch ist auf Erden eben immer die Ausnahme und nicht die Regel.

Wiebke Ruschewski / 18.07.2020

Naja, bei mir haben sich auch schon Leute für (harmlose) Äußerungen entschuldigt, weil sie Sorge hatten, ich könnte es in den falschen Hals bekommen. Ich glaube aber, ich habe mich -vorsichtshalber- auch schon für Dinge entschuldigt, die eigentlich nicht wirklich einer Entschuldigung bedurft hätten. Man weiß einfach nicht, wie empfindlich das Gegenüber ist. Und heute, wo jeder “Rülps und Furz” von manchen bereits als Diskriminierung verstanden wird, ist man ohnehin besser beraten, wenn man lieber vorsichtig ist. Aber immerhin hat der Angetrunkene im Beitrag ja doch m.o.w. ehrlich seine Meinung gesagt. Das zeugt ja doch von einem Minimum an Vertrauen gegenüber dem Autor.

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