@Günter Schaumburg: Die vielen Ausreisewilligen habe ich nicht vergessen und ja auch erwähnt. Sie hätten bei Gelegenheit sicher noch mehr Aufmerksamkeit verdient. Da stimme ich Ihnen zu. Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich nur auf einer Tastatur mit 10 Fingern und auf dieser auch nur für eine doch sehr begrenzte Zeit des Tages herumhämmern kann… Apropos: ich habe beispielsweise das Buch von Waltraud Krüger, “Ausreiseantrag” nicht nur in meinem Bücherschrank stehen, sondern auch gelesen. Dort berichtet sie sehr schonungslos, wie sie schikaniert wurde, weil sie das Leben in der “DDR” nicht mehr ertragen wollte. So ich Zeit und Gelegenheit habe, berichte ich gerne einmal ausführlicher über das Schicksal dieser Menschen, das mir stets präsent bleiben wird.
Die Mutigen sind die, die ihr Leben auf Spiel gesetzt haben um zu fliehen. Die Helden sind aber die, die geblieben sind um die Grenzen zu öffnen. Betrüger sind die, die wider besseren Wissens, einen Beitritt als Einheit verkaufen. Die Betrogenen sind die, die für 11 Milliarden D-Mark, unter Manifestierung der Enteignungen, samt Krieggefangenenterritorium einverleibt wurden. Die Arschkarte haben allerdings die Vertriebenen gezogen….
” Ein Ende der ständigen Lügen und Repressionen”..... ????? Was für ein Ende ? ich als Ossi habe mit meiner ” Flucht” in den Westen offensichtlich nur ein Regime gegen ein anderes ausgetauscht. Belogen werde ich auch hier als Bürger jeden Tag aufs Neue. Frasen wie : 1. ” die Rente ist Sicher” , genau im Alter kann ich mich bei der Tafel anstellen trotz lebenlang gearbeitet. 2. “wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt”, dabei warte ich Monate auf einen Facharzt Termin. 3. “wir haben das beste Schulsystem und gleiche Chancen für alle” : das ich nicht lache! siehe PISA und OSZD Studien. 4. “wir brauchen die Flüchtlinge , für unseren Arbeitsmarkt und Pflege” , ganz bestimmt nicht!!!! Und so kann ich noch bis 100 weiterzählen, aber das lohnt nicht.
Fabelhaft, sehr geehrte Frau Drewes, wie Sie das beschreiben können, als jemand, der das nur mitfühlend beobachtet hat. Respekt vor jeder Träne in den Augen der nun in Freiheit und Würde Gealterten! “Ich glaube, ich bin im Himmel. Endlich einmal Glück, endlich für immer frei.” - War das nicht auch Sozialromantik? In meinem gestrigen Kommentar habe ich von den Optionen gesprochen, die man haben kann oder nicht, der Freiheit, fort zu gehen etwa. Das Fortgehen beinhaltet immer die Ungewissheit, nicht zu wissen, was einen erwartet, welche neuen Zwänge die alten verhassten ersetzen werden. Auch in die gefühlte Freiheit geht man nicht mit der Gewissheit, ein besseres, freieres Leben zu haben. Die sich neu auftuenden Optionen muss man letztlich abwarten. Anfang August 89 machte mich ein Freund, von dem ich heute noch nicht weiß, wie stasi- oder staatsnah er wirklich war, darauf aufmerksam, dass es Zeit wäre, das Land zu verlassen. “Wir gehen auch, wir wollen nicht die letzten sein, die das Licht aus machen…” Ich hatte kein Wort davon geglaubt, aber vier Wochen später dachte ich, Rhinozerus, ick hör dir trapsen, was wäre, wenn das viele solche “Agenten” ihren Freunden und Bekannte so angetragen hätten? Ich war zweimal in Leipzig, Anfang September und Anfang Oktober jeweils für 4 Tage. Am Freitag vor dem 40. Jahrstag war in dieser sonst so lebensfrohen Stadt eine Atmosphäre wie wenn man ein Trafohäuschen betritt. Beängstigend. Ich hätte es nicht gewagt, noch einen Tag zu bleiben. Sie haben recht, der Effekt, den die Ausreiser hatten war ein viel mächtigerer als das Wirken der Bürgerbewegten hier. Es wurden in dieser Zeit auch viele gute Häuser für lau angeboten, von Leuten die fort wollten. Die haben sich bestimmt später schwarz geärgert. Noch etwas: Die Leute, die hier in den nächsten Tagen mit ihrer früheren “Opposition” angeben werden, die sind vier Wochen nach der Wende abends im Dunkeln mit dem Pfarrer an der Spitze in andächtiger Stille um das Rathaus gezogen.
Ein sehr anrührender und berührender Artikel zum 30. Jahrestag des Endes der “DDR,” liebe Frau Drewes. Wie in den Leserbriefen bereits beschrieben, haben sich die Hoffnungen von damals in keiner Weise erfüllt. Ganz im Gegenteil. Wir werden von der Merkel-Regierung und den ihr sekundierenden Medien permanent bevormundet. Wer nicht der Meinung des Juste Milieus ist und sich gar erlaubt, die Stimme zu erheben, um Rechtsstaatlichkeit einzufordern, ist ein Spalter und wird ohne Wenn und Aber in die rechtsextreme Ecke gestellt. Besonders verschaukelt wurden und werden die mutigen Bürger des Unrechtsstaates, die Gesicht zeigten und dabei nicht selten Leib und Leben riskierten. Nie hätte ich mir als “Wessie” träumen lassen, irgendwann in einer “DDR"02 leben zu müssen. Unser gegenwärtiges Staatswesen kann man als Demokratur bezeichnen, und auch das nur, wenn man es mit der berühmten rosaroten Brille betrachtet. Denn eigentlich befinden wir uns schon mitten in einer Meinungsdiktatur, die jedwede Abweichung vom Mainstream erbarmungslos ahndet. Die Hoffnung auf Besserung ist inzwischen schon bei vielen gestorben. Wenn selbst der furchtlose Don Alphonso drauf und dran ist, das Handtuch zu werfen und dieses Land zu verlassen, ist es bereits fünf nach zwölf. Ich bin leider schon zu alt für diesen Schritt und versuche deshalb mit den Meinen das Beste aus der Situation zu machen. @Andreas Rochow. Genau wie Sie setze ich die “DDR"stets in Anführungsstriche. Ich habe das Wegfallen derselben nie als einen Befreiungsschlag empfunden wie ein ehemaliger Kollege bei der WELT, der diese für ihn “frohe Botschaft” mit Tränen in den Augen überbrachte. @Anders Dairie: Danke, volle Zustimmung.
Wer in den nächsten Monaten nach Prag kommt, sollte nicht versäumen, sich die Foto-Ausstellung im Lustschluss der Königin Anna anzuschauen (erstens, weil das Schloss ein Renaissance-Kleinod ist und zweitens wegen der Fotos), die es noch bis zum 30.11 dort zu sehen gibt. Die Botschaftsflüchtlinge spielen dort auch eine (notabene kleine) Rolle. Und es wird dem Besucher deutlich, dass die Revolution, der Aufstand gegen die kommunistischen Regime, die in ganz Osteuropa (unter den Arkaden gibt es Fotos aus Polen, Deutschland etc) stattgefunden hat, tatsächlich ein Streben nach Freiheit war ganz vorrangig. Natürlich war damit auch die Hoffnung verbunden, dass das Ende der kommunistischen Planwirtschafterei auch mehr Wohlstand bringt. Aber das war ganz offensichtlich nicht der Hauptantrieb all der hunderttausende von Menschen, die in Warschau, die im Baltikum, die in Prag, Berlin, Leibzig, Dresden auf die Straße gegangen sind. Gerade das Beispiel Prag zeigt sehr deutlich das große Verdienst eines V. Havel, dem es gelungen ist, die Revolution friedlich zu halten und in einen politischen Prozeß zu überführen, an dessen Ende die Mehrparteiendemokratie und die Marktwirtschaft standen. Alle “Umdeutungsversuche” linker Fantasten und Geschichtsverdreher wird damit der Boden entzogen. Die “DDR” war genauso am Ende, wie es die VR Polen war oder die Tschechoslowakei. Das Volk wollte Freiheit und zwar Freiheit von der Bevormundung durch kommunistische Greise und durch den sowjetischen Machtapparat. Das gilt auch für die “DDR”. Besonderns bewegend übrigens die Bilder des gealterten Dubcek, der sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder der Öffentlichkeit präsentierte und von den Pragern gefeiert wurde. Ein später Triumph.
Liebe Sabine Drewes! Für einen Augenblick nehme ich mir mal die Freiheit und setze mich ungefragt zu Ihnen aus Respekt vor einer Frau, die unbeirrt daran erinnert, daß die Wiedervereinigung ein glücklicher Tag in der Geschichte der Deutschen war, dessen Versprechen, künftig für Gerechtigkeit gegenüber diesem Volk einzutreten bis heute nicht erfüllt wurde. Liebe Grüße von einem treuen Leser !
Solange die Ausreise aus der DDR keine konkreten Zahlen oder Fakten für das DDR-Volk bot, waren es nur Gerüchte, wieviel Ausreisewillige pro Jahr am Ausgang standen. Erst mit Ungarns Grenzöffnung konnte das DDR-Regime nichts mehr verheimlichen. Ab da konnte sich das DDR-Volk selbst ein Bild machen, wieviel Nachbarn oder Arbeitskollegen nur auf die Gelegenheit warteten abzuhauen. Die Flüchtlinge waren der Brennstoff, die verbliebenen DDR-Bürger waren der Motor des Sturzes der SED-Diktatur. Selbst bei SED-Mitgliedern oder DDR-Träumern kamen massive Zweifel auf, dass “Vorwärts immer, rückwärts nimmer” der falsche Prophet ausrief.
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