Volker Seitz / 22.11.2023 / 14:00 / Foto: Seitz / 5 / Seite ausdrucken

Lichtblick in Liberia?

Ein friedlicher Machtwechsel nach einer geordneten Wahl ist in Afrika nicht selbstverständlich. Im kleinen westafrikanischen Liberia ist er gelungen: In der Stichwahl setzte sich in dem 5,3-Millionen-Einwohner-Staat mit einem Vorsprung von 20.500 Stimmen knapp der Oppositionskandidat und frühere Vizepräsident Joseph Boakai durch.

Subsahara-Afrika gilt immer noch als Problemfall unter den Weltregionen. Schlagzeilen über Militärputsche (allein seit 2020 kam es in West- und Zentralafrika sowie dem Sudan zu neun gewaltsamen Machtwechseln), Korruption, Wahlfälschungen und Krankheiten bestimmen das mediale Bild. Langzeitdemokratien wie Botswana (über 50 Jahre Frieden) und Mauritius sind keine Schlagzeile wert.

Umso mehr freut es mich, wenn es positive Ereignisse von dem geschundenen Kontinent zu berichten gibt: Der frühere Weltfußballer und amtierende Präsident von Liberia, George Weah, hat Größe gezeigt und verantwortungsvoll seine Wahlniederlage eingestanden. Friedliche Machtwechsel nach einem knappen Wahlausgang wie jetzt in Liberia sind in anderen Ländern wie z.B. Uganda und Kamerun undenkbar. 

In einer Wahl-Autokratie wie Kamerun – ein Land, das ich gut kenne – ist die Bereitschaft, eine Niederlage bei demokratischen Entscheidungen hinzunehmen, nicht weit entwickelt. Der vorzeitige Abtritt des greisen Präsidenten Paul Biya (90 Jahre alt und seit 1982 an der Macht) wird ausgeschlossen. Der letzte Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl 2018, Maurice Kamto (69), wurde wegen „Aufruhr und Beleidigung des Präsidenten“ angeklagt. Nach seiner Inhaftierung wurde er unter Hausarrest gestellt. Biya verteidigt wie auch der Präsident von Uganda, Yoweri Museveni (79 und regiert seit 1986), seine Machtposition mit allen Mitteln.

Der neu gewählte Präsident von Liberia, Joseph Boakai (78) wird sein Amt im Januar 2024 antreten. Er war bereits unter der Vorgängerin von George Weah, Ellen Johnson Sirleaf, 12 Jahre lang Vizepräsident und kandidierte 2017 erstmals gegen Weah.

In einem BBC-Interview kündigte Boakai einen kompromisslosen Kampf gegen die Korruption an. Das sagt zwar jeder Politiker in Afrika, aber Boakai gilt in seinem Land als integer. Auch wolle er in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit sicherstellen, dass kein Auto mehr im Schlamm steckenbleibe. (Große Teile des Straßennetzes in Liberia sind in einem desolaten Zustand). Die landwirtschaftliche Produktion müsse erhöht werden und die Lebensmittelpreise müssten sinken. (Aus früheren Tätigkeiten gilt er als Agrarexperte.) Es wäre dem Land und seiner Bevölkerung zu wünschen, dass es einen Neuanfang bekommt. 

„Schaun mer mal, dann sehn mer scho.“ 

 

Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“ dtv, 11. Auflage 2021

Foto: Seitz

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Leserpost

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Wolfgang Kolb / 22.11.2023

Lieber Herr Seitz, Eine Wahl mit hoffentlich Signalwirkung fuer einen ganzen Kontinent. Vielen Dank fuer den Artikel!

Thomas Szabó / 22.11.2023

“Afrika wird armregiert” von Volker Seitz fällt für viele in die merkelsche Schublade “nicht hilfreich”. Wie kommt ein alter weißen Mann dazu Afrika Ratschläge zu erteilen?!——- Zeitgenössischer Antirassismus: Ein schwarzer Mann will bei rot über die Straße gehen. Ein weißer Mann will ihn aufhalten. Ein Antirassist mischt sich ein: “Sie weißer Mann wollen den schwarzen Mann belehren? Sie Rassist!” Der schwarze Mann geht bei rot über die Straße und wird überfahren. Der Antirassist schaut diskret weg und rühmt sich den weißen Mann für seine “White Supremacy” gerügt zu haben. Er stolziert zum Krankenwagen und schüttelt enthusiastisch die gebrochene Hand des schwarzen Mannes: “Black Lives Matter Bruder!”

Thomas Szabó / 22.11.2023

Buchempfehlung: Weder arm noch ohnmächtig / eine Streitschrift gegen schwarze Eliten und weiße Helfer. von Axelle Kabou. Das Buch erschien 1991 ist aber im Kern immer noch aktuell. Die damals schon von der Autorin beschriebenen Probleme haben sich seitdem potenziert. Das aktuelle Buch von Herrn Seitz knüpft an die Botschaft von Frau Kabou an. Frau Kabou ist Afrikanerin (Kamerun) und beschreibt die afrikanische Mentalität aus erster Hand und nimmt sich dabei kein Blatt vor dem Mund. Sie beschreibt auch den innerafrikanischen Sklavenhandel im Kapitel über “infantile Betrachtungsweisen”. Unsere schwarzen & weißen Berufsneger wären entsetzt, wenn man ihnen das vorlesen würde. Sie muten es den Afrikanern generell nicht zu, mit ihren eigenen Fehlern konfrontiert zu werden, sie lassen die Afrikaner lieber weiter in die Messer ihrer eigenen Fehler laufen.

Jörg Themlitz / 22.11.2023

“Es wäre dem Land und seiner Bevölkerung zu wünschen,...” Diesen Wünschen schließe ich mich an. Damit diese Wünsche in Erfüllung gehen, müsste eine vollständige Aussöhnung zwischen den Nachkommen der ehemaligen schwarzen Sklavenhalter, Afroamerikaner Repatriierung nach Liberia, und den Einheimischen die durch Afroamerikaner versklavt wurden, erfolgen. Schwer vorstellbar. Leider kommt immer wieder die sozialistische Idee dazwischen. Jemand der etwas mehr hat, kann sich das nur von jemand anderem angeeignet haben. Was passt da besser als der Vorwurf der Sklaverei? Das funktioniert sogar noch nach 150 Jahren. Allerdings nur bei schwarzen Sklaven, weiße Sklaven zählen nicht.

jan blank / 22.11.2023

Autos bleiben im Schlamm stecken und Lebensmittelpreise müssen sinken… nanu? Ist die Ampel auch in Liberia aktiv?

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