Vera Lengsfeld / 12.01.2022 / 16:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 36 / Seite ausdrucken

Haben Minister Angst vor den Spaziergängern?

Nur wenige Tage nachdem der Thüringer Innenminister Maier (SPD) die so genannte „Zivilgesellschaft“ dazu aufgerufen hat, es nicht der Polizei zu überlassen, gegen Kritiker der Corona-Politik aktiv zu werden, hat er beigedreht. Die Topmeldung in den Nachrichten von MDR Kultur heute morgen war, dass Maier die aktuelle Verordnung, „genehmigte“ Demonstrationen im Freien  dürften nicht mehr als 35 Teilnehmer haben, aufheben will. Auf dem Erfurter Domplatz könnten sich gut 1000 Teilnehmer versammeln, auf „einem Dorfanger oder in verdichteten Altstädten“ jedoch nicht.

Maier hat immer noch nicht begriffen, dass es im Grundgesetz keine Genehmigungspflicht für friedliche Versammlungen gibt. Ihm geht es darum, die staatliche Kontrolle zurückzugewinnen, indem er Zugeständnisse macht. Das zeigt, dass die Spaziergänge wirken. Allein in Thüringen, berichtet die „Thüringer Allgemeine“, hat sich die Zahl der Orte, an denen Spaziergänge stattfanden, von 54 am 27. Dezember auf 67 am 10. Januar erhöht. Laut Polizeiangaben wären an diesem Januarmontag 20800 Spaziergänger unterwegs gewesen. Allerdings wird diese Angabe von der TA mit dem bemerkenswerten Satz relativiert: „Allerdings schätzen Demonstrationsbeobachter, dass deutlich mehr Menschen unterwegs gewesen sein könnten“.

In der Tat, denn auf der Lokalseite wird die Teilnehmerzahl für Sondershausen mit 100 angegeben, wo ich schon zu Beginn mehr als 150 Spaziergänger gezählt habe und am Schluss mehr als 250 versammelt waren. Sollte in ganz Thüringen ähnlich fehlerhaft gezählt worden sein, waren deutlich mehr als 40 000 Menschen auf der Straße.

"Warum muss Demokratie gegen Krankenschwestern verteidigt werden?"

Wie sehr der Druck wirkt, der von den Spaziergängern entfaltet wird, ist auch in der „Thüringer Allgemeinen“ spürbar. Nachdem Anfang der Woche die TA noch mit peinlicher, politikkonformer Titelseite erschienen ist, zeigt sie plötzlich, dass sie auch anders kann. Auf Seite zwei wurde am heutigen 12. Januar ein langes Interview mit Innenminister Maier abgedruckt, in dem er sich tatsächlich sehr kritischen Fragen von Fabian Klaus stellen muss.

Kostprobe:

„Warum muss Demokratie gegen Krankenschwestern, Studenten, Arbeiter , Rentner etc. verteidigt werden? Das sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.“

Als Maier ausweicht und behauptet, er hätte nie  gesagt, dass es sich bei den Demonstranten „ausschließlich um Rechtsextremisten“ handele, erfolgt die Nachfrage: „…warum ausgerechnet gegen die die Demokratie verteidigt werden muss, die keine Extremisten sind?“

Um sich herauszuwinden greift Maier wieder zur Denunziation: „Wer sich Aufrufen anschließt, die ganz offensichtlich aus dem rechtsextremistischen Bereich oder dem radikalen Querdenkermilieu kommen, der hat den Demokratischen Grundkonsens verlassen.“

Wo das geschehen sein soll, lässt Maier offen, leider fehlt hier eine zweite Nachfrage. Fakt ist, dass es für die Spaziergänge keine Aufrufe gibt. Es handelt sich bei Maiers Einlassung also um pure Verleumdung.

"Maiers Bürgerwehr?"

Am Schluss des Interviews kommt es für den Innenminister knüppeldicke:

„Ganz aktuell warnen Sie vor einer Verrohung der politischen Kultur. Welchen Beitrag leisten Sie selbst, wenn Sie in einer aufgeheizten Stimmung dazu aufrufen, Widerstand gegen die Protestler zu leisten?“ Maier weicht aus, sein Appell wäre nicht als Aufruf zur Gewalt zu verstehen gewesen.

Nachfrage: „Sie haben auch gesagt, dass dürfe nicht allein der Polizei überlassen werden. Damit verschieben Sie das Gewaltmonopol des Staates“. So wollte es Maier nicht gemeint haben und verweist ungeschickterweise auf ein „Angebot von Leuten, die wollten mich beschützen, als vor meinem Haus aufmarschiert werden sollte“. (Man beachte den mehrfachen Konjunktiv).

Nachfrage: „Maiers  Bürgerwehr?“ Auf diese Schlagzeile will der Innenminister dann doch lieber verzichten.

Das TA-Interview beweist, dass es noch kritischen Journalismus gibt. Die Kunst, Politiker mit ihren eigenen Widersprüchen zu entlarven, ist noch nicht tot.

Das dieses Interview erschienen ist, ist den Montagsspaziergängern zu verdanken. Sie dürfen jetzt nicht nachlassen!

Foto: Olaf_Kosinsky CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

netiquette:

Hans Kloss / 12.01.2022

Ich gehe immer noch demonstrieren,  am Samstag ziehen wir durch die Straßen. Ich werde auf Spaziergänge umschalten wer der grüne OberbürgermeisterEnde das verbietet.

Bernd Broschat / 12.01.2022

Wenn es auch nur einen Impftoten,nur einen mit schwersten Nebenwirkungen gibt. Wenn ich auch nur einen Demoteilnehmer sehe,der nicht rechtsradikal ist,so will ich Maier heissen…..........

Sirius Bellt / 12.01.2022

Mittlerweile freut man sich über kritische Journalisten und ehrliche Zahlen. Das sollte eigentlich die Regel sein. Bei unseren friedlichen Spaziergängen explodieren die Teilnehmerzahlen geradezu von Woche zu Woche. Na klar, gehe ich weiterhin mit lauter normalen und anständigen Mitbürgern auf die Straße. Jeden Montag. Immer und immer wieder.

Silas Loy / 12.01.2022

Ein Innenminister, der zu Gegendemonstrationen aufruft, hat den Demokratischen Grundkonsens verlassen und zudem explizit sein Amt beschädigt. Aber zu seinem Glück funktioniert die politische Hygiene in Schland schon lange nicht mehr.

Uta Buhr / 12.01.2022

Keine Feier ohne Maier. Der Typ sollte sich unter die Spaziergänger mischen und sich deren Anliegen anhören anstatt in den sattsam bekannten Verbotsmodus zu verfallen. Dem Volk einfach aufs Maul schauen, wie Luther es weiland empfahl. Das ist gelebte Demokratie. Maierchen, nerven Sie die Bürger doch nicht weiter mit Herumgeeiere und dümmlichen Worthülsen. Die sind total kontraproduktiv. Für meine gute Tipps verlange ich nicht einmal ein Honorar!

Th. Stoppel / 12.01.2022

Ich habe immer meine Zweifel, wenn vom Gewaltmonopol des Staates geschrieben oder gesprochen wird. Nun sind wir alle der Staat und ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Mitmenschen mit der Art und Weise im Umgang mit den “Spaziergängern” einverstanden sind. Wenn gerade aus Thüringen solche Aussagen getätigt werden, wie im Interview, sollten bei allen Demokraten die Alarmglocken läuten. An die Macht gekommen durch die Steigbügelhalterin Merkel und Verschiebung der geplanten Frühling-Landtagswahl auf den Herbst, glaube ich nicht an demokratische Verhältnisse in Thüringen, vielmehr hat sich dort eine Sozi-kommunistische Nomenklatura etabliert, die ungern die Macht aufgeben möchte. Und hiermit möchte ich auf meine Anfangszweifel zurückkommen, nicht der Staat hat das Gewaltmonopol sondern die jeweils regierungsausübende Politikerkaste. Das ist meine persönliche Meinung.

Dirk Jungnickel / 12.01.2022

Maier heißt der Mann ?  Man wird ihn sich trotzdem merken müssen !!!!

Gert Köppe / 12.01.2022

@Peter Reindl: Der Spruch “Wer hat uns verraten…......” ist ja vollkommen richtig, doch wann bekommen das denn auch endlich mal die beknackten Sozen-Wähler mit? Sind die denn alle blind, taub und können nicht lesen? Was muss denn noch passieren bis die endlich merken das sie von dieser Partei permanent in den @rsch getreten werden?

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