Die Grünen haben Fracksausen. Seit sie echte Verantwortung vom Wähler übertragen bekamen, merkt man ihnen ein gewisses Unwohlsein an.
Es sieht wie ein Fremdeln mit der Bringschuld aus, die so realitätsnah ist, dass es einen (Grünen) grausen muss. Denn die Bringschuld belohnt die Macher und entlarvt die Dampfplauderer, Träumer und praxisfernen Theoretiker. Normale Härte. Die Leute da draußen, außerhalb der gut geheizten Reichstagskuppel, nennen das kalte Wirklichkeit.
Denn es geht ums Geld der Bürger, den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmer, um Wertschöpfungs-Ideen für den Standort Deutschland, um Zukunftsfähigkeit, Energiesicherung und den bescheidenen Wohlstand von Kleinverdienern, die beispielsweise von den explodierenden Energiekosten am härtesten getroffen werden. Diese Leute müssen zusätzlich Angst um ihren Job haben, wenn die Pläne der Grünen ganze Wirtschaftszweige infrage stellen und das Land in eine Dreifelderwirtschaft mit Windpark transformiert wird.
Also geht es eigentlich um gesellschaftliche Gerechtigkeit, die von der Klima- und Energiepolitik reichlich in Unwucht gebracht wird – auch um vieles mehr, was mit Bevormundungen, Behinderungen und Einschränkungen im täglichen Leben einhergeht, mehrheitlich für Leute, die diese Partei nicht gewählt haben. Da müssen die Grünen nicht nur gut aussehen vor ihrer eigenen Klientel, sondern sie müssen sich neuerdings vor den Lebensmittelkäufern, den Pendlern, den Bauherren, den Verbrauchern und Produzenten von Waren in toto erklären. Und Robert Habeck zeigt schon mal mit einem rhetorischen Rohrkrepierer, wie das nicht geht: „Ich sehe keine Schmerzgrenzen, sondern Wachstumsfreuden.“
Die Machbarkeit setzt ihnen Grenzen
Dabei sind die Grünen doch ausgesprochene Emotionsmenschen, die die großen Gesten, die Weltrettungsentwürfe und das Pathos inniger Umarmungen schon immer für ausreichende Politik hielten. Sie glauben tatsächlich, Idealismus sei Ersatz für Realismus und Realität. Das macht sie zu den gefährlichsten Toren in diesem Land.
Die Machbarkeit setzt ihnen Grenzen, das wissen manche klugen Grünen auch selbst. Aber sie wollen dennoch nicht wahrhaben, dass die normative Kraft des Faktischen soziologisch, medizinisch und wirtschaftlich irgendwann zuschlagen wird, egal wie häufig man den Sonnengruß auf Balkonien zelebriert, eine kalte Möhre als Fest der Enthaltsamkeit preist, oder glaubt, den Klima-Tod mit einer Phalanx an Verboten verhindern zu können.
Die Grünen fühlen sich unverstanden in dieser Realität des Faktischen, wo außerhalb der künstlichen Oppositionsblase das Ursache-Wirkung-Prinzip noch Geltung hat. In dieser Blase durfte man – geschützt vor der Verantwortung – jeden noch so dünnen Geistesaufguss als intellektuelle Leistung achtsamer Menschenfreundlichkeit verkaufen, weil man nie aufgefordert war zu liefern. Nun stehen die Grünen im Freien, vor der Bevölkerung, vor Europa und der Weltbühne, die ihnen alle beim Dilettieren zusehen und feststellen dürfen, wohin diese Pseudo-Achtsamkeit führt.
Was aber wirklich menschenfreundlich ist, bestimmen nicht die hochnäsigen Jahrhundertpläne der Grünen, sondern die unmittelbaren Auswirkungen einer klugen Politik, die Wohlstand garantiert. Aber wenn genau das nicht das Ziel ist, sollten die Grünen doch endlich sagen, welche Entbehrungen wir erdulden müssen, statt uns weiszumachen, es handele sich bei dem von ihnen angeschobenen Wohlstandsverzicht um eine nicht zukunftsrelevante Bagatelle. Die Menschheit existiert aber jetzt und will es warm haben, will reisen und will feiern.
Die Grünen sind geizig mit dieser Art Wohlfahrt. Sie sind eine weltanschaulich-verbiesterte Partei, die ihre Moralpredigten und Verdikte wie eine Geißel schwingt. Da bleibt die Menschenfreundlichkeit leider auf der Strecke. Aber sie gönnen halt nicht gern: nicht den Verbrauch, nicht den Genuss und den Luxus, nicht die Freiheit, all das in Anspruch zu nehmen, und nicht das Recht, einfach den Gehorsam zu verweigern. Die Sünde hat wieder Einzug in die Politik gefunden. Und es gibt sie wieder, die Verstoßenen, Heiden, Ungläubigen, Sünder. Die Grünen segnen diese Menschen nicht, genau wie ihre Spießgesellen aus den Landeskirchen. Man wünscht ihnen Fracksausen.
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