Rainer Grell / 25.03.2018 / 16:20 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 6 / Seite ausdrucken

Her mit der Kinderquote!

Quoten sind allgegenwärtig. Wir merken es schon gar nicht mehr. Doch dann passierte etwas, das aufhorchen ließ: Der Bundestag verabschiedete am 25. April 2015 das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“. Dadurch erhielt Paragraph 96 Absatz 2 des Aktiengesetzes die hier nachlesbare Fassung.  Vereinfacht gesagt wird da Folgendes festgelegt: Für den Aufsichtsrat von Dax-Unternehmen gilt eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent. Das mag die einen freuen, die anderen ärgern und wieder andere gleichgültig lassen. 

Wie jeder Staat der Gegenwart hat Deutschland eine Fülle von Problemen, deren Lösung sich Politiker auf allen Ebenen staatlichen Handeln pausenlos widmen (sollten). Eines dieser Probleme, das uns schon seit Jahrzehnten beschäftigt, ist „der demografische Wandel, den eine zunehmende Alterung der in Deutschland lebenden Bevölkerung kennzeichnet“, wie das Statistische Bundesamt es formuliert hat. Konkret bedeutet dies: Jedes Jahr sterben mehr Menschen als Kinder geboren werden. Der umgekehrte Fall ereignete sich letztmals 1971: Hier standen 1.013.396 Geburten 965.623 Todesfälle gegenüber, was eine positive Geburtenbilanz von 47.773 ergab. Seither ist die Bilanz ausnahmslos negativ. Dies ist natürlich auch der Bundesregierung nicht entgangen, weshalb diese am 1. Februar 2017 verkündete:

„Der demografische Wandel und seine Herausforderungen sind in Deutschland zu einem zentralen Thema geworden. Die Bundesregierung hat mit einer Demografiestrategie wichtige Veränderungen angestoßen.“

„Die Demografiestrategie wurde 2012 beschlossen und 2015 weiterentwickelt. Die Ziele der Strategie: die Stärkung des wirtschaftlichen Wachstumspotentials, die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land sowie die Gewährleistung solider Finanzen für die Handlungsfähigkeit des Staates und verlässliche soziale Sicherungssysteme.“

Das Wort „Kinder“ kommt in dieser Verlautbarung nur ein einziges Mal vor:

„Die Betreuungsinfrastruktur wurde ausgebaut und weitere Maßnahmen der Familienpolitik umgesetzt. Damit wurden bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie auch für die Erfüllung von Kinderwünschen geschaffen.“

Die Rahmenbedingungen für die Erfüllung von Kinderwünschen mögen tatsächlich verbessert worden sein. An der Problematik hat sich dadurch jedoch nichts geändert, so dass das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung feststellen konnte: 

„Unter Berücksichtigung der demografischen Strukturen ist derzeit nicht vorauszusehen, dass die Zahl der Geburten auf lange Sicht weiter ansteigt. Hingegen wird die Zahl der Sterbefälle voraussichtlich nicht zurückgehen.“

Ich frage mich deshalb, warum die Zahl der Kinder, die eine Bewerberin oder ein Bewerber hat, nicht zum Auswahlkriterium genommen wird. Kinderquote statt Frauenquote. Jedenfalls kann ich nicht erkennen, warum die 40jährige kinderlose Betriebswirtin bei der Besetzung des Aufsichtsrats den Vorzug vor dem Ingenieur mit vier Kindern bekommen soll.

Als Vater von zwei berufstätigen Töchtern und Opa von vier Enkeltöchtern merke ich von der viel beschworenen „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ herzlich wenig. Freundinnen unserer Töchter, die keine Großeltern in der Nähe haben, mussten den Versuch, ihre Arbeit nach der Geburt des zweiten Kindes (halbtags) wieder aufzunehmen, entnervt abbrechen, da die Kleinen natürlich jeden Infekt aus „Kita“ und „Kiga“ mit nach Hause brachten. Und was nützen Betreuungseinrichtungen, die bereits um 14 Uhr schließen, wenn sich eine Sitzung mal länger hinzieht als geplant. Oder jeder plötzliche Durchfall einen Anruf im Büro der Mutter auslöst, die dann möglichst innerhalb der nächsten halben Stunde ihr Kind abholen sollte. Von der komplizierten Ferien- und Urlaubsplanung ganz zu schweigen.

Eine seltsame „Demografiestrategie“. Da machen die Anhängerinnen der „Religion des Friedens“, die ja laut Schäuble, Wulff und Merkel auch zu Deutschland gehört, den Kohl auch nicht fett. Und selbst auf die katholischen Mütter ist kein Verlass mehr, nachdem Papst Franziskus klargestellt hatte: „Manche Menschen glauben – entschuldigen Sie den Ausdruck –, dass sich gute Katholiken wie Karnickel vermehren müssen." Drei Kinder pro Ehepaar seien ideal. Dabei stammt Jorge Mario Bergoglio selbst aus einer Karnickel-Familie: Er hat vier Geschwister.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Karsten Dörre / 25.03.2018

Wenn es nach Gleichberechtigung ginge, müssten in der Warteschlange an der Supermarktkasse immer wechselnde Geschlechter mit Einkaufswagen stehen. Sonst ist immer ein Geschlecht bei der Bedienung benachteiligt.

Karla Kuhn / 25.03.2018

„Der demografische Wandel und seine Herausforderungen sind in Deutschland zu einem zentralen Thema geworden. Die Bundesregierung hat mit einer Demografiestrategie wichtige Veränderungen angestoßen.“  Angestoßen ?? Ich vermute eher bereits umgesetzt !! In meiner Wohngegend jedenfalls höre ich immer weniger Fabians und Kevins aber dafür immer mehr Achmets, Alis, Fatimas. Nicht wenige Frauen fahren ein Kind im Kinderwagen spazieren, vorne auf dem Tritt steht manchmal auch noch eins und rechts und links laufen die älteren Kinder und neuer Nachwuchs ist oft auch schon in Sicht.  Das “zentrale Thema” scheint Frau Merkel im Nu EINS ZU EINS umgesetzt zu haben. Meine Tochter hat VIER Buben großgezogen, sie wohnt mit ihrer Familie weitab von der Stadt auf einem Dorf. Trotz guter Ausbildung hat sich für ein paar Stunden keine Arbeit gefunden, denn Vollzeit war bei dem Betreuungsangebot nicht möglich. Erst als die Kinder größer wurden und in eine Ganztagsschule gehen konnten, wurde es etwas leichter.  Wobei die Betonung auf etwas liegt. Vorstandsetage ?? Soll das ein Witz sein ? Die ganzen “Vereinbarungen” scheinen Träume von Menschen zu sein, die gar nicht wissen, wie die Realität aussieht und die so viel Geld haben, daß sie ihre Kinder auf Privatschulen oder in Internate schicken können, wo diese eine rundum Betreuung bekommen. ....gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land ”  das ist der Gipfel !!  Ich als autolose Person muß mich jedesmal von einem Familienmitglied abholen lassen, weil auf diese Klitsche nur selten ein Bus fährt und am WE überhaupt keiner. Werden wir nur noch vera….. ??? Bei vier Kindern, noch dazu auf dem Dorf,  waren meine Tochter und mein Schwiegersohn im Nebenberuf Chauffeur. Realität scheint in der Politik ein Fremdwort zu sein.

Thorsten Helbing / 25.03.2018

“Das ist alles so gewollt und so läuft der zeitlich flexibel gehaltene Plan” - Jahr für Jahr”. Japan lässt Grüßen? Meine Wenigkeit hat sich vor knapp 20 Jahren in die Nesseln gesetzt. Frau, Kind, Familie… alles ging in die Binsen. Von Schuld spreche ich nicht, 7 Tage arbeiten müssen die Woche ( Sonntags bis 19 Uhr, damit man Montags ab 6 Uhr wieder einsatzfähig ist) war Rainer Zufall, so hieß der damals wohl. Heutezutage, 20 Jahre älter und kein bischen weiser, gestaltet sich die Suche nach der Partnerin für die Erhaltung - freundlich ausgedrückt zur Freigabe des lesenden Zensors - des Volkes und der Rente… schwierig. Ich würde gerne noch einmal durchstarten wollen, sprich Familie und so. Entweder scheint jede Frau passenden Alters völlig durchgeplant, verplant oder eingeteilt zu sein, oder aber ich lebe auf einem fernen Planeten namens “Weiß, Alt, Männlich, NÖ”. Jedenfalls sehe ich in der knappen Freizeit kaum Frauen welche mich interessieren würden, laufen Frauen herum, kann ich das aufgrund der stark zunehmenden Vermummung nicht einwandfrei verifizieren. Wie also die Kinderquote erhöhen? Ahmad, Pinneberg, 2 Ehefrauen, die Dritte in Arbeit sowie das 8. Kind geben die Antwort.

Frank Holdergrün / 25.03.2018

Warum nicht! Mütter sind im Zuge der ganzen postmodernen Gleichmacherei völlig unter die Räder gekommen. Für sie wurde immer nur gesorgt, bewundert, aber selten etwas für ihre Karriere getan. Heute scheint aus der Mutter sogar das Konstrukt einer ganzen Partei geschmiedet: die SPD sorgt sich um nahezu alles, nur nicht um den Erfolg von Müttern. Sie möchte in der nächsten Legislaturperiode vor allem soziale und sorgende Berufe aufwerten, also Mütter weiter traditionelle Mütter sein lassen. Dagegen eine Kinderquote setzen: ja, das macht Sinn. Mütter in Top-Positionen, das wäre ein echter Gewinn. Ich möchte dort keine Frauen mehr erleben, die noch perfektere Männer sind.

Monique Basson / 25.03.2018

Danke für den Denkanstoß. Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen? Auf jeden Fall werde ich in spe jeder Feministin, die eine Frauenquote fordert, Egoimsus vorwerfen und versuchen (hat wirklich noch bei keiner Frau geklappt) ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie nur an sich und nicht an die kommende Generation und die Zukunft unserer Gesellschaft denkt.

Leo Anderson / 25.03.2018

Ich habe noch nie verstanden, warum in Deutschland, einem der dichtest besiedelten Länder Europas, die Abnahme der Bevölkerung ein Problem und Zuwanderung die Lösung sein sollte. In naher Zukunft werden hunderttausende (Millionen?) Arbeitsplätze wegdigitalisiert, und wenn es so weiter geht wie jetzt, werden auch ganze Industrien abwandern. Eine Bevölkerung, die über mehrere Jahrzehnte von 80 auf vieleicht 60 Millionen Menschen schrumft, ist deswegen noch lange nicht zum Aussterben verdammt. Es gibt heute schon weniger Engländer, Franzosen, Italiener, Holländer, Polen usw. als Deutsche. Und - haben die Probleme? Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung kann man auch anders begegnen, als durch planlose Immigration. Man muss sich nur halt mal Gedanken machen. Vielleicht könnte man ja auch etwas von Japan lernen.

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