Thomas Rietzschel / 27.09.2015 / 14:34 / 1 / Seite ausdrucken

Kir Royal 2015

Erinnern sie sich noch, „Kir Royal“, das Fernsehereignis der Achtziger? Was haben wir da gelacht über den satirischen Geniestreich Helmut Dietls, die Persiflage auf eine gelangweilte Konsumgesellschaft. Diese durchgeknallten Typen, die den größten Blödsinn verzapften, nur weil sie sich alles leisten konnten. Gewissensbisse, Skrupel, Stolz, Ehre, Anstand, nichts, für das es keinen Scheck gegeben hätte. Wenn das Angebot stimmte, tanzten die Puppen, junge und alte, Männer und Frauen. Plötzlich hampelte und rammelte die ganze Gesellschaft nackt auf dem Bildschirm, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Es war zum Schießen komisch und entlarvend zugleich.

Unvergesslich die Episode, in der der Kleber-Fabrikant Heinrich Haffenloher, gespielt von Mario Adorf, dem Klatschreporter Baby Schimmerlos, alias Franz Xaver Kroetz, die Welt erklärt. Aus der Provinz,wo er das ganze Jahr über „in Kleber macht“, für ein paar Tage nach München gekommen, will es der „Herr Generaldirektor“ einmal so richtig krachen und die Sau raus lassen. Baby soll ihn in seiner Klatschkolumne groß herausbringen, mit Weibern und Schampus, wie es sich gehört. Und weil der Reporter dabei nicht so ohne weiteres mitspielen will, erteilt ihm der erfolgreiche Geschäftsmann seine Lektion.

Selbst in einen weißen Bademantel gehüllt, erklärt er dem elegant gedressten Baby: „Ich mach dich nieder, Schimmerlos … Isch scheiß dich sowat von zu mit meinem Jeld, dass de keine ruhige Minute mehr hast. Und die Versuchung ist so groß, da nimmst’s und dann hab isch dich, dann jehörste mir. Dann biste mein Knecht. Isch mach mit dir, wat isch will.“

Danach läuft alles wie geschmiert. Der Klatschreporter kann sich den Rest seines journalistischen Verantwortungsgefühls an den Hut stecken, während „Heini“ bekommt, was er will. So haben wir es seinerzeit im Film gesehen, witzig gespielt und satirisch überzeichnet, wie wir glaubten, bis - ja bis zu dem „Flüchtlingsgipfel“ in der abgelaufenen Woche.

Da war es dann die Bundeskanzlerin, die sich die Ministerpräsidenten der Länder vorknöpfte. Auch von ihnen hatten einige nicht so ohne weiteres mitspielen wollen beim Umbau Deutschlands zum größten Flüchtlingslager Europas. Und auch ihnen wurden die Bedenken, die sie offen wie in Bayern oder hinter vorgehaltener Hand wie in den meisten anderen Bundesländern hegten, kurzerhand abgekauft. Nun „jehört“ ihr mir, könnte Angela Merkel mit Heinrich Haffenloher sagen.

All die Sorgen, die sich die Länderchefs machten um die innere Sicherheit, um die menschenwürdige Unterbringung der Einwanderer, um deren Sprachprobleme, den drohenden Bildungsnotstand, die steigende Arbeitslosigkeit, den Zerfall der Gesellschaft angesichts der abklingenden Willkommenseuphorie, das Entstehen radikalisierter Milieus im Untergrund, alles erstickte das Angebot der Kanzlerin: 670 Euro aus dem Bundeshaushalt pauschal und pro Monat für jedem aufgenommenen Einwanderer, egal, wie und woher er oder sie nach Deutschland eingereist sein mögen. Hinzukommen 500 Millionen für den Wohnungsbau und weitere 350 Millionen für die Betreuung minderjähriger Einwanderer.

Dieser Versuchung konnte und wollte niemand widerstehen. So viel Schmiergeld wurde selten verteilt. Von insgesamt 4,1 Milliarden für das Jahr 2016 spricht die Bundesregierung, freilich unter der Annahme geschönter Zahlen. Weiß man doch schon heute, dass die der Berechnung zu Grunde liegende Zahl von 800.000 Zuwanderern noch in diesem Jahr übertroffen werden wird. Auch werden sich die Leistungen nicht - wie behauptet - auf die fünf Monate, in denen die Asylverfahren zukünftig abgewickelt werden sollen,  begrenzen lassen. Wer einmal Geld bekommt, will es weiter haben; man denke nur an die wiederholte Fortschreibung des Soli.

Gehen wir nur von einer Millionen Anspruchsberechtigter aus und rechnen zudem damit, dass sie Leistungen über ganze Jahr hinweg beziehen werden, ergibt allein dies für das Jahr 2016 über acht Milliarden, für die der Finanzminister, sorry, der Steuerzahler geradestehen muss. Solche Summen hätten selbst den Klebstoffhersteller Heinrich Haffenloher um den Schlaf gebracht. Freilich wollte der Baby Schimmerlos auch noch mit seinem eigenen Geld zuscheißen. Heut möchte uns das geradezu naiv vorkommen. Beinahe wehmütig denken wir an die ehrliche Haut, über die wir uns in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kaputtlachten.

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Karl-Heinz Vogt / 27.09.2015

Ganz nebenbei: Mario Adolf ist gut, wirklich gut!

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