Roger Letsch / 24.06.2021 / 14:00 / 22 / Seite ausdrucken

Greenpeace – die Guten, nicht die Bösen

„Wir sind die Guten, nicht die Bösen“ ist nicht nur ein leicht infantiler Spruch von Anton Hofreiter, dieses Motto steht auch quer im Hirn jedes Greenpeace-Aktivisten geschrieben. Und weil gute Menschen nun mal nur Gutes tun können, umweht jede Aktion dieser NGO heute ein Hauch von Legitimität. Doch im Gegensatz zu früheren Zeiten, als Regierungen und Firmen sich noch in Opposition zu den Aktivisten befanden, als man bei Aktionen gegen Walfänger oder französische Atombombentests noch mit „Skin in the Game“ dabei war, scheint Greenpeace heute Mühe zu haben, sich an die Spitze eines Zeitgeistes zu setzen, der ohnehin und breit in die gewünschte Richtung strömt. Die Aktionen werden also wahnwitziger, abstrakter und kommen gleichzeitig jenen Menschen unangenehm nahe, die man vorgibt, retten zu wollen. Ein abgedrängtes Harpunenboot ruft bei Beobachtern weniger Empathie hervor als etwa ein Radfahrer, der sich in Berlin auf absichtsvoll ausgekippter gelber Farbe fast das Genick bricht.

Über die Greenpeace-Aktion vom 15.6.2021, als kurz vor dem EM-Spiel Frankreich –Deutschland ein Aktivist per Gleitschirm im Münchner Stadion landete und dabei zwei Menschen verletzte, ist viel geredet worden. Am meisten von Greenpeace selbst, wo man merkte, wie wenig Sympathie mit derlei gefährlichen Stunts zu gewinnen ist. Auch das trotzige und wiederholte Aufstampfen gegen den auserkorenen Gegner Volkswagen, einen Bösewicht, der sich nicht mal zur Wehr setzt wie ein Walfänger, sondern sich für jede Aktivistenklatsche noch brav bedankt, hat etwas Manisches, Ich-bezogenes. 

Als sich die erste Empörung über den Luftangriff per Gleitschirm gelegt hatte und die ersten gestammelten Entschuldigungen eintrudelten, kam plötzlich eine andere Dimension ins Spiel: die der Terrorabwehr. Dass der Gleitschirmpilot nur durch die Aufschrift „Greenpeace“ auf seinem Fluggerät dem Abschuss entgangen war, ließ die Aktion im Nachhinein noch deutlicher als Quadratdummheit erscheinen. Eine Ausrede musste her, und die wurde von den Medien teils sehr bereitwillig aufgenommen. Schon am Tag nach dem Vorfall hieß es von Greenpeace erklärend: Es war ein Unfall. Es habe technische Probleme mit der Steuerung gegeben, die Landung sei somit eine Notlandung und nie so geplant gewesen. Der Pilot hätte lediglich einen großen Latexball ins Stadion abwerfen sollen und nicht selbst ins Stadion fliegen. Das kann man so glauben, doch ein aufmerksamer Achgut-Leser stellte sich die Frage, warum die offizielle Presseerklärung von Greenpeace vom 15.6. folgenden Wortlaut enthält: 

„Kick Out Oil“ steht auf dem Gleitschirm, der kurz vor Anpfiff auf dem Spielfeld landete. Den gleichen Slogan trägt der ein Meter große Latexball, der durch das Stadiondach zum Mittelkreis schwebte.“

In diesem Text stehen beide Ereignisse, die Landung des Gleitschirms und des Balls, als gleichberechtigt, zusammenhängend, geplant und in der Vergangenheitsform beieinander. Wenn die Meldung tatsächlich nach der Aktion geschrieben wurde, wieso wird der „Unfall“ nicht erwähnt, wenn der Plan doch angeblich ein gänzlich anderer war? Wenn die Pressemeldung – und das ist wahrscheinlicher – schon zu einem früheren Zeitpunkt vorbereitet war, wieso enthält sie dann nicht eine Darstellung des angeblich geplanten Überfluges und berichtet stattdessen von einer Landung? Folglich ergibt entweder die Pressemeldung oder die Entschuldigung keinen Sinn. Dass es sich bei letzterer um eine glatte Lüge handeln könnte, mit der man sich aus der Verantwortung für eine völlig aus dem Ruder gelaufene, dumme Aktion stehlen möchte, kann natürlich nicht sein. Denn Greenpeace gehört bekanntlich zu den Guten, nicht zu den Bösen. 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

John Locke / 24.06.2021

Wieso wird es so bereitwillig von den Medien akzeptiert, dass der Flieger allein durch den Schriftzug „Greenpeace“ auf seinem Fluggerät dem Abschuss entgangen sei? Ist die Terrorabwehr wirklich so einfältig? Was viel einleuchtender wäre, aber gleichzeitig viel ungemütlichere Fragen aufwirft: Die Polizei wusste genau Bescheid, dass es sich tatsächlich um ein Greenpeace-Mitglied handelt, und hat eben deshalb auch nicht geschossen. Oder wie anders kamen im Jahr 2020 Greenpeace-Mitglieder auf das Dach des Reichstags, wenn nicht durch Verbündete in der Regierung, die genau über ihr Treiben Bescheid wissen. Mal abgesehen davon: Wann ist denn der richtige Zeitpunkt, einen Angreifer mit Gleitschirm abzuschießen? Wenn er bereits über dem Stadion ist, würde er mit Bombe genau hineinfallen, wenn er noch neben dem Stadion fliegt, weiß niemand, ob er wirklich einen Angriff plant.

Volker Kleinophorst / 24.06.2021

Also deutlicher als, mit einem Dieselmotor eingeflogen, kann man sich bei diesem Auswuchs der alltäglichen Idiotie nicht lächerlich machen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Roger Letsch / 02.05.2024 / 06:10 / 64

USA: Ein Trump-Attentat-Förderungsgesetz

In ihrem Furor gegen den amerikanischen Ex- und möglicherweise Zukunfts-Präsidenten Donald Trump ziehen seine politischen Gegner mittlerweile sämtliche Register – bis dahin, seine körperliche Unversehrtheit…/ mehr

Roger Letsch / 24.04.2024 / 12:00 / 58

Meuterer auf der Energiewende-Bounty

Es wird viel über den Rückbau der Gasnetze diskutiert. Bei den Kostenbetrachtungen wird aber meist vergessen: Wenn die eine Infrastruktur rückgebaut wird, muss eine andere her,…/ mehr

Roger Letsch / 01.04.2024 / 12:00 / 58

Der große Lastenfahrrad-Test

Der Versuch einer Jugendgruppe, die nachhaltige Kaffeeversorgung der Kreisstadt Eberswalde per Lastenfahrrad-Ferntransport sicherzustellen, führte zu aufschlussreichen Erkenntnissen. Wir leben in aufregenden Zeiten, denn dank unserer…/ mehr

Roger Letsch / 27.03.2024 / 06:00 / 81

Die „Young Leaders“ werden vom Himmel geholt

In den letzten Jahren brillierten im Westen junge, aktivistische Politiker mit woker Superkraft. Nun disqualifiziert sich einer nach dem anderen selbst. In vielen westlichen Staaten…/ mehr

Roger Letsch / 11.03.2024 / 06:00 / 89

Das Phänomen Trump und die deutsche Angst

Er ist wieder da! Und in Deutschland zittern die Medienschaffenden beim Gedanken an Donald Trumps Rückkehr an die Macht. Das Grinsen von Heusgen und Maas bei der…/ mehr

Roger Letsch / 07.03.2024 / 06:00 / 55

Wer die Demokratie wirklich rettet

Demokraten-Darsteller versuchen, die Demokratie mit undemokratischen Mitteln zu retten. Doch Gerichte und Institutionen wachen langsam auf – vom Supreme Court in USA bis zum Wissenschaftlichen Dienst des…/ mehr

Roger Letsch / 05.03.2024 / 16:00 / 7

Die schiefe Verachtung nach unten

Alexander Wendt analysiert in seinem neuen Buch die Entwicklung des Kulturkampfes und zeigt auf, wie man sich dagegen wehren kann. Das macht fast ein bisschen optimistisch.…/ mehr

Roger Letsch / 20.02.2024 / 14:00 / 33

Die Risiken und Nebenwirkungen des Trump-Urteils

In New York ist Donald Trump zu einer bemerkenswert hohen Strafzahlung verurteilt worden. In dem Eifer, Trump zu schaden, riskieren die Akteure eine verhängnisvolle Entwicklung.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com