Von Roger Pielke Jr.
Am Donnerstag beginnt in Dubai die nächste Klimakonferenz – und damit zugleich ein Festival für Katastrophen-Medien und Weltuntergangs-Propheten. Der Autor präsentiert die neuesten Fakten – um die Propaganda ein wenig abzukühlen.
In dieser Woche beginnt in Dubai die 28. Konferenz der Vertragsparteien (COP28) der UN-Klimarahmenkonvention. Dort wird man behaupten, dass die bisherigen Klima-Maßnahmen großen Einfluss auf die Energiewende nähmen. Die Daten sagen etwas anderes.
In dieser Woche beginnt in Dubai, Teil der Vereinigten Arabischen Emirate, die 28. Konferenz der Vertragsparteien (COP28) der UN-Klimarahmenkonvention. Die Konferenz wird von einem Ansturm von Klimanachrichten, -informationen, -berichten, -propaganda, -fehlinformationen, -marketing, -spins, -wissenschaft und wissenschaftsähnlichen Informationen begleitet. Heute möchte ich Ihnen einige relevante Meldungen vorstellen, die Sie mit Sicherheit nirgendwo anders finden werden.
„Die globale Klimapolitik hat nicht viel zur Energiewende beigetragen“ – Das ist die Schlussfolgerung eines brillanten neuen Papiers, das in dieser Woche von Masahiro Suzuki, Jessica Jewell und Aleh Cherp veröffentlicht wurde, mit dem Titel „Hat die Klimapolitik die Energiewende beschleunigt? Historische Entwicklung des Strommixes in den G7-Staaten und der EU im Vergleich zu Netto-Null-Zielen.“
Das steht im Bericht:
„Es wird oft angenommen, dass klimapolitische Maßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die Art und Geschwindigkeit von Energiewenden haben. Um diese Hypothese zu untersuchen, entwickeln wir einen Ansatz zur Kategorisierung, Verfolgung und zum Vergleich von Energiewandel über Länder und Zeiträume hinweg. Wir wenden diesen Ansatz an, um die Energiewende in den G7-Staaten und in der EU zwischen 1960 und 2022 zu analysieren, wobei wir insbesondere untersuchen, ob und wie die Klimapolitik die Energiewende über historische Trends hinaus verändert hat. Außerdem führen wir eine Machbarkeitsanalyse des erforderlichen Wandels in diesen Ländern bis 2035 durch, um den globalen Temperaturanstieg unter 1,5°C zu halten.
Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Klimapolitik bisher nur begrenzte Auswirkungen hatte: Sie hat zwar die Auswahl der eingesetzten Technologien und die Art der Umstellung beeinflusst, aber weder das Wachstum kohlenstoffarmer Technologien noch den Rückgang fossiler Brennstoffe beschleunigt. Stattdessen korrelierte die Umstellung der Stromerzeugung in den G7-Staaten und der EU in den letzten sechs Jahrzehnten stark mit der Entwicklung der Stromnachfrage. Im Gegensatz dazu erfordert die Erreichung des 1,5°C-Ziels bis 2035 eine beispiellose angebotsorientierte Umstellung, bei der alle G7-Länder und die EU die kohlenstoffarme Elektrizität fünfmal schneller ausbauen und die fossilen Brennstoffe im Vergleich zu den Raten in den Jahren 2015 bis 2020 im Durchschnitt zweimal schneller reduzieren müssen. Dies unterstreicht die Unzulänglichkeit inkrementeller Veränderungen und die Notwendigkeit radikal verstärkter Anstrengungen, um das Klimaziel zu erreichen.“
Ihre Analyse deckt sich mit meiner wesentlich einfacheren Einschätzung vom vergangenen Juni, in der ich zu dem Schluss kam, dass die Energiewende noch nicht begonnen hat, wie diese Abbildung zeigt. Die oben zitierte Analyse von Suzuki et al. ist wichtig, weil sie die Frage nach den Auswirkungen der globalen Klimapolitik auf fossile Brennstoffe und Kohlendioxidemissionen in den G7-Staaten und der EU einer strengen Analyse unterzieht. Für die Teilnehmer und Befürworter der COP28 wird es in dieser Woche starke Anreize geben, zu behaupten, dass das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) und insbesondere das Pariser Abkommen bereits zu großen Veränderungen bei der globalen Energiewende geführt haben. Aber man sollte sich lieber auf die Daten und nicht auf die Einordnung konzentrieren, und dank Suzuki et al. haben wir die Daten.
Gute Nachrichten nicht willkommen
„Überschwemmungen sind weniger tödlich geworden“ – Zu diesem Schluss kommt eine neue Preprint-Analyse der globalen Hochwasserfolgen von 1975 bis 2022 (also eine Vorab-Publikation, die noch keinem Peer-Review unterzogen worden ist, Anm. d. Red.). Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtzahl der Todesopfer und der betroffenen Menschen trotz der Verdoppelung der Weltbevölkerung von 4 auf 8 Milliarden kaum verändert hat und die Zahl der Todesopfer und der Betroffenen pro Ereignis zurückgegangen ist. Das ist eine großartige Nachricht!
Versuchen Sie gar nicht erst, in diesen Trends ein Klimasignal zu erkennen – denn nur mit Klima- und Wetterdaten kann man Wetter- und Klimatrends nachgehen. Was wir jedoch mit einiger Sicherheit sagen können – und diese Studie bestätigt viele andere Untersuchungen –, ist, dass die Welt ihre Anpassungsfähigkeit in Bezug auf extreme Wetterbedingungen dramatisch verbessert hat.
Gute Nachrichten sind in diesem Bereich nicht willkommen, das ist mir klar. Aber die Evidenz zeigt deutlich, dass der menschliche und wirtschaftliche Einfluss auf extreme Wetter- und Klimaereignisse nicht schlimmer wird, trotz der allgegenwärtigen Unkenrufe.
Unterschiedliche Definitionen des Klimawandels
Das Konzept von „Loss and Damage“ im Rahmen der UNFCCC-Architektur soll einen Mechanismus für spezifische Entschädigungen bieten, die von reichen Ländern mit hohen historischen Emissionen an arme Länder gezahlt werden, die von Wetter- und Klimakatastrophen betroffen waren. Die Grundlage für eine solche Entschädigung ist, dass die reichen Länder den „Verlust und Schaden“ verursacht haben und daher verpflichtet sind, diejenigen zu entschädigen, die sie geschädigt haben – so einfach ist das.
Diese Kommentare aus Nature Climate Change (hier und hier) verdeutlichen die tiefe Kluft zwischen den Fachleuten in Bezug auf die Aussagekraft der sogenannten Zuordnungsforschung, die speziell entwickelt wurden, um die Verantwortung für Extremereignisse den Kohlendioxidemissionen und in einigen Fällen bestimmten Emittenten zuzuschreiben. Meine Meinung zu diesen Methoden können Sie hier im Detail nachlesen.
Das Konzept von „Verlust und Schaden“ ist ein vorhersehbares Ergebnis der Umdeutung des Begriffs „Klimawandel“ im Rahmen des UNFCCC. Unglaublich und verblüffend ist, dass das UNFCCC und der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) jeweils mit unterschiedlichen Definitionen des Klimawandels arbeiten. Ich weiß das schon seit Jahrzehnten und bin immer wieder erstaunt über diese Inkonsistenz, die Probleme für Wissenschaft und Politik schafft.
Der IPCC versteht unter „Klimawandel“ jede langfristige Veränderung in den Wetter- oder Klimastatistiken. Das UNFCCC definiert „Klimawandel“ nur in Bezug auf die Veränderungen, die auf Treibhausgasemissionen zurückzuführen sind. Diese unterschiedlichen Definitionen haben den Boden für bürokratische Komplikationen und wissenschaftliche Unmöglichkeiten bereitet.
Klimakolonialismus durch wissenschaftlichen Autoritarismus
Noch schwieriger ist, dass eine Umwandlung von Anpassungs- und Katastrophenschutzmaßnahmen in Modellierungsübungen für die Zuordnung von „Schäden und Verlusten“ stattgefunden hat. Das lenkt den Schwerpunkt von den von Wetter- und Klimaauswirkungen Betroffenen auf Universitäten und Forschungsinstitute in den reichen Ländern. Das ist Klimakolonialismus durch wissenschaftlichen Autoritarismus, und das stinkt. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Diese Grafik stammt von Javier Blas vom Medienunternehmen Bloomberg und zeigt, dass zur diesjährigen 28. UN-Klimarahmenkonvention 70.000 Teilnehmer erwartet werden, mehr als doppelt so viele wie zur vergangenen Konferenz. Das Klima ist jetzt eine richtige Industrie, mit der man Vermögen und Karriere machen und vielleicht auch wieder verlieren kann. Das ist an sich nicht unbedingt gut oder schlecht – Gesundheit, Verteidigung, Finanzen und so weiter sind ebenfalls Industrien. Das bringt die Tatsache, dass es sich dabei um ein wichtiges politisches Thema handelt, einfach mit sich.
Mit dem industriellen Klimakomplex gehen massive Interessen einher, die von finanziellen über berufliche bis hin zu politischen Interessen reichen. Das macht es schwierig, Fakten von Fake, Wissenschaft von Framing zu unterscheiden. Die moralische Überfrachtung des Klimas – fossile Brennstoffe und Kernkraft sind schlecht, während Sonnen- und Windenergie tugendhaft sind – bedeutet, dass für verschiedene Experten unterschiedliche Standards für gängige Praktiken wie die Offenlegung von Interessenskonflikten gelten. Das macht es noch schwieriger, zuverlässige Informationen zu erhalten.
Das UNFCCC-Verfahren ist trotz seiner architektonischen Mängel und seines Wanderzirkus' dennoch wichtig, und die Beschaffenheit des Pariser Abkommens, die eine globale Bestandsaufnahme der Fortschritte bei der Erfüllung der Verpflichtungen vorsieht, kann ein wichtiger Faktor für die Rechenschaftspflicht und den Fortschritt sein. Aber genau wie bei anderen industriellen Komplexen kann der industrielle Klimakomplex Fortschritte erleichtern oder behindern. Es liegt an uns allen, die Rechenschaftspflicht gegenüber den Normen der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten und die Standards der wissenschaftlichen Integrität zu wahren, selbst bei der Verfolgung einer edlen Sache.
Roger A. Pielke Jr. ist Professor im Environmental Studies Program und Fellow des Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences in Boulder, Colorado. Den englischen Originaltext mit zusätzlichen Abbildungen finden Sie hier.