Mainstream-Journalisten fürchten, dass ihre Jobs durch KI entbehrlich werden. Zu Recht. Die herrschende Meinungseinfalt können auch Maschinen bewerkstelligen. Doch ein paar Journos werden an Medienbord bleiben. Lesen Sie, welche.
Anfang Februar enthüllte die Abteilung „Factchecking“ der Nachrichtenagentur dpa einen unglaublichen Fall von Neuigkeitenfälschung. So gewitzt eingefädelt, dass selbst erfahrene Wahrheitsexperten ihn anfangs nicht entdeckten. So ausgekocht inszeniert, dass erst recht Teile der Medienkonsumenten darauf hereinfielen.
Was war passiert?
Im Internet kursierte ein TikTok-Video, das scheinbar einen kurzen Ausschnitt einer Talkshow mit Markus Lanz und der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang zeigte. Letztere gibt darin auf die Lanz-Frage „Was wäre denn, wenn die Bauern uns jetzt keine Kartoffeln mehr liefern würden?“ zur Antwort: „Das wäre mir, ehrlich gesagt, egal, da ich eh nur Pommes esse.“
Das alsbald so genannte Pommes-Gate machte Furore. Auch und gerade bei denen, die von jeher Lug und Trug in Medien anprangern. Nicht in den guten, alten, wahren Medien, versteht sich, denen nur Schwurbler nicht vertrauen. Sondern in den asozialen, „alternativen“ Medien. Diese, so steht es in jedem Wahrheitsmedium unvermeidlich wie das Adjektiv „menschgemacht“ vor dem Wort „Klimawandel“, seien oft „populistisch“ oder gar „verschwörungstheoretisch“ drauf. Weshalb man einen großen Bogen um sie machen solle.
Zwei Teufelswerkzeuge gemeinsam am Werk
Wie gesagt, handelte es sich beim Pommes-Gate um eine raffinierte Fälschung. Raffiniert nicht deshalb, weil sie technisch perfekt gemacht worden wäre – tatsächlich war unschwer zu erkennen, dass die Protagonisten nicht lippensynchron sprachen –, sondern weil sie inhaltlich vollkommen plausibel schien. Hier stellte jemand gebündelte Doofheit aus, dem man dieselbe bedenkenlos abkaufen konnte.
Dass eine Frau, die in einer (ungefakten) Lanz-Sendung nicht näherungsweise richtig schätzen konnte, wie hoch die Durchschnittsrente der Deutschen ist; eine Frau, die den Großteil der in Deutschland Asyl Suchenden für Ukrainer hielt (im Deutschlandfunk) und anderen Menschen offenkundig ernstgemeinte Tipps für gesunde Ernährung übermittelt (auf einer Parteipressekonferenz), dass einer derart törichten Person womöglich nicht klar sein könnte, dass Fritten aus Kartoffeln gemacht werden – klingt das etwa abwegig?
Indes, für die meisten Medien war dieser Punkt mitnichten das Problem. Deren Punkt war, dass hier zwei Teufelswerkzeuge gemeinsam am Werk gewesen wären. Nämlich Fake News im Bündnis mit Künstlicher Intelligenz (KI), mittels derer das Video verfertigt worden sei. Fake News geistert seit einigen Jahren als Kampfbegriff vornehmlich linker (also der meisten) Journalisten durch die veröffentlichte Meinungseinfalt. Kurz gesagt, handelt es sich um die Vorstellung, dass alles, was nicht von Regierungsfunkanstalten und privaten Mainstreamredaktionen verbreitet wird, unter dringendem Fälschungsverdacht steht, weil es Hass & Hetze… na, Sie wissen schon.
Eine Medienlandschaft, inhaltlich so vielfältig wie ein Maisfeld
Und KI? Das Thema ist der neue heiße Debattenscheiß, auch unter Journalisten. Letztere treibt die Angst um, dass auch jene Jobs, die noch nicht den zahlreichen Massakern im Medienbereich zum Opfer gefallen sind, großenteils bald flötengehen könnten. Denn viele Anschaffende ahnen: Was wir dem Publikum liefern, schreiben, aufsagen, ist inhaltlich so vielfältig wie ein Maisfeld. Die immergleichen Themen mit den immergleichen Frames, mariniert in einer gleichschmeckenden Meinungstunke. So ein Zeug virtuell herzustellen, kann nicht besonders schwierig sein.
Test? Einfach Begriffe wie Schere zwischen arm und reich, Energiewende, Klimakollaps, AfD, Hetzjagden, Impfgegner, Trump, Orbán oder Le Pen in einen Rechner geben und KI anschmeißen. Nach ungefähr zehn Sekunden, wette ich, kämen lesbare, gut redigierte, orthografisch korrekte Stücke auf den Bildschirm. In denen würden Christoph Butterwegge, Claus Leggewie, Claudia Kemfert, Sven Plöger, Georg Restle oder Robert Habeck vollkommen korrekt zitiert, andere Betrachtungsweisen beherzt ausgeblendet. Wenn Künstliche Intelligenz gegen natürliche Blödheit antritt, ist KI klar im Vorteil. In allen Gazetten, auf allen Portalen Apokalypse und Naziterror, dazu braucht’s keine Schreibkräfte aus Fleisch und Blut. Das kann die KI billiger.
Mag ja sein, dass das Internet mit seinen Algorithmen der Blähung bestimmter Blasen förderlich ist. Aber die größte, wirkungsmächtigste Politbubble sind immer noch die etablierten Meinungsvervielfältigungsapparate. Der Rummel um eine angebliche Wannseekonferenz 2.0 zeigte das kürzlich in schönster Verdichtung. Hunderttausende von Menschen mit hysterischem Gebölk auf die Straßen zu treiben, das schaffen nur ARD, ZDF, Spiegel, Zeit, SZ und Gesinnungsgenossen.
Sich gleich den Mächtigen als Watchdogs anbieten
Schon jetzt sprudelt der Löwenanteil des Mediengedöns, das sich über die Empfänger ergießt, aus wenigen Quellen. Neben den Öffis sind das hauptsächlich die dpa, die Funke-Mediengruppe oder das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie beliefern hunderte von Print- und Onlinemedien, drücken ihre Berichte und Kommentare bis ins hinterletzte Käseblatt. Die Presse im Kaiserreich, so kann man es in Christopher Clarks Wilhelm II-Biografie nachlesen, war dagegen bunt, ab 1890 sogar der reinste Regenbogen.
Zwar, für Majestätsbeleidigung gingen Redakteure damals schon mal kurzzeitig in den Knast (so entstand die Stelle des „Sitzredakteurs“). Wer heute Majestäten beleidigt, wird als Staatsdelegitimierer unter Beobachtung gestellt. Was aber den Journos wurscht sein kann.
Sie, vertreten durch den allzeit staatslegitimierenden Deutschen Journalisten-Verband, kommen gar erst nicht in Versuchung, gegen den Stachel zu löcken. Sie dienen sich gleich den Mächtigen als Watchdogs an. Wegen „der wachsenden Gefährdung der Demokratie und der Zunahme von Desinformation“, so der DJV-Vorsitzende, sei „eher mehr als weniger Journalismus nötig.“ Wachsende Gefährdung der Demokratie. Der Funktionär hat das tatsächlich so gesagt, hier der Beleg.
Go woke, go broke
Es geht, versteht sich, weder um Demokratie noch um Desinformation, sondern schlicht um schrumpfende Futterplätze. Immer öfter kegeln Verlage Teile ihrer Belegschaft. Im Staatsfunk aber hocken, prima bezahlt und unkündbar, die Leute bis zur Rente auf ihren Planstellen. Da kommt so gut wie keiner mehr unter. Selbst in den Öffis wird jetzt gelegentlich gespart; der MDR will fast 300 Jobs streichen.
Und die Hamburger Morgenpost, weiland ein auflagenstarkes Sozenboulevardblatt, stellte just ihre gedruckte, zuletzt jämmerlich verkaufte Zeitung bis auf die Samstagausgabe ein. Das Ende der „dümmsten Zeitung der westlichen Welt“, wie sie Hamburgs Karl Kraus-Imitator Hermann Gremliza bespöttelte, wurde nicht mal von allen Lesern beweint. Manche zeigten sich am letzten Erscheinungstag der MoPo erleichtert darob, dass das Elend ein Ende hatte: „Heute ist ein schöner Tag für Hamburg!“
Auch aus dem Medienjournalismus – da wirken Journalisten, die über Medien berichten, eine sich penetrant progressiv gerierende Blase – ist die Luft raus. Drei unabhängige Dienste wurden von einem Fachverlag übernommen, was früher oder später die üblichen Personalentscheidungen zeitigen dürfte. Go woke, go broke. Ach, ein Journo sollte seinem Kredithai lieber nicht stecken, auf welchem Feld er ackert.
Hübscher Gruselkomikfaktor: das „Truthmeter“
Dabei steht der Siegeszug der KI im Journalismus erst am Anfang. Bisher werden nur Börsen-, Wetter-, Verkehrs- und Sportberichte manchmal automatisiert erstellt. Recherchen werden gelegentlich durch KI unterstützt, Produktionsabläufe schneller gemacht, große Datenmengen aufbereitet oder, wie es im Jargon der Wahrheitsministeriellen so schön heißt, „Fakten verifiziert“.
Einen hübschen Gruselkomikfaktor bietet das von der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelte „Truthmeter“. Es soll Journalisten dabei helfen, „die Glaubwürdigkeit von Quellen einzuschätzen“, heißt es in einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Studie. Wer dabei gut abschneidet und wer nicht, kann man sich vor dem Hintergrund des Auftragsgebers ausmalen. Winston Smith lebt. Man hat ihm ein Update verpasst.
Wie geht es weiter? Anzunehmen, dass Verlage oder Sender erst mal sondieren, wie gut mittels KI erstellte Stücke bei den Nutzern ankommen. Dazu braucht es nur ein paar Schlagworte oder kurze Phrasen, mit denen ein vorgegebenes Thema gefüttert wird. Etwa „Gewaltspirale“ für einen Israel-Kommentar. Die KI schaut in den Archiven nach, wo der Begriff besonders oft aufscheint. Heraus käme ein leicht aktualisiertes Stück, das in seinen Hauptpunkten genauso oder ganz ähnlich bereits dutzendfach im Spiegel oder in der SZ gelaufen ist, also auf „glaubwürdigen Quellen“ fußt.
Kein Unterschied zwischen künstlichen und menschengemachten Inhalten?
Das Buzzword „Armutsbetroffene“ eingeben, und – schwupps – hat man einen Artikel, der im Wesentlichen auf Fakten von Ulrich Schneider basiert, dem total vertrauenswürdigen Chef des Paritätischen Gesamtverbands. „CO2-Vermeidung“? Kaum jemand kennt sich hier besser aus als Dr. Nina Scheer, Bundestagsabgeordnete der SPD, Umwelt- und Energiepolitikerin, Tochter des „Solarpapstes“ Hermann Scheer. „Migration“ – wo könnte die KI zu diesem Thema besser fündig werden als in den medialen Einlassungen renommierter Sozialforscher? Etwa Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung.
Sollte sich herausstellen, dass die Endverbraucher keinen Unterschied zwischen künstlichen und menschengemachten Inhalten wahrnehmen, an Allgemeinplätzen, ranzigem Gedankengut und ausgelutschten Formulierungen keinerlei Anstoß nehmen und sie das laute Geratter der Bartwickelmaschine nicht stört, weil sie Ansprüche an guten Journalismus entweder nie hegten oder angesichts der real existierenden Medienwelt resigniert aufgegeben haben – dann allerdings schlüge die Sternstunde der Verleger. Sie wären in der Lage, sich vom größten Teil ihrer Schreibknechte zu emanzipieren. Diese müssten dann anderenorts Beschäftigung suchen, zum Beispiel im Parkraummanagement.
Halt, fast vergessen: Eine Gruppe wird zumindest mittelfristig an Bord bleiben dürfen. Das sind die Werktätigen in den Schrottsammelstellen Quatsch & Klick, ein im Onlinezeitalter exponentiell gewachsenes Segment. Lebenshilfesurrogate wie auf t-online („Wie man Katzenstreusäcke richtig öffnet“), so etwas können nur echte Menschen hervorbringen. Künstliche Intelligenz ist zu derlei Beknacktheiten einfach nicht fähig.
Wolfgang Röhl, geboren 1947 in Stade, studierte Literatur, Romanistik und Anglistik. Ab 1968 Journalist für unterschiedliche Publikationen, unter anderem 30 Jahre Redakteur und Reporter beim „Stern”. Intensive Reisetätigkeit mit Schwerpunkt Südostasien und Lateinamerika. Autor mehrerer Krimis.