Gastautor / 29.11.2023 / 06:15 / Foto: Pixabay / 42 / Seite ausdrucken

Klimafestspiele in Dubai – was Sie wissen müssen

Von Roger Pielke Jr.

Am Donnerstag beginnt in Dubai die nächste Klimakonferenz – und damit zugleich ein Festival für Katastrophen-Medien und Weltuntergangs-Propheten. Der Autor präsentiert die neuesten Fakten – um die Propaganda ein wenig abzukühlen.

In dieser Woche beginnt in Dubai die 28. Konferenz der Vertragsparteien (COP28) der UN-Klimarahmenkonvention. Dort wird man behaupten, dass die bisherigen Klima-Maßnahmen großen Einfluss auf die Energiewende nähmen. Die Daten sagen etwas anderes.

In dieser Woche beginnt in Dubai, Teil der Vereinigten Arabischen Emirate, die 28. Konferenz der Vertragsparteien (COP28) der UN-Klimarahmenkonvention. Die Konferenz wird von einem Ansturm von Klimanachrichten, -informationen, -berichten, -propaganda, -fehlinformationen, -marketing, -spins, -wissenschaft und wissenschaftsähnlichen Informationen begleitet. Heute möchte ich Ihnen einige relevante Meldungen vorstellen, die Sie mit Sicherheit nirgendwo anders finden werden.

„Die globale Klimapolitik hat nicht viel zur Energiewende beigetragen“ – Das ist die Schlussfolgerung eines brillanten neuen Papiers, das in dieser Woche von Masahiro Suzuki, Jessica Jewell und Aleh Cherp veröffentlicht wurde, mit dem Titel „Hat die Klimapolitik die Energiewende beschleunigt? Historische Entwicklung des Strommixes in den G7-Staaten und der EU im Vergleich zu Netto-Null-Zielen.“

Das steht im Bericht:

„Es wird oft angenommen, dass klimapolitische Maßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die Art und Geschwindigkeit von Energiewenden haben. Um diese Hypothese zu untersuchen, entwickeln wir einen Ansatz zur Kategorisierung, Verfolgung und zum Vergleich von Energiewandel über Länder und Zeiträume hinweg. Wir wenden diesen Ansatz an, um die Energiewende in den G7-Staaten und in der EU zwischen 1960 und 2022 zu analysieren, wobei wir insbesondere untersuchen, ob und wie die Klimapolitik die Energiewende über historische Trends hinaus verändert hat. Außerdem führen wir eine Machbarkeitsanalyse des erforderlichen Wandels in diesen Ländern bis 2035 durch, um den globalen Temperaturanstieg unter 1,5°C zu halten.

Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Klimapolitik bisher nur begrenzte Auswirkungen hatte: Sie hat zwar die Auswahl der eingesetzten Technologien und die Art der Umstellung beeinflusst, aber weder das Wachstum kohlenstoffarmer Technologien noch den Rückgang fossiler Brennstoffe beschleunigt. Stattdessen korrelierte die Umstellung der Stromerzeugung in den G7-Staaten und der EU in den letzten sechs Jahrzehnten stark mit der Entwicklung der Stromnachfrage. Im Gegensatz dazu erfordert die Erreichung des 1,5°C-Ziels bis 2035 eine beispiellose angebotsorientierte Umstellung, bei der alle G7-Länder und die EU die kohlenstoffarme Elektrizität fünfmal schneller ausbauen und die fossilen Brennstoffe im Vergleich zu den Raten in den Jahren 2015 bis 2020 im Durchschnitt zweimal schneller reduzieren müssen. Dies unterstreicht die Unzulänglichkeit inkrementeller Veränderungen und die Notwendigkeit radikal verstärkter Anstrengungen, um das Klimaziel zu erreichen.“

Ihre Analyse deckt sich mit meiner wesentlich einfacheren Einschätzung vom vergangenen Juni, in der ich zu dem Schluss kam, dass die Energiewende noch nicht begonnen hat, wie diese Abbildung zeigt. Die oben zitierte Analyse von Suzuki et al. ist wichtig, weil sie die Frage nach den Auswirkungen der globalen Klimapolitik auf fossile Brennstoffe und Kohlendioxidemissionen in den G7-Staaten und der EU einer strengen Analyse unterzieht. Für die Teilnehmer und Befürworter der COP28 wird es in dieser Woche starke Anreize geben, zu behaupten, dass das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) und insbesondere das Pariser Abkommen bereits zu großen Veränderungen bei der globalen Energiewende geführt haben. Aber man sollte sich lieber auf die Daten und nicht auf die Einordnung konzentrieren, und dank Suzuki et al. haben wir die Daten.

Gute Nachrichten nicht willkommen

„Überschwemmungen sind weniger tödlich geworden“ – Zu diesem Schluss kommt eine neue Preprint-Analyse der globalen Hochwasserfolgen von 1975 bis 2022 (also eine Vorab-Publikation, die noch keinem Peer-Review unterzogen worden ist, Anm. d. Red.). Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtzahl der Todesopfer und der betroffenen Menschen trotz der Verdoppelung der Weltbevölkerung von 4 auf 8 Milliarden kaum verändert hat und die Zahl der Todesopfer und der Betroffenen pro Ereignis zurückgegangen ist. Das ist eine großartige Nachricht!

Versuchen Sie gar nicht erst, in diesen Trends ein Klimasignal zu erkennen – denn nur mit Klima- und Wetterdaten kann man Wetter- und Klimatrends nachgehen. Was wir jedoch mit einiger Sicherheit sagen können – und diese Studie bestätigt viele andere Untersuchungen –, ist, dass die Welt ihre Anpassungsfähigkeit in Bezug auf extreme Wetterbedingungen dramatisch verbessert hat.

Gute Nachrichten sind in diesem Bereich nicht willkommen, das ist mir klar. Aber die Evidenz zeigt deutlich, dass der menschliche und wirtschaftliche Einfluss auf extreme Wetter- und Klimaereignisse nicht schlimmer wird, trotz der allgegenwärtigen Unkenrufe.

Unterschiedliche Definitionen des Klimawandels

Das Konzept von „Loss and Damage“ im Rahmen der UNFCCC-Architektur soll einen Mechanismus für spezifische Entschädigungen bieten, die von reichen Ländern mit hohen historischen Emissionen an arme Länder gezahlt werden, die von Wetter- und Klimakatastrophen betroffen waren. Die Grundlage für eine solche Entschädigung ist, dass die reichen Länder den „Verlust und Schaden“ verursacht haben und daher verpflichtet sind, diejenigen zu entschädigen, die sie geschädigt haben – so einfach ist das.

Diese Kommentare aus Nature Climate Change (hier und hier) verdeutlichen die tiefe Kluft zwischen den Fachleuten in Bezug auf die Aussagekraft der sogenannten Zuordnungsforschung, die speziell entwickelt wurden, um die Verantwortung für Extremereignisse den Kohlendioxidemissionen und in einigen Fällen bestimmten Emittenten zuzuschreiben. Meine Meinung zu diesen Methoden können Sie hier im Detail nachlesen.

Das Konzept von „Verlust und Schaden“ ist ein vorhersehbares Ergebnis der Umdeutung des Begriffs „Klimawandel“ im Rahmen des UNFCCC. Unglaublich und verblüffend ist, dass das UNFCCC und der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) jeweils mit unterschiedlichen Definitionen des Klimawandels arbeiten. Ich weiß das schon seit Jahrzehnten und bin immer wieder erstaunt über diese Inkonsistenz, die Probleme für Wissenschaft und Politik schafft.

Der IPCC versteht unter „Klimawandel“ jede langfristige Veränderung in den Wetter- oder Klimastatistiken. Das UNFCCC definiert „Klimawandel“ nur in Bezug auf die Veränderungen, die auf Treibhausgasemissionen zurückzuführen sind. Diese unterschiedlichen Definitionen haben den Boden für bürokratische Komplikationen und wissenschaftliche Unmöglichkeiten bereitet.

Klimakolonialismus durch wissenschaftlichen Autoritarismus

Noch schwieriger ist, dass eine Umwandlung von Anpassungs- und Katastrophenschutzmaßnahmen in Modellierungsübungen für die Zuordnung von „Schäden und Verlusten“ stattgefunden hat. Das lenkt den Schwerpunkt von den von Wetter- und Klimaauswirkungen Betroffenen auf Universitäten und Forschungsinstitute in den reichen Ländern. Das ist Klimakolonialismus durch wissenschaftlichen Autoritarismus, und das stinkt. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Diese Grafik stammt von Javier Blas vom Medienunternehmen Bloomberg und zeigt, dass zur diesjährigen 28. UN-Klimarahmenkonvention 70.000 Teilnehmer erwartet werden, mehr als doppelt so viele wie zur vergangenen Konferenz. Das Klima ist jetzt eine richtige Industrie, mit der man Vermögen und Karriere machen und vielleicht auch wieder verlieren kann. Das ist an sich nicht unbedingt gut oder schlecht – Gesundheit, Verteidigung, Finanzen und so weiter sind ebenfalls Industrien. Das bringt die Tatsache, dass es sich dabei um ein wichtiges politisches Thema handelt, einfach mit sich.

Mit dem industriellen Klimakomplex gehen massive Interessen einher, die von finanziellen über berufliche bis hin zu politischen Interessen reichen. Das macht es schwierig, Fakten von Fake, Wissenschaft von Framing zu unterscheiden. Die moralische Überfrachtung des Klimas – fossile Brennstoffe und Kernkraft sind schlecht, während Sonnen- und Windenergie tugendhaft sind – bedeutet, dass für verschiedene Experten unterschiedliche Standards für gängige Praktiken wie die Offenlegung von Interessenskonflikten gelten. Das macht es noch schwieriger, zuverlässige Informationen zu erhalten.

Das UNFCCC-Verfahren ist trotz seiner architektonischen Mängel und seines Wanderzirkus' dennoch wichtig, und die Beschaffenheit des Pariser Abkommens, die eine globale Bestandsaufnahme der Fortschritte bei der Erfüllung der Verpflichtungen vorsieht, kann ein wichtiger Faktor für die Rechenschaftspflicht und den Fortschritt sein. Aber genau wie bei anderen industriellen Komplexen kann der industrielle Klimakomplex Fortschritte erleichtern oder behindern. Es liegt an uns allen, die Rechenschaftspflicht gegenüber den Normen der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten und die Standards der wissenschaftlichen Integrität zu wahren, selbst bei der Verfolgung einer edlen Sache.

 

Roger A. Pielke Jr. ist Professor im Environmental Studies Program und Fellow des Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences in Boulder, Colorado. Den englischen Originaltext mit zusätzlichen Abbildungen finden Sie hier.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Heiko Stadler / 29.11.2023

Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Breitengrad und dem Pro-Kopf-Energieverbrauch. Je Äquatorferner Menschen wohnen, desto höher ist zwangsläufig deren Energiebedarf - zum Heizen, für die Fortbewegung (bei Schnee und Eis kann man nicht kilometerweit mit dem Fahrrad oder Moped fahren) und für den Hausbau. Klimatisch bevorzugt sind somit Afrika, der Nahe Osten, Indien usw. Ginge es um Klimagerechtigkeit, so müssten Länder dieser Regionen Ausgleichszahlungen an die nördlichen Länder (Skandinavien, Deutschland, Polen usw.) zahlen. Zusätzlich schlage ich vor, dass gemäß dem Migrationspakt ein Shuttleservice zur Massenmigration der Menschen aus dem Norden in das große dünn besiedelte und klimatisch begünstigte Afrika eingerichtet wird. Wenn wir pro Jahr 2 Millionen Menschen (vorzugsweise Grüne, die mit Deutschland nichts anfangen können) aus dem ärmsten Land Europas, also Deutschland (niedrigste Eigenheimquote, höchste Abgaben + bevorstehender Staatsbankrott), in Afrika ansiedeln, leben in 25 Jahren nur noch etwa 30 Millionen Menschen in Deutschland. Bei jetzt 30 % regenerativen Energieanteil wären wir dann in 25 Jahren CO2-NEUTRAL.

J. Mueller / 29.11.2023

Es würde ja schon ausreichen, z. B. an 20 Punkten in Deutschland die CO₂-Werte zu messen und mit Werten von vor 3 Jahren zu vergleichen. Das wird aber NICHT gemacht, weil es zeigen würde, dass sich trotz CO₂-Abgabe definitiv nichts geändert hat und nur die finanziellen Belastungen für Bürger und Industrie grösser geworden sind. Ist wie bei Covid: Niemand wollte prüfbare Fakten haben, damit niemand zur Verantwortung gezogen werden kann.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 12.05.2024 / 20:00 / 0

Wer hat’s gesagt? (Auflösung)

Von Klaus Kadir. Unter dem Titel „Wer hat’s gesagt?“ konfrontieren wir Sie am Sonntagmorgen mit einem prägnanten Zitat – und Sie dürfen raten, von wem…/ mehr

Gastautor / 12.05.2024 / 09:00 / 20

Wer hat’s gesagt? “Messerattacken und Sexualdelikte nicht mit Zuwanderung und Migration vermischen”

Von Klaus Kadir. Unter dem Titel „Wer hat’s gesagt?“ konfrontieren wir Sie am Sonntagmorgen mit einem prägnanten Zitat – und Sie dürfen raten, von wem…/ mehr

Gastautor / 09.05.2024 / 14:00 / 3

EU-Wahlplakate: Vom Kintopp zum Politflop

Von Okko tom Brok Immer ungenierter gestalten die Parteistrategen ihre Poster im Stile von Hollywood-Streifen. So auch die für die EU-Wahl. Aber was für Filme laufen…/ mehr

Gastautor / 07.05.2024 / 13:00 / 9

Israels Geisel-Lobby besiegt die Sieger-Lobby

Von Daniel Pipes.  Die Befreiung der letzten noch lebenden Geiseln im Gazastreifen steht Israels Ziel im Wege, die Hamas entscheidend zu schlagen. Zu diesem Dilemma…/ mehr

Gastautor / 30.04.2024 / 06:15 / 30

Warum belohnt Biden Feinde und ignoriert Verbündete?

Von Michael Rubin. Demnächst wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, ein Feind Amerikas und Israels, in Washington empfangen. Joe Biden sollte besser einen Problemlöser…/ mehr

Gastautor / 17.04.2024 / 13:00 / 15

Islamismus: Täter und Wohltäter

Von Sam Westrop. Die globale islamistische Wohltätigkeitsorganisation Islamic Relief arbeitet mit hochrangigen Hamas-Beamten zusammen, darunter der Sohn des Terroristenführers Ismail Haniyeh. Während Mitglieder des Europäischen Parlaments im Januar…/ mehr

Gastautor / 16.04.2024 / 06:00 / 203

Doch, es war alles falsch!

Von Andreas Zimmermann. Wir brauchen eine Aufarbeitung der Corona-Jahre, bei der eben nicht diejenigen das Sagen haben, die die Verantwortung für die Verheerungen dieser Zeit…/ mehr

Gastautor / 13.04.2024 / 15:00 / 6

Aufbau eines menschenwürdigen Gazastreifens (2)

Von Daniel Pipes. In Live-Interviews auf Al Jazeera und in anderen arabischen Medien machen immer mehr Bewohner des Gazastreifens ihrer Abneigung gegen die Hamas Luft.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com