Am 27. Oktober erscheint mein neues Buch „Kristall". Eine Reise durch die Drogenwelt des 21. Jahrhunderts" (Klett-Cotta). Die Buchvorstellung – sie wird übrigens von dem Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap übernommen – einem prominenten Wettbewerbsökonomen und Befürworter der Cannabis-Entkriminalisierung in Deutschland) sollte ursprünglich am 29. Oktober in der Buchhandlung Montag in Berlin, Pappelallee 25 stattfinden. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen einer Literaturagentur und der Buchhandlung war vor Monaten geschlossen worden. Einige Einladungen hatte ich schon verschickt.
Drei Wochen vor der Premiere sagte die Buchhandlung die Veranstaltung ab. Begründung der Betreiber: Sie hätten jetzt herausgefunden, dass ich die „Erklärung 2018" unterschrieben habe; außerdem störe man sich an einigen Veröffentlichungen in meinem Magazin Publico. Was genau sie störte, teilten sie nicht mit. Sie hatten mich auch nie kontaktiert, sondern ihre Absage nur gegenüber der Agentur erklärt.
Nun findet sich in meinem Buch selbst überhaupt keine Links-Rechts-Konnotation. Wenn es überhaupt in irgendeiner Weise zum Rechts-Links-Grabenbruch steht, dann nur so weit, dass einige Argumente und Schilderungen zur Drogenentkriminalisierung eher auf der linken, liberalen und libertären Seite des Spektrums zu finden sind.
Um den Inhalt eines Buchs geht es also offensichtlich überhaupt nicht mehr, wenn Mitglieder des Wächterrates aktiv werden – sondern nur noch um die richtige oder eben nicht richtige Gesinnung des Autors.
Ausgrenzen, Hände ringen, Spaltung beklagen
Es sind Haltungsinhaber der gleichen Sorte, die gleichzeitig die Hände ringen und bei jeder Gelegenheit über die so genannte gesellschaftliche Spaltung klagen. Über die Intoleranz. Über das gesellschaftliche Klima, das – schlimm, schlimm – so rau geworden ist. Über die schrecklichen Filterblasen.
Natürlich kann jeder argumentieren, dass er selbst entscheiden will, wen er in seine Räume lassen möchte. Jemand kann auch eine schon gemachte Zusage wieder kassieren. Jeder kann erklären, dass er keine Lust auf eine Diskussion oder nur eine Begegnung mit jemand hat, der nicht astrein aus dem eigenen Milieu stammt.
Auf der Website der Buchhandlung, die gesinnungstechnisch nicht ganz, aber dann noch rechtzeitig auf Zack war, hatte ich gesehen, dass dort demnächst die Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski liest. Sie hatte vor einiger Zeit in ihrer Kolumne Gewalt gegen Personen, die sie als schlecht empfindet, ausdrücklich gerechtfertigt beziehungsweise dazu so ermuntert, dass es die eigenen Truppen es verstehen („Antifaschismus bleibt Handarbeit“). Von ihr stammt auch der nur notdürftig verschleierte Aufruf an Frauen, politisch lästige Männer mit erfundenen MeToo-Vorwürfen „aus dem Weg“ zu räumen. Die Pointe der Situation liegt darin, dass ich kein Problem gehabt hätte, in einer linken Buchhandlung zu lesen, in der auch jemand wie Margarete Stokowski liest. Um ein Wort von Wolfgang Herrndorf leicht abzuwandeln: Ich habe schon mit Linken Sport getrieben, diskutiert, fraternisiert – und hat es mir geschadet?
Gern wüsste ich aber das Beispiel irgendeiner Institution, die, sagen wir einmal, nichtlinks ist, und jemand wieder mit der Begründung ausgeladen hätte, der Betreffende habe sich, wie man gerade erfahre, einmal links geäußert oder etwas Linkes geschrieben. Den Schutzwall mit Wachtürmchen und Papierkontrolle baut eben nur eine Seite auf: die Seite der Wunderbunten und Vielfältigen.
Keine Sorge übrigens, ein (besserer) Ersatzort für die Buchpremiere in Berlin Mitte für den 3. November ist gefunden.