Ulli Kulke / 12.04.2014 / 09:31 / 2 / Seite ausdrucken

Japan: Kein Vertrauen in unsere Energiewende

Japan in Not. Wenn die Regierung in Tokio jetzt verkündet, den von ihren Vorgängern beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft wieder rückgängig zu machen, so trifft dies ein Land, für das ein solcher Schritt gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist. In Japan fand eine der beiden großen Atomkatastrophen der Geschichte statt. Die Kernkraft ist dort zu großen Teilen in der Hand eines Konzerns, der damit offensichtlich überfordert ist. Die Bevölkerung befürwortet zu mindestens zwei Dritteln den Ausstieg. Und Japan ist ein demokratisches Land.

Dennoch hat Ministerpräsident Shinzo Abe sich erfolgreich darangesetzt, die Angehörigen seiner konservativen Liberaldemokratischen Partei und vor allem die seines buddhistisch geprägten Koalitionspartners, der die Atomkraft auch unabhängig von Fukushima ablehnt, von der Notwendigkeit einer sicheren Energieversorgung zu überzeugen. Er sah für sein Land, das wirtschaftlich seit einiger Zeit nicht mehr so recht Fuß fasst, keinen anderen Weg, als diese wichtigste Basis der Industriegesellschaft nicht in Gefahr zu bringen. Auf Abenteuer will man sich nicht einlassen. Offenbar hat die chaotische Energiewende hierzulande, die deren heftigste Befürworter vor allem als Vorbild für die ganze Welt ansehen, nicht die Ausstrahlung, um die drittgrößte Volkswirtschaft zum Nacheifern zu bewegen.

Gewiss, Japan hatte bei den konventionellen Energien schon immer eine schlechtere Ausgangslage. Es besitzt keine Kohlevorkommen und ist aufgrund der Insellage schwerer an Pipelines anzubinden. Bei den erneuerbaren Energien wären die Voraussetzungen allerdings vergleichbar. Und doch haben die Strategen kein Vertrauen, dass auf absehbare Zeit ihre Volkswirtschaft allein darauf basieren könnte. Bei allem Zorn und aller Verzweiflung über die Folgen von Fukushima und der daraus resultierenden Ablehnung der Atomkraft verknüpfen die Japaner mit ihr auch nicht den Weltuntergang, wie er in Deutschland gern beschworen wird, wo man die über 15.000 Toten der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe von 2011 zynischerweise immer wieder als Atomopfer hinstellt. Der große, gar gewaltsame Aufstand gegen den Ausstieg aus dem Ausstieg, der sich seit Monaten abzeichnete, blieb in Japan bislang jedenfalls aus.

Die Regierung in Tokio macht uns dieser Tage eines vor: Es darf, es muss abgewogen werden. Niemand, auch hierzulande nicht und auch nicht die Stromkonzerne, will die Atomkraft um der Atomkraft willen auf Ewigkeit betreiben. Es muss aber gestattet sein, die Nachteile eines Ausstiegs ins Kalkül zu ziehen. Von einer gewählten Regierung zur Not auch gegen die Stimmung im Lande.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Vaclav Endrst / 13.04.2014

Zwei Ausdrücke möchte ich hier monieren: 1) die Atomkraft heißt die Kernkraft 2) keiner will die Atomkraft um die Atomkraft willen. Die Kernkraft einerseits als praktisch unerschöpfliche Energiequelle zu betrachten, weil die bekannte Uranmengen so etwas andeuten und wie sollte man andererseits die Mengen an atomwaffenfähigem Plutonium 239 (HWZ 24 160 Jahren) sonst beseitigen? Das ist die richtige Frage an die Politiker, die für ein atomwaffenfreie Welt werben. Bislang habe ich keine Antwort an diese Frage gelesen / gehört. Um so mehr aber eine fast pausenlose Verbreitung vom nicht gelösten Problem der Endlagerung. Ja Dummheit waltet die Welt.

Gerhard Sauer / 12.04.2014

Von welcher Atomkatastrophe in Fukushima reden die Leute eigentlich immer? Die von einem ungewöhnlichen heftigen Tsunamis ausgelösten Schäden an Blöcken des Atomkraftwerks in Fukushima haben jedenfalls kein einziges Menschenleben gekostet. Ich wiederhole: Es wurde nicht ein Mensch getötet. Sieht so eine Katastrophe aus? Man kann sich nur wünschen, daß Katastrophen grundsätzlich nur Ereignisse sind, bei dem niemand seines Lebens beraubt wird. Das würde dem Wort Katastrophe natürlich jegliche Dramatik nehmen, und es könnte nur noch schlecht als Signal für eine Alarmmeldung genutzt werden. Für wirklich schlimme Vorkommnisse mit dem Verlust vieler Menschenleben müßte ein neuer Begriff gefunden werden. Vielleicht kann die Journalistenzunft sich schon mal Gedanken machen, welches Wort man statt dessen benutzen könnte. Hier schon mal ein Vorschlag: Wir bezeichnen künftig jedes große todbringende Ereignis in Anlehnung an die wirkliche Ursache für die Toten in Fukushima als Katastnami. Dann hätte der Journalist zwei Begriffe zur differenzierenden Benennung der Vorgänge in Fukushima und entginge der Gefahr, seine Leser irrezuführen.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ulli Kulke / 24.02.2024 / 06:05 / 119

Herr Fratzscher fühlt sich nicht wohl

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat ein Interview gegeben und erzählt zum Thema Migration unglaublich dummes Zeug. Präsident Marcel Fratzscher und sein…/ mehr

Ulli Kulke / 20.02.2024 / 06:00 / 77

Als die Grünen jenseits der Brandmauer saßen

Der neueste Hit gegen die AfD heißt: Zielführendes Regierungshandeln, etwa in der Migrationspolitik, nutze nur der radikalen Opposition! Hätte man sich früher daran gehalten, gäbe…/ mehr

Ulli Kulke / 23.01.2024 / 06:00 / 208

Wem helfen die Massen-Demonstrationen?

Es gibt Massendemonstrationen „gegen rechts". „Wir sind mehr“, stand auf den hochgehaltenen Spruchbändern. Aber repräsentieren sie alle wirklich die Mehrheit der 81 Millionen Deutschen? Was erreichen…/ mehr

Ulli Kulke / 30.11.2023 / 12:00 / 45

Beim Thema Klimawandel kühlen Kopf bewahren

Heute beginnt die Weltklimakonferenz in Dubai. Ein guter Anlass, das Buch „Der Mensch-Klima-Komplex“ vorzustellen. Der Autor Hans von Storch ist Insider, hat selbst an Berichten des UN-Klimarates IPCC…/ mehr

Ulli Kulke / 27.09.2023 / 06:15 / 59

Gendern in Thüringen: Große Mehrheit dagegen, CDU traut sich selbst nicht

Demokratie Paradox in Thüringen, mal wieder. Was zählt Volkes Stimme, was soll sie zählen? Vor allem aber: Was darf sie zählen – und was darf…/ mehr

Ulli Kulke / 16.09.2023 / 06:15 / 81

Die Sirenen der Brandmauer-Profiteure

Warum reagieren die linken Parteien so hysterisch auf ein mit CDU, AfD und FDP-Mehrheit beschlossenes Gesetz in Thüringen? Ganz einfach: Sie – vor allem die Grünen…/ mehr

Ulli Kulke / 19.07.2023 / 14:00 / 88

Kurzkommentar: Wie Rotrotgrün von einer starken AfD profitiert

Eines sollten wir im tagesaktuellen politischen Diskurs nicht vergessen: Das rotrotgrüne Lager profitiert unmittelbar von einer starken AfD. Durch sie wird – in Kombination mit der…/ mehr

Ulli Kulke / 07.07.2023 / 06:25 / 75

Es geschah, was nicht geschehen durfte

Die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel twitterte nach dem Urteil gegen das parlamentarische Prozedere zum Heizungsgesetz: „Ein Eilverfahren, dem sich auch Abgeordnete der AfD als Kläger anschlossen,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com