Fabian Nicolay / 28.11.2021 / 16:00 / Foto: Bundesregierung.de / 37 / Seite ausdrucken

Klandestines Handeln als Politikprinzip

Wer erwartet, dass ein autoritärer Staat ausruft: „Ich bin wieder da, verhindert mich“, ist auf das romantisch-westdeutsche Wunschdenken einer zutiefst feigen und naiven Spätgeborenen-Generation hereingefallen.

Man hat uns hingehalten und belogen. Das Versprechen, es werde keine Impfpflicht geben, wurde als ein verfassungsrechtliches formuliert. Nun streicht die Bundesregierung dieses Versprechen stiekum von ihren Veröffentlichungen im Netz, möchte es nach Orwell’scher Manier ungeschehen machen. Das Wahrheitsministerium existiert und schreibt sich seine Geschichte neu. Die Vertrauenswürdigkeit der Politik ist massiv beschädigt, weil sie ein Verfassungsgut betrifft und weil klandestines Handeln immer mehr zum Prinzip dieser Politik geworden ist. Auf Versprechen der Regierung ist ohnehin kein Verlass mehr, es wird gelogen, manipuliert, revidiert und hintertrieben. Ein furchtbares Zeugnis, das man ausstellen muss: So geht Politik, die sich im Herrschaftsgestus verloren hat.

Grundgesetz, Artikel 20 (1): „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. ...“

Wie viele Menschen braucht es dazu – doch nicht alle? Reicht ein Drittel oder ein Viertel, oder muss das Volk zuerst behördlich um Erlaubnis fragen, damit das oben genannte Recht eingefordert werden darf? Wenn zwei Drittel der Bevölkerung dem Unrecht zustimmen, darf dann ein Drittel die Macht anzweifeln oder nicht? Wer gebietet dem Unrecht Einhalt, wenn nur ein Teil der Menschen die „Beseitigung der Ordnung“ erkennt, während die Verfassungsorgane ausgehebelt und stummgeschaltet wurden? Was tun, wenn die Masse zu bequem zum Aufbegehren ist? 

Nach der Impfpflicht andere Pflichten und zusätzliche Zwänge 

Kann es sein, dass der oben genannte Passus eine Fehlzündung ist, weil der Deutsche sich immer erst nach oben zurückversichern muss? Wenn es einer Mehrheit und Legitimation bedarf, um das Unrecht als solches zu bekämpfen, können wir das Ganze vergessen. Es gäbe kein Fanal, das den Totalitarismus verhindern kann. So scheint es heute, als sei „geschichtliche Verantwortung“ unmöglich. 

Deutschland wird das Entstehen eines autoritären Staats nie verhindern können, wenn er erneut mehrheitsfähig ist. Wer erwartet, dass so ein Staat ausruft: „Ich bin wieder da, verhindert mich“, ist auf das romantisch-westdeutsche Wunschdenken einer zutiefst feigen und naiven Spätgeborenen-Generation hereingefallen, die ihre demokratische Herkunft für unbesiegbar hält. Der oben genannte Passus fragt nicht nach Erlaubnis, sondern nach Erkenntnis. Und da kann man nur schwarz sehen. Der neue, deutsche, autoritäre Staat kommt in der Mimikry seiner postmodernen Zwangsläufigkeiten (Corona! Klima!) und schert sich einen Dreck um seine demokratische Herkunft – wie damals '33, als man den „Reichskanzler" noch frei wählte, ganz ohne Putsch.

Wer jetzt schweigt, stimmt zu und bereitet das Feld für eine postdemokratische Unmündigkeit, eine Abkehr von der Aufklärung und eine bewusst betriebene In-Ketten-Legung der Gesellschaft. Nach der Impfpflicht wird es andere Pflichten und zusätzliche Zwänge geben. Nach den Zwängen wird es Entmündigungen geben, lückenlose Überwachung, tägliches Misstrauen, Bespitzelung, Denunziation, Zensur, noch mehr staatliche Lügen, Unfreiheit.

Die Bürger müssen sich wehren. Bürgerlicher, ziviler Ungehorsam. Verweigerung, friedlicher Protest. Streik, Widerrede und Zurechtweisung unserer Staatsbediensteten. Wiederherstellung der demokratischen Ordnung: Das Volk als Herr, die Politik sein Diener. Der Staat als Eigentum der Bürger. Nicht umgekehrt, wie es sich die Politiker so gern erträumen.

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Gudrun Meyer / 28.11.2021

WIE sollen die Bürger das machen? Jede Demo gegen die Aufhebung von Grundrechten wird von einer fast allmächtigen Journaille für rächz, verschwörungsschwurberlerisch und für ein “Super-Spreader-Event” erklärt. Im übrigen können Millionen Menschen sich unmöglich organisieren, ohne dass Polizei und Verfassungs"schutz” dahinterkommen. Die große Mehrheit der Bürger ist außerdem unbewaffnet. Die einzigen, die das grundgesetzliche Recht auf Widerstand umsetzen könnten, sind die Sicherheitskräfte. Gerade sie werden aber besonders streng überwacht. Die Obrigkeit löst Einheiten wie das SEK Frankfurt auf, wenn erste Hinweise auf eine beginnende Aufsässigkeit vorliegen, eine Aufsässigkeit, die noch gar nicht in Stadium eines echten Widerstandes eingetreten ist. Unpopuläre Entscheidungen des Regimes werden außer von seiner Journaille auch von seiner Polit-Industrie, darunter den schlägernden Aktivisten der ganz dolle oppositionellen, widerständigen und steuerfinanzierten Antifa, verteidigt. Bürgermeister werden von der “Seebrücke” dazu genötigt, “ihre” Städte zu “sicheren Häfen” zu erklären - schließlich kann die “Seebrücke” jederzeit ihre SA-ler mobilisieren. Im übrigen hat das Regime schon so viele Zusagen gebrochen, dass die Vergangenheitsveränderung durch die vielen Wahrheitsministerien (“Redaktionen”, “Fakten-Checker” usw. usw.) kaum noch nötig ist. Die einzige anti-totalitäre Partei wird erfolgreich für rechtsextrem erklärt. In mäßigerer Gestalt wiederholt sogar Achgut die gängigen Vorwürfe gegen die AfD, und die wenigen anti-totalitären Politiker innerhalb der Blockparteien, etwa Sahra Wagenknecht und Wolfgang Kubicki, werden hier zu selten verteidigt. Auch Achgut hat kaum Möglichkeiten, sollte aber die wenigen nutzen, statt einseitig auf das, wenngleich reale, Versagen anderer hinzuweisen.

Harald Unger / 28.11.2021

Vom Fall von Mauer & Kalten Krieg, führt eine, nach kurzer Latenzphase, eingeleitete Entwicklung in direkter Linie zum heutigen Polsprung. Dem Untergang der Bürgerlichen Epoche. Wer sich noch an den Beginn der 90er Jahre erinnern kann, weiß, was gemeint ist. Dann, ab Obama I, kam die Umgestaltung des Neoliberalismus, seine Verkleidung in marxistische Sprache & Methodik. - - - Uns ist das alles ein Rätsel, über das wir uns einzig empören können, da wir uns standhaft weigern, die politische Meta-Mechanik offenzulegen. Weshalb wir auch kein politisches Bewusstsein, jenseits der Empörung, entwickeln können. Was die Voraussetzung wäre, politisch zu handeln.

Thomas Kache / 28.11.2021

Gut gebrüllt, Löwe. Die Freiheit ist ein sehr zartes Pflänzlein, welches man immerdar hegen und pflegen muss. Aber glauben Sie wirklich, Herr Nicolay, dass Sie genug Menschen zusammen bekommen, um der Regierungskamarilla das Gefühl des Unwohlseins zu vermitteln? Da habe ich meine Zweifel. Revolutionen werden von Menschen vorangetrieben, welche nichts mehr zu verlieren haben. Und, wie viele Menschen kennen Sie in D, die wirklich nichts zu verlieren haben? „I prefer dangerous Freedom over peaceful slavery“, soll von Thomas Jefferson sein. Happy ever after

R. Matzen / 28.11.2021

Die Herrschenden haben sich alle wesentlichen Institutionen unseres Staates unter den Nagel gerissen. Anders kann man es nicht nennen. Das Bundesverfassungsgericht, der Generalbundesanwalt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, um die wichtigsten zu nennen. Daneben hat sich das Militär vollständig kastrieren lassen, kein Panzer rollt mehr vor das Kanzleramt, kein Militärputsch auch nur ansatzweise vorstellbar. Wie sollen wir dieses Pack loswerden, wenn die meisten von uns so zufrieden mit der Arbeit der Götterbotin waren, daß sie sie am liebsten noch einmal gewählt hätten? Wenn sie sich aus Angst vor Carola jeden Abend die Bettdecke über den Kopf ziehen, anstatt nur ein einziges Mal auf die Seiten des RKI zu gehen und ihr Hirn nutzen würden! Ich setze inzwischen Hoffnung in einen Blackout, vielleicht, aber nur ganz vielleicht, setzt dann ein Umdenken ein. Ich glaube aber nicht…

Ludwig Luhmann / 28.11.2021

Mit Sicherheit werden wir alle unsere Freiheit verlieren!

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