Sabine Drewes, Gastautorin / 30.09.2019 / 06:25 / Foto: Wegmann / 36 / Seite ausdrucken

Herbst 1989: Ein Durchbruch für die Freiheit in Prag

Am 30. September 1989 spielten sich auf dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft in Prag herzergreifende Szenen ab, als Außenminister Hans-Dietrich Genscher, ein gebürtiger Hallenser, auf dem Balkon des Palais Lobkowitz verkündete: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß heute Ihre Ausreise …“ Jubelschreie aus mehreren tausend Kehlen lassen ihn diesen Satz nicht wirklich zu Ende sprechen. Auch die Tage davor und danach sind voller berührender Dramatik. Dieser Beitrag macht die Erinnerungen an diese geschichtsträchtigen Tage noch einmal lebendig und soll den vielen Flüchtlingen ein Denkmal setzen. Denn ohne ihren unbändigen Drang nach Freiheit hätte die deutsche Geschichte vor 30 Jahren möglicherweise nicht diese glückliche Wendung genommen.

Die Massenflucht Deutscher im Sommer 1989 geriet zu einer beispiellosen „Abstimmung mit den Füßen“ über die SED-Diktatur. Und dies, obwohl sowohl die innerdeutsche Grenze als auch die Berliner Mauer weiterhin hermetisch abgeriegelt waren. Wer versuchte, diese Grenzsperranlagen zu überwinden, die Deutschland und Berlin teilten, musste bis zum späten Abend des 9. November 1989 mit drastischen Konsequenzen bis hin zum Tod rechnen.

Es wäre falsch, den unbändigen Drang der Menschen nach Freiheit und Selbstbestimmung als einen egoistischen Wunsch abzutun, der keine besondere Würdigung verdient. Im Gegenteil: Je mehr Menschen ihr Recht auf Freiheit und Freizügigkeit einforderten, umso größer war die Chance, dass auch die Zaghafteren und Ängstlicheren eines Tages in den Genuss der Freiheit kommen könnten. Es ist nicht angebracht, über diese Menschen die Nase zu rümpfen, wie dies in den letzten Tagen und Wochen verschiedentlich geschah. Aber im Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution wurde den deutschen Flüchtlingen von 1989 meines Wissens nach bisher kein Denkmal gesetzt. Dabei waren es doch diese Menschen, die am nachdrücklichsten ihrer Unzufriedenheit mit einem System Ausdruck gaben, das gegenüber seinen politischen Gegnern kein Pardon kannte. Sich ihm entziehen zu wollen, erforderte sehr viel Mut. Für ein Leben in Freiheit riskierten diese Menschen alles: ihr Hab und Gut, ihre körperliche und seelische Unversehrtheit – und letztlich ihr Leben.

Ein Ende der ständigen Lügen und Repressionen

In einem Essay in der GEISTIGEN WELT vom 28. Juli 1990 („Heimatlos im Supermarkt – Wunschbilder statt Erkenntnis: Warum die DDR-Revolution ohne Intellektuelle stattfand“) schrieb Gert Ueding, Rolf Schneider habe im Februar 1990 im „Spiegel“ illusionslos festgestellt: „Die Flüchtlinge und Umsiedler erwiesen sich sogar als die eigentlichen Motoren aller gesellschaftlichen Veränderungen in der DDR. Die Lücken, die sie hinterlassen, wirken mehr als sämtliche Montagsdemonstrationen in Leipzig. Der Druck, den sie ausüben, lastet gleichermaßen heilsam auf der Regierung zu Ost-Berlin wie jener zu Bonn. In der Form eines täglichen Plebiszits bestätigen sie den politisch Verantwortlichen zwischen Elbe und Oder die mangelnde Glaubwürdigkeit ihrer Politik.

Halten wir fest: Es gab viele Wegbereiter der Friedlichen Revolution, die deutschen Flüchtlinge von 1989 haben daran einen nicht zu unterschätzenden Anteil. Die große Massenflucht setzte schon vor den ersten Gründungen der Oppositionsgruppen im Spätsommer 1989 ein. Sie trug maßgeblich dazu bei, das SED-Regime im Herbst 1989 ins Wanken zu bringen. Die Bürgerrechtler alleine hätten dies nicht zustandegebracht. Denn mit den Flüchtlingen verlor der Herrschaftsbereich der SED-Machthaber viele ihrer Fähigsten und Jüngsten; Menschen, die für sich und ihre Kinder keine Zukunft in der Diktatur sahen. Dazu kamen circa 1,5 Millionen Ausreiseanträge alleine bis Mitte August, das umfasste etwa ein Viertel der Deutschen zwischen Ostsee und Erzgebirge, zwischen Elbe und Oder. Das war eine Volkserhebung; diese Menschen duckten sich nicht mehr.

Ihr Aufbegehren widersprach dem gängigen Bild von den duldsamen Deutschen, die – anders als die temperamentvollen Ungarn oder Polen – nicht aufmucken, sondern sich brav ihrem Schicksal fügen würden, sobald Honecker und Genossen nur einige „Unruhestifter“ in den Westen abgeschoben hätten. Dieser Illusion erlagen damals in der Bundesrepublik noch viele. Sie wollten nicht zur Kenntnis nehmen, welches Ausmaß der Verzweiflung sich östlich der Elbe über den unbeirrt harten Kurs der SED breitgemacht hatte. Der Rat „mehr Hilfe aus der Bundesrepublik“ musste auf die Menschen beleidigend wirken; sie gaben immer wieder zu verstehen, dass sie trotz aller Misswirtschaft und Engpässe, die das Leben im Sozialismus gekennzeichneten, nicht am Hungertuch nagten, sondern endlich ein Ende der Entmündigung, ein Ende der ständigen Lügen und Repressionen wollten. Sie wollten die Freiheit.

Flucht als einziger Ausweg

Noch aber fehlte ihnen eine kraftvolle Opposition, die das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung für sie hätte einfordern können und wollen. Die sich zwar mutig, aber vorsichtig formierenden Bürgerrechtler plädierten in ihrer Mehrheit zudem lediglich für Reformen, nicht für die Abschaffung des Sozialismus und für den Fortbestand von zwei deutschen Staaten. Doch zu einem weiteren sozialistischen Experiment auf deutschem Boden war das Gros der Menschen nicht länger bereit. Die Mehrheit wollte leben wie ihre Landsleute im Westen, und sie wollte frei sein von staatlicher Bevormundung. In dieser Situation sahen viele in der Flucht den einzigen Ausweg, um ihr Ziel zu erreichen.

Nachdem Ungarn sich auf die Seite der Deutschen gestellt und ihnen die Ausreise nach Österreich gestattet hatte, wurden die Kontrollen an der Grenze zwischen der ČSSR und Ungarn für die Deutschen aus der „DDR“ verstärkt. Der Massenflucht über Ungarn sollte aus Sicht der SED ein Riegel vorgeschoben werden. Deshalb versuchten die Menschen jetzt verstärkt, mit einer Flucht in die bundesdeutsche Botschaft in Prag ihre Ausreise in den Westen zu erzwingen. Noch am 27. September erklärte die ČSSR-Regierung, eine „ungarische Lösung“ werde es für die Botschaftsflüchtlinge nicht geben. Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Prag berichtete am 11. September dem Auswärtigen Amt in Bonn, dass im Botschaftsgebäude, dem Palais Lobkowitz, 434 Bürger aus dem anderen Teil Deutschlands Schutz gesucht hätten.

Die SED-Rechtsanwälte Wolfgang Vogel und Gregor Gysi versuchten, die Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat östlich der Elbe zu bewegen. Etwa 170 von ihnen, vorwiegend junge Menschen, widerstanden diesen Versuchen. Dennoch sollte sich das Botschaftsgebäude keineswegs leeren. Zwei Wochen später befanden sich bereits 865 Landsleute aus dem östlichen Teil Deutschlands in der Botschaft ein. Es wurde eng. Büros wurden geräumt, Sträucher im Garten der Botschaft entfernt. Das Internationale Rote Kreuz stellte 47 Notzelte auf. Am 26. September hielten sich in dem Gebäude 1.600, am 2. Oktober 1.622, am 3. Oktober geschätzte 4.000 und am 4. Oktober 7.600 Menschen auf. Am 3. Oktober wurde vom SED-Regime der visafreie Reiseverkehr in die ČSSR „ausgesetzt“.

Unvergessene Szenen

An der Mauer und am Gartenzaun der bundesdeutschen Botschaft spielten sich in jenen Tagen die ergreifendsten Szenen ab. Auf einer Leiter kletterten Scharen von Flüchtlingen Anfang Oktober voller Panik über die Mauer der Botschaft, die wegen Überfüllung seit dem 22. August offiziell geschlossen war. Der Zaun ist etwa zwei Meter hoch und mit spitz zulaufenden Enden versehen. Mit dem Mute der Verzweiflung drängelten sich Menschen trotz einer Abwehrkette aus Milizionären und Polizisten der ČSSR vor dem eingezäunten Park der Botschaft bis zum Gitter vor, überkletterten es, reichten Kleinkinder herüber. Das Überklettern des Zaunes war nicht ungefährlich; alleine am 3. Oktober 1989 wurden beim Übersteigen elf Menschen verletzt und lagen teils ohnmächtig auf dem Rasen.

Kinder weinten, hielten angstvoll ihre Teddys umklammert. Andere, denen es noch nicht gelungen war, den Zaun zu überwinden, versuchte die Polizei gewaltsam wegzuzerren, so etwa den Maurer Michael Fleischmann (damals 34) aus Ost-Berlin. Er klammerte sich mit aller Kraft verzweifelt an die Gitterstäbe. Seine Landsleute auf dem Botschaftsgelände hielten ihn von der anderen Seite fest. Nach 20 Minuten kam endlich Botschaftsrat Michael Steiner. Er legte seinen Arm um Fleischmann und führte ihn in die Botschaft hinein. Ein anderes Bild zeigt den tränenreichen Abschied einer Mutter von ihrer Tochter, die sich nicht zur Rückkehr in die „DDR“ überreden ließ, die beide in dem Moment nicht wissen, ob sie sich jemals wiedersehen werden.

Am 30. September 1989 reiste Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher mit Kanzleramtsminister Rudolf Seiters nach Prag, um auf dem Balkon des Palais Lobkowitz jenen Satz zu sagen, dessen Ende im Jubelschrei unterging, den wohl niemand der Anwesenden je vergessen wird: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß heute Ihre Ausreise…“ Der Rest geht im Jubel aus mehr als 4.000 Kehlen unter: „…in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.“ Die Bilder, die die TV-Kameras jetzt festhielten, gehen zu Herzen, treiben einem Tränen in die Augen: Wildfremde fallen sich in die Arme, Familien umarmen einander und Ehepaare küssen sich; viele haben feuchte Augen. Wer diese Bilder gesehen hat, und sei es nur auf der Mattscheibe, wird sie so wenig vergessen wie jene des 9./10. November 1989.

„Ich glaube, ich bin im Himmel“

Nach Genschers jubelnd begrüßter Ankündigung wurden die ersten Flüchtlinge zu Bussen abtransportiert, die von der „DDR“-Botschaft bereitgestellt wurden. Hier kehrte das Gefühl der gerade erst abgefallenen Unsicherheit wieder zurück; wurden sie nicht vielleicht doch in eine Falle gelockt? Doch die Menschen werden von hohen Beamten des Auswärtigen Amtes und von Botschaftsangehörigen begleitet. Dass Genscher selbst mitfährt, hatte Ost-Berlin abgelehnt. Mit dem Zug ging es erst nach Dresden, von dort über Freiberg, Chemnitz und Plauen nach Hof. Botschafter Hermann Huber kümmerte sich höchstpersönlich um die Flüchtlinge, sprach Verzweifelten noch auf den Bahnhöfen Mut zu, versicherte ihnen, dass nun alles gut werden würde.

Als die Sonderzüge aus Prag im oberfränkischen Hof einliefen, wurden die Ankommenden frenetisch begrüßt, eine jubelnde Menschenmenge winkte ihnen zu. Auch hier spielten sich wieder ergreifende Szenen ab. Die Menschen lachten und weinten, die Flüchtlinge riefen begeistert „Freiheit“ und „Deutschland – Vaterland“. Erich Honecker mochte den Flüchtlingen „keine Träne“ nachweinen, aber was sind Honeckers Worte schon gegen die eines Flüchtlings, der in den geschichtsträchtigen Tagen jenen unvergessenen Satz sagte:

Ich glaube, ich bin im Himmel. Endlich einmal Glück, endlich für immer frei.“

Der inzwischen nach Prag zurückgekehrte Botschafter sollte noch lange keine Ruhe finden. Am Mittag des nächsten Tages befanden sich wieder 200 deutsche Flüchtlinge vor dem Tor der Botschaft und verlangten Einlass. Sie hatten sich vorher irgendwo in der Stadt versteckt und durch Hörensagen von der Ausreise der Botschaftsflüchtlinge erfahren. Huber versuchte ihnen klarzumachen, dass ihre Ausreise eine Ausnahme gewesen sei, doch damit gaben sich die Flüchtlinge nicht zufrieden. Sie harrten aus; gegen 17 Uhr wurde das Tor schließlich doch geöffnet. Inzwischen war die Zahl der Menschen auf 300 angewachsen. Am Ende waren es 7.600 Menschen, die auf demselben Weg schließlich auch ausreisen durften: mit der Deutschen Reichsbahn über Dresden nach Hof.

Vorgeschmack auf das, was kommen sollte

In dreiundzwanzig Sonderzügen der Deutschen Reichsbahn – von außen verriegelt, um unterwegs keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen zu können – fuhren die Botschaftsflüchtlinge aus Prag über das Gebiet der „DDR“ in die Bundesrepublik Deutschland. Das war die Bedingung, die das SED-Regime für die Ausreise stellte, um den Schein einer „einmaligen humanitären Maßnahme“ zu wahren.

Volkspolizei und Militär riegelten die Gleise der Reichsbahn ab, auf denen die Sonderzüge fuhren, nachdem sich die Streckenführung herumgesprochen hatte. Der damals 21 Jahre alte Markus Rindt, der in einem der Züge saß, erinnert sich an die gespenstisch anmutende Fahrt durch die Nacht: „Fast alle 250 Meter erkannten wir Uniformierte der DDR mit Hunden, die die Bahnstrecke bewachten, damit niemand auf den Zug aufspringen konnte.“ Dies verhinderte aber nicht, dass entlang der Gleise hunderte Menschen dennoch den lebensgefährlichen Versuch unternahmen, auf die fahrenden Züge aufzuspringen.

Andere hielten brennende Kerzen in der Hand und baten: „Vergeßt uns nicht.“ Der Dresdener Hauptbahnhof wurde am Abend des 4. Oktober von Sicherheitskräften abgesperrt. Das führte zu Protesten, Ausreisewillige skandierten „Freiheit, Freiheit“, Volkspolizisten prügelten mit Schlagstöcken auf die Menschen ein. Die Demonstranten wehrten sich und warfen verschiedenste Gegenstände. Zurück blieb am Ende ein verwüsteter Bahnhof und ein Vorgeschmack auf das, was am 7./8. Oktober 1989 an Gewaltausbrüchen von Seiten der Staatsmacht auf die Menschen zukommen würde.

Noch bis zum 8. November 1989, einem Tag vor Öffnung der Mauer in Berlin, reisten über 40.000 Flüchtlinge aus der „DDR“ über die Tschechoslowakei in die Bundesrepublik Deutschland.

 

Weitere Quellen:

Lars-Broder Keil, Sven Felix Kellerhoff: Der Mauerfall. Ein Volk nimmt sich die Freiheit. Lingen 2014.

Berliner Ilustrirte, Dezember 1989: Deutschland im November 1989. Das Volk schreibt Geschichte – Tage, die wir nie vergessen, erschienen am 12.12.1989, Seite 90 -102.

Chronik der Mauer

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Cora Selb / 30.09.2019

Ich vermisse nach wie vor die Anerkennung der Bürgerrechtler der ehemaligen DDR .Die sehr,sehr viel riskiert haben, was sich heute kein Mensch mehr vorstellen kann.Ich hörte heute im DLF die Sendung zur dt. Einheit etc. “Kontrovers” da ist die SED Genossin Lötzsch jetzt die Vertreterin des Ostens….. unerträglich und ein Schlag ins Kontor. Es gibt Bürgerrechtler und Pfarrer in der ehemaligen DDR die 60-70 IM ständig an der Backe hatten. Bitte lasst die zu Wort kommen und nicht die alten DDR SED Altlasten.

B. Kurz / 30.09.2019

Ich kann meinen Beitrag auf eine Ergänzung zum Kommentar von @U. Buhr beschränken, denn wie fast immer, liebe Frau Buhr, schreiben Sie mir aus der Seele. Dass Sie nun in einer “DDR"2..0 leben müssen, haben Sie als “nicht gelernter Ossi” recht gut erkannt. Ich war unlängst mit vielen Bayern unterwegs (alles liebe nette Leute), bei denen ich ob dieser Bemerkung nur Unverständnis und großes Staunen erntete. Nein, das würde man nicht so empfinden, woher soll man auch wissen, wie das war ... (ohne Kommentar!!). Doch selbst in meiner unmittelbaren Umgebung hat sich Resignation eingestellt und es wird abgewunken. Überall also leichte Beute für die selbstverliebten Politdarsteller. Ich muss zugeben, dass auch ich mich nur noch an einen “Strohhalm” namens “Interessenvertretung Bürgerforum” klammere, die demnächst von Peter Weber (FB und YT) ins Leben gerufen wird. Den Tipp dazu erhielt ich hier auf der Achse vor einiger Zeit von einer Kommentatorin (leider den Namen vergessen), der ich heute noch dankbar dafür bin. Alle, die beklagen, dass man ja nur Schreiben kann und nichts bewirkt, bitte unbedingt informieren und mitmachen. Liebe Grüße aus Leipzig

Marc Blenk / 30.09.2019

Liebe Frau Drewes, die Gysis, und all die anderen Freiheitsfeinde haben unter der Hand und unter Merkels Herrschaft längst wieder das Ruder im Land übernommen. Und es sind vor allem die, welche schon unter den Linksfaschisten in der ‘DDR’ leiden mussten und ihre Nachgeborenen, welche sich gegen die aktuell immer dreister auftretende Herrschaft der Unfreiheit aufbegehren und den Anmaßungen einer paternalistischen und betreuten Demokratie etwas entgegensetzen. Die Deutschen müssen es aber begreifen, dass sie es diesmal nur gesamtdeutsch hinkriegen, die Sehnsuchtsträume des deutschen Establishments nach totalitärer Lenkung die Rote Karte zu zeigen. Wir im Westen sozialisierten müssen also bereit sein, von denen zu lernen, die noch vor dreißig Jahren in einer Diktatur leben mussten, welche ihre Bürger wie Vieh oder Schwerverbrecher einsperrte. Das ist nicht leicht, weil viele im Westen meinen, sie bildeten die Speerspitze der Freiheit, aber ohne etwas dabei zu empfinden. Sie haben es sich einreden lassen, die Besseren zu sein. Und das allein besiegelt schon ihre Unfreiheit. Die Freiheit, würde der Österreicher sagen, ist ihnen fad geworden. Sie können Genderismus, Feminismus, Sozialismus, Ökologismus und wenn es drauf ankommt auch Islamismus. Nur Freiheit liegt ihnen nicht. Es fehlen denen aus dem ‘linksliberalen’ Milieu inzwischen schlicht die dazu passenden Gefühle. So regiert der demokratische Untot den deutschen Zeitgeist. Was die Bürger der ‘DDR’ 89 geschafft haben, war die unmittelbare Freisetzung ihres unbedingten Freiheitswillens. Es war so etwas wie der amerikanische Geist, den schon damals ein großer Teil der westdeutschen Linken mit Achselzucken beantwortete.  Nun geht es wieder um nichts weniger als die Freiheit und die Demokratie.

Karla Kuhn / 30.09.2019

“Das Volk wollte Freiheit und zwar Freiheit von der Bevormundung durch kommunistische Greise und durch den sowjetischen Machtapparat. Das gilt auch für die “DDR”. Genau Herr Andreas Rühl.  Besonders für die DDR, denn die Tschechen und die Ungarn durften in den Westen reisen, wenn sie Westgeld vorweisen konnten. Deshalb hatte meine Vermieterin in Prag, die mir für neun Jahre ihre Wohnung vermietet hatte, ihre Stelle als Lehrerin gekündigt,  um im Hotel an der Rezeption zu arbeiten. Denn dort hat sie von den Gästen Trinkgeld meistens in Westwährung erhalten. Damit konnte sie regelmäßig nach München zu ihrer Tochter fahren !!  Übrigens,  in der DDR hatten die Menschen von allen anderen Ostblockländern den höchsten Verdienst und die beste medizinische Versorgung. Am Ende rangierte Rumänien. Der überwiegende Teil der DDRler hatte genug Geld. Ich hatte Glück und bekam meine Klamotten aus dem Westen aber chice Kleidung konnte man auch im Exquisit kaufen. Das SCHLIMMSTE war, wer den Mund nur einen Spalt aufgemacht hat, um seinen Unmut über den verbrecherischen Sozialismus zu äußern, wurde sofort als Staatsfeind verhaftet und wurde zu jahrelangem Knast in unmenschlichen Gefängnissen verurteilt. Und genau diese UNMENSCHLICHKEIT hat am Ende, u. a. ,  das Faß zum überlaufen gebracht.  Die Sachsen waren damals die Vorreiter und wenn ich das letzte Wahlergbnis deuten soll, sind sie es HEUTE WIEDER. Während die meisten “Wessis” es sich in ihrer Komfortzone noch immer gemütlich machen aber trotzdem meckern.

Werner Lange / 30.09.2019

An die ersten “Life-Kontakte” mit (da schon “ehemaligen”) DDR-Bürgern erinnere ich mich noch sehr gut - kurze Zeit nach dem Ungarn die Grenzen nach Österreich passierbar werden liess überholte ich ein paar “Trabbies” auf der Autobahn von München nach Stuttgart. Aus jedem Trabbi wedelte mindestens ein schwarz-rot-goldener Schal, das “DDR”-Zeichen war mit 2 Klebebändern in “D” umgetauft. Den Autoinsassen wurde zugewunken und sie waren sichtlich - würde ich mal behaupten - im 7. Himmel. Die Freude war auf beiden Seiten ungeheuer groß. Noch größer wurde die Freude als Herr Genscher auf dem Balkon der Botschaft in Prag seine bewegende Mitteilung machen konnte. - Und was ist aus dem Allen geworden? Was haben wir alle zugelassen?

Andreas Rühl / 30.09.2019

@ Herr Niemeyer: In den ersten Reportagen wurde das Absingen der Hymne noch gezeigt, wenn ich mich recht entsinne. Ich frage mich nur, ob es die “richtige” Strophe war. Vielleicht ist das der Grund, warum es heute unter den Teppich gekehrt wird. @ Alle, die - jetzt - wissen, was wir an Genschman hatten: Da hat Genscher den größten Tag in seiner Politikerlaufbahn. Und den verhunzt er gründlich rhetorisch, mit seinem “Genschsprech” mit Satzvorreitern und Substanzivstil. Wie einfach wäre es gewesen: “Liebe Landsleute! Ich habe eine gute Nachricht mitgebracht. Ihr dürft alle ausreisen!” So sitzt das Substantiv “Ausreise” irgendwo in der Mitte des Nebensatzes, dessen Ende im Jubel untergeht. Schade eigentlich. Aber, denke ich heute, verglichen mit Maas und Konsorten, was war das für ein feiner und kluger und verantwortungsvoller Mann und Politiker und Patriot!

Emilie Pforr / 30.09.2019

“.........dass sie trotz aller Misswirtschaft und Engpässe, die das Leben im Sozialismus gekennzeichneten, nicht am Hungertuch nagten, sondern endlich ein Ende der Entmündigung, ein Ende der ständigen Lügen und Repressionen wollten. Sie wollten die Freiheit.” Genauso war es, und so konnten wir am Anfang des Sommers 1989 ausreisen, nachdem wir 1987 den Antrag auf Ausbürgerung aus der DDR gestellt hatten. Wir wollten unseren drei Kindern eine Entwicklung und ein Leben in Freiheit bieten.  Die im Text geschilderten Ereignisse haben wir auch im Fernsehen verfolgt und Tränen geweint.  Auch hätten zehn Jahre warten müssen, um unsere Angehörigen und Freunde wiederzusehen, wenn nicht das Entscheidende passiert wäre. Inzwischen ist eine Situation eingekehrt, die uns wieder an diese “alte Zeit” erinnert.  - Das ständige Lügen, die Bevormundung etc. pp.  -  Zum erneuten Ausreisen sind wir jetzt zu alt.  Was wird aus diesem Land??

Rainer Hanisch / 30.09.2019

“Wenn Massen von Werktätigen einen Staat innerlich aufgeben, sogar verachten,  ihm die Arbeitskraft entziehen, muss (!) , nicht kann,  er untergehen. Das wissen DIE nicht,  begreifen es oft lebenslang nicht,  die an einer Wertschöpfung bei Produkten und Dienstleistungen nie unmittelbar teilnehmen.” Das begreifen nicht nur DIE nicht. Jene, die die Werte schaffen leider auch nicht. Jedenfalls nicht im notwendigen Maße. Und, bei aller Glorifizierung der Flüchtlinge, die “mit den Füßen” gegen die DDR-Diktatur stimmten: Wolltet ihr das, was heute als “Freiheit”, “Demokratie” und “Vaterland” ertragen werden muss? Ich glaube, da waren etliche Illusionen aufgesessen. Die Vergangenheit hat wohl so manchen wieder eingeholt: angeblich “freie und demokratische” Wahlen, Meinungs(-un-)freiheit, zweifelhafte Berichterstattung und geschönte Informationen, Mitspracherechte ? Irgendwie ist da so manches aus dem Ruder gelaufen. Ich erlebe immer mehr eine neue Diktatur, statt Demokratie.

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