Peter Grimm / 30.08.2022 / 06:15 / Foto: Olaf Kosinsky / 77 / Seite ausdrucken

Lieber Gaspreis-Prophet als Wirtschaftsminister?

In Nachrichtenmeldungen vom Montag heißt es, dass Robert Habeck bald mit sinkenden Gaspreisen rechnet. Ein Hoffnungsschimmer? Für einen Gaspreis-Propheten vielleicht. Ein Wirtschaftsminister sollte wohl besser alarmiert sein.

Während Deutschland zittert, wenn auch noch nicht vor Kälte, so doch schon davor, beim Einsetzen der Kälte die Heizung nicht mehr bezahlen zu können, verbreitet der Bundeswirtschaftsminister plötzlich Optimismus. „Habeck rechnet mit sinkenden Gaspreisen“, sind plötzlich Meldungen überschrieben. Wie das? Hat der Minister nicht erst kürzlich ein Verordnungsfeuerwerk losgelassen, das von der Raumtemperatur-Obergrenze über die Zwangsabschaltung verschiedener Außenbeleuchtungen bis hin zum Verbot, Wasser für Swimmingpools zu erwärmen, reichte? Sollte es wirklich bald wieder mehr als genug Gas geben, denn anders könnte es ja nicht zu sinkenden Preisen kommen? Oder möchte der Minister nur beruhigen, damit die Bevölkerung nicht plötzlich anfängt, so kurz vor der Zwangs-Abschaltung den Weiterbetrieb der letzten Atomkraftwerke zu fordern?

Immerhin liefert er ja eine Begründung für seine Prognose. Der Deutschlandfunk beschreibt es so:

„Man sei bei der Befüllung der Speicher besser vorangekommen als erwartet, sagte Habeck bei einer Veranstaltung in Hamburg zur Begründung. Bereits Anfang September werde der eigentlich erst für Oktober vorgeschriebene Wert von 85 Prozent erreicht. Das führe dazu, dass man Gas nicht mehr für jeden Preis einkaufen werde. Dies wiederum werde zur Beruhigung der Märkte beitragen, meinte Habeck.“

Also keine Panik, der sympathische Robert macht das schon, auch wenn’s jetzt bei der Gasumlage nicht ganz optimal gelaufen ist?

Immerhin ist es schon erstaunlich, dass sich die Gasspeicher vorfristig füllen ließen, obwohl doch viel weniger Gas aus Russland fließt. Das kann daran liegen, dass inzwischen schon viel Gas gespart wird. Solche Einsparungen werden aber nicht durch das Abdrehen der Heizung, bzw. mit kalten Duschen oder dem Griff zum Waschlappen erzielt. Es ist die deutsche Industrie, die in Deutschland bereits – so wurde es gemeldet – 20 Prozent Erdgas eingespart hat. Für einen verantwortungsvollen Wirtschaftsminister sollte dies aber kein Grund zum Jubeln sein, sondern zur Besorgnis, denn er müsste eigentlich den Grund für die neue Sparsamkeit kennen. Vor einigen Tagen konnte man es in verschiedenen Nachrichten-Meldungen lesen:

„Die deutsche Industrie hat im Juli rund 20 Prozent weniger Gas verbraucht als im Vorjahresmonat, meldet rnd.de. Das ist aber kein wirklicher Einsparerfolg, sondern laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag vor allem das Resultat von Drosselungen der Produktion infolge der hohen Energiepreise.

‚Der Rückgang des Gasverbrauchs in der Industrie ist teuer erkauft. Er beruht zu einem beachtlichen Teil auf inzwischen besorgniserregenden Entwicklungen in energieintensiven Branchen’, habe der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gesagt. ‚Eine erschreckend hohe Zahl von Betrieben insbesondere in der Industrie sieht sich gezwungen, auf die hohen Energiepreise mit Drosselungen der Produktion oder sogar Stilllegungen zu reagieren. Das zeigen unsere aktuellen Abfragen und Hinweise aus IHK und Unternehmen sehr drastisch’, wird Dercks weiter zitiert.

Fachleute des DIHK hätten den energiepreisbedingte Wertschöpfungsverlust errechnet. ‚Wir gehen davon aus, dass die hohen Gaspreise bereits jetzt zu rund 20 Milliarden Euro Wertschöpfungsverlust allein in der Industrie geführt haben. Dazu kommen dann noch Umsatzverluste bei Dienstleistern und Abnehmern sowie der Kaufkraftverlust bei den privaten Haushalten’, wird Dercks hierzu zitiert. Viele Unternehmen könnten dauerhaft verschwinden.“

Zwanzig Milliarden Euro Wertschöpfungsverlust in der deutschen Industrie, und der verantwortliche Minister freut sich auf vielleicht fallende Erdgaspreise? Oder haben die Kollegen das nur nicht richtig berichtet und überhört, mit welcher Entschlossenheit er jetzt die Industrie fördern will, der insbesondere seine Partei bislang möglichst nur Fesseln anlegen wollte?

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Leserpost

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Anna Scheufele / 30.08.2022

Wir schaffen das !!!! Wir sind sooo ein reiches Land und verteilen mit Annalenchen immer noch die Milliarden in der ganzen Welt.

Thorsten Lehr / 30.08.2022

Unser Bundeskinderbuchautor verhält sich wie ein kleines Kind, dass jede Bestätigung seiner Traumwelt begeistert beklatscht, aber intellektuell nicht in der Lage ist, die Realität zu begreifen. Was für sich genommen nicht bedeutsam ist, die Nervenheilanstalten sind voll von solchen Menschenkindern. Nur sollte man/inn ihnen nicht unbedingt das Wohl und Wehe einer ganzen Nation anvertrauen. Aber die Deutschen wollen es ja so, geliefert wie gewählt. Wer verfassungsrechtlich relevante Delegitimierung von Politikern findet darf sie behalten.

Bernhard Freiling / 30.08.2022

Ich verstehe es einfach nicht. Vielleicht kann mir ein in diesen Dingen Verständigerer, als ich es bin, aufs Pferd helfen. # Da gibt es z.B. den Gas-Großverbraucher BASF. Hat der einen Vertrag mit “der Bundesrepublik” für Gaslieferungen? Oder hat er einen, vorzugsweise mit niedrigen Preisen langlaufenden mit,  z.B. Wintershall, einem der größten Gashändler und Förderer Deutschlands? Hat Wintershall wiederum fristenkongruente Verträge mit seinen Lieferanten, auch in Russland,  um seinen Vertrag mit BASF erfüllen zu können? Was hat BASF oder Wintershall mit “der Verteidigung europäischer Werte” in der Ukraine zu schaffen? Die haben Verträge zu erfüllen. Und damit m.E. Basta! # Wenn “die Bundesrepublik”, aus welchem Grund auch immer, Wintershall (oder Uniper, oder sonstwen) an der Erfüllung von geschlossenen Verträgen - mit vertraglich vereinbarten Mengen, Preisen und Fristen -  hindert und diese mittels einer Gasumlage angeblich vor “der Insolvenz rettet”, ist das dann nicht eine weitere typische Orwellsche Verdrehung von Begrifflichkeiten? Hier wird m.E. Niemand gerettet. Hier wird ganz einfach mit “unserem Geld” Schadenersatz geleistet. Der Schadenersatz, zu dessen Zahlung der Störer eines Vertragsverhältnisses verpflichtet ist und der von jedem Gericht, wenn Klage erhoben wird, dazu verurteilt werden kann. # Um ehrlich zu sein: Von “der Politik” fühle ich mich ein weiteres Mal belogen. Trotzdem und kann ja sein: Bin ich zu blauäugig? Habe ich einen “Gedanken-Tunnelblick”? Wenn ja, würde mir freundlicher Weise Jemand weiter helfen?

Dr. Joachim Lucas / 30.08.2022

Da ist noch Potential. Wir müssen auf 100% Einsparung kommen. Es lebe Morgenthau! Da hat der Märchenrobert, die Strafe Deutschlands, Recht. Dann wird es für die anderen billiger

Heiko Stadler / 30.08.2022

Die Lage ist nicht ernst, sondern hoffnungslos. Die deutsche Industrie ist nicht mehr konkurrenzfähig. Sie ist ungefähr um den Faktor 8 zu teuer. Es liegt nicht nur an den hohen Energiepreisen, sondern auch am bürokratischen Schwachsinn aus Berlin und Brüssel. Ein Beispiel: Eine Wärmepumpe von einem deutschen Hersteller kostet etwa 10.000 Euro. Ich habe mir kürzlich eine chinesische Wärmepumpe bei eBay für 1200 Euro gekauft und selbst eingebaut. Die funktioniert einwandfrei. Ein weiteres Problem ist, dass junge Leute nicht mehr für wenig Geld hart arbeiten wollen, sondern lieber als Beamte (Beauftragte für irgend einen Blödsinn) für viel Geld Zeit absitzen wollen. Handwerksbetrieben fehlt deshalb das Personal. Ich habe es in 6 Monaten nicht geschafft, auch nur einen einzigen Handwerksbetrieb zu finden, der mein Haus fertig baut. Die Immobilienbranche ist eingebrochen. Im vorigen Jahr wurde mein Nachbargrundstück verkauft. Jetzt hat der neue Eigentümer kein Geld mehr und versucht es wider zu verkaufen. Niemand will aber bauen, schon gar nicht in der teuersten Nobelgegend. Ich versuche seit 4 Monaten, mein altes Haus in einem großen Ballungsgebiet zu verkaufen. Mit dem Preis bin ich schon um 150.000 Euro runter gegangen. Leider meldet sich niemand.

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