Manfred Haferburg / 31.03.2021 / 06:00 / Foto: Benoit Rochon / 190 / Seite ausdrucken

Gib niemals auf – Bilanz eines Ossis im 16. Jahr Merkel

Ich bin und bleibe ein Ossi, ob ich will oder nicht. Ich bin in die DDR hineingeboren worden, ohne es mir aussuchen zu können. Ein halbes Leben, bis Ende 1989, sehnte ich mich nach Freiheit. Ich ging für diese Sehnsucht nach Freiheit ins Gefängnis. Mein Wunsch nach Freiheit hätte mich fast das Leben gekostet. Dann kam die Wende. Eine „echte Wende“, vom Volk gewollt und unter Risiko für Leib und Leben eingeleitet. Wie war ich glücklich und froh, endlich frei zu sein. Wie war ich beseelt, mir endlich eine Weltanschauung erwerben zu können, indem ich plötzlich die Freiheit hatte, mir die Welt anzuschauen. Freiheit wurde mein höchstes Gut.

Dann kam die Ossi-Frau Dr. Angela Merkel an die Macht und leitete leise und unauffällig eine Vielzahl neuer Wenden ein, die an der Freiheit nagten. Viele klein und kaum bemerkt, einige groß und verheerend. Und die Saat, die sie säte, fand einen fruchtbaren Boden vor, am fruchtbarsten in den alten Bundesländern. Mein Ossi-Unterbewusstsein witterte bald Gefahr. Doch ich wollte es nicht wahrhaben. Denn ich bewunderte die mächtige Ossi-Frau am Anfang noch.

Aber weil der Mensch nun mal nicht Herr im eigenen Hause ist, trieb mich mein Unterbewusstsein weg aus Deutschland, nach Frankreich. Hier lebe ich seit 20 Jahren und habe gelernt: Es ist auch hier wahrlich nicht alles Gold, was glänzt. Aber aus der Distanz beobachte ich mehr und mehr erschüttert, was in meinem Vaterland vor sich geht. Hochmut, Gigantomanie und Inkompetenz haben sich in Deutschland die Demokratie unter den Nagel gerissen. Das Klima ist zur Religion geworden und die politischen Machthaber zu ihren Sektenführern. Das größte Parlament der Welt – bezogen auf die Bevölkerungszahl viermal so groß wie der chinesische Volkskongress – degeneriert zur Quasselbude, wo die Opposition zusammen mit der Regierung gegen die Opposition opponiert und unterhalb des Radars der Öffentlichkeit eine demokratie-erodierende Entscheidung nach der anderen zum Nachteil der Deutschen durchwinkt. Zum Einstieg in die europäischen Schuldenunion brauchte der Bundestag gerade mal 38 Minuten „Diskussion“.

Die Deutschen, ein zutiefst gespaltener Haufen

Ein Großteil des Journalismus ist zur Hofberichterstattung verkommen. Aus dem stolzen „Sturmgeschütz der Demokratie“ wurde eine Gulaschkanone Merkels. Edle Kirchenfürsten werden zu Hofschranzen des heidnischen Zeitgeistes. Sie legen feige die Kreuze ab, sie schänden wehrlose Ministranten und dienen sich der Regierung für Geld an. Viele Wissenschaftler werden zu willfährigen Scharlatanen, die vieles wirklich besser wüssten, wäre da nicht das dringend benötigte Fördergeld und die kleine Chance auf das Konterfei auf dem Titelblatt. Der einstige Volksfreund und Helfer, die Polizei, wird zum übergriffigen Büttel degradiert, enteiert, kaputtgespart und macht sich lächerlich. 

Und das deutsche Volk erst! Das Volk! Ich fasse es nicht. Es wurde zu einem zutiefst gespaltenen Haufen. „Wir sind mehr“-Linke gegen zu Nazis ernannte Konservative, #metoo-Emanzen gegen „alte weiße Männer“, Neider gegen Reiche, Zensoren gegen Andersmeinende, Radfahrer gegen SUV-Fahrer, Corona-Ängstliche gegen Querdenker, Denunzianten gegen Nachbarn…  Zu viele sind bereit, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Die Spaltung führt die zerrissene Gesellschaft mehr und mehr in einen schwelenden Bürgerkrieg.

Es ist zu spät. Wahlen können nichts mehr bewirken. In der DDR nannten wir Wahlen auch Falten. Weil der Zettel nicht durch den Schlitz der Urne passte, musste er mittig einmal gefaltet werden. Das war die eigentliche Wahlhandlung. Anzukreuzen gab es bei der sozialistischen Einheitsfront nichts mehr, es standen ja schon alle Mächtigen drauf. Heute wagen es nur Wenige, die einzige Alternative zur sozialistischen Einheitsfront zu wählen, zu wirksam ist das Stigma.

Also wählen die Leute wie Lemminge die Enteignung ihrer Ersparnisse, die Abschaffung ihrer Autos, das Ende ihrer Einfamilienhäuschen, die Rationierung ihres Stroms und die Abschaffung ihrer verbrieften Rechte. Und es ist völlig egal, ob sie schwarz, grün, rot, dunkelrot oder gelb wählen, sie bekommen Merkel und ihre Wiedergänger.

Die Aufklärung wird in Deutschland gerade wieder überwunden

Man kann Angst bekommen vor einer deutschen Gründlichkeit, die besonders das Falsche so gründlich macht. Die Deutschen wissen mal wieder, was gut für die Welt ist. Die Aufklärung wird in Deutschland gerade wieder überwunden. Es geht mit großen Schritten zurück in Richtung Mittelalter. Ein Virus wird hysterisch mit mittelalterlichen Mitteln bekämpft, wie einst Pestilenz und Aussatz bekämpft wurden – durch Isolation und Einschluss in eine Wohn-Haft. Der Infektion verdächtigte Bürger werden zu isolierten Aussätzigen.

Und wer seinen Menschenverstand benutzt, wenn auch nur, um das Offensichtliche zu denken, der wird als Klima- oder Corona- oder was-weiß-ich-Leugner etikettiert, von sich als Ankläger, Richter und Henker aufführenden Ideologen „Rechtsradikaler“ genannt und an einen Pranger gestellt. Der Pranger ist heute nicht mehr ein Brett mit drei Löchern für Hals und Arme, sondern eine hysterische Öffentlichkeit, die den Etikettierten mit einem wörtlich übersetzt „Scheißesturm“ überzieht.

Ist der fäkale geistige Unrat vorübergezogen, dann bleibt der Bedauernswerte als stinkender Aussätziger gebrandmarkt, und seine Existenz wird systematisch vernichtet. Internet und Medien als mittelalterlicher Scheiterhaufen, auf dem „Sünder“ und „Leugner“ symbolisch verbrannt werden. Die dabei benutzte Etikettierungs-Terminologie ist entlarvend und ohne jeden Respekt: Leugner, Sünder, Muffel, Querdenker, Idiot, Verschwörungstheoretiker…

Vielen Politikern mangelt es an Bildung, Geschmack und Stil. Dafür mangelt es ihnen nicht an Selbstüberschätzung. Sie haben Visionen, aber keine Zukunft. Sie zerstören, weil es so unendlich viel einfacher ist, zu zerstören, als aufzubauen. Sie verhunzen die deutsche Sprache mit Gendersternchen, gekünstelten Sprechpausen, Binnen-Großschreibung, um den Leuten einzureden, dass es keine Weiblein und Männlein gibt. Dies tun diejenigen, die gleichzeitig Quoten für die Weiblein fordern.

Sie verhunzen unser freundliches Lächeln mit Stofffetzen. Die Windel vor der Nase dient nur einem Zweck: unsere Unterwerfung unter ihre Allmachtsfantasie öffentlich zu signalisieren. Die Maske dient dazu, die Gehorsamen von den Rebellen zu trennen, wie einst der Geßler-Hut auf der Stange. Was in der DDR das Parteiabzeichen am Revers war, ist heute der Kaffeefilter im Gesicht. Peter Altmaier, Helge Braun und Angela Merkel wollen, dass solche Seuchenlappen das neue Normal werden. Diese Gespensterbahn meint, die Ausbreitung eines Virus oder das Klima im Jahre 2100 kontrollieren zu können. Doch wie viele im schwarz-roten Gruselkabinett haben sie nicht mal ihren eigenen Leibesumfang unter Kontrolle.

Ossi-Frust über die unendliche Schafsgeduld vieler Wessis

Die Eiskunstläuferin Katarina Witt war einst das schönste Gesicht des DDR-Sozialismus. Auf Facebook bringt sie die Meinung vieler Ossis auf den Punkt: „Die Ähnlichkeit ist verblüffend, was man im Namen „zum Wohle des Volkes“ so kollektiv, früher im Sozialismus und gegenwärtig im Kapitalismus, in so kleinem Kreise einfach durchsetzen kann! Ich mag es gar nicht aussprechen, aber ein kleines Teufelchen auf meiner Schulter flüstert mir fast schelmisch ins Ohr – „Willkommen zurück in der DDR“. Es ist für mich nicht der geringste Triumph, feststellen zu müssen, dass ganz Deutschland ein Jahr lang, mal einen Hauch davon verspürt, wie es ist, von einer Handvoll Regierungsmitgliedern bestimmt, gelenkt und beeinflusst zu werden.“

Da schwingt ein leiser Ossi-Frust über die nicht enden wollende Schafsgeduld vieler Wessis gegenüber der Einschränkung der Freiheitsrechte und der Unfähigkeit der Merkel-Entourage mit. Mich bewegen ähnliche Gefühle.

Wenn ich mich frage, was die Ossi-Frau Merkel dazu bewegt, mit solcher Verbissenheit die Karre an die Wand zu fahren, kommen mir seltsame Ideen. Sie, die brillante Machtstrategin, ist mindestens seit zehn Jahren in der falschen Partei und will zu guter Letzt dieser Partei ihres Herzens zum Sieg verhelfen. Das wäre auch eine süße kleine Rache an all den unfähigen Hofschranzen von der CDU. Vielleicht will sie sogar der Herrin der Kobolde den Weg zu ihrem freiwerdenden Kanzlersessel ebnen. Denn dann kann sie sich beobachtend zurücklehnen und den Deutschen schelmisch lächelnd sagen: „Seht Ihr, das habt Ihr nun davon. Jetzt sehnt Ihr Euch nach mir zurück“.

Noch ein Nachtrag. Mein Lieblingsgesundheitsexperte, der „talking dead“ von der SPD, sucht publikumswirksam eine neue Liebe. Er bedauert aber, durch seinen unermüdlichen Einsatz zur Rettung der Bevölkerung vor dem Corona-Tod nicht genügend Zeit zu haben. Ich hätte da vielleicht eine hilfreiche Idee: Er kann ja mal bei Norbert Walter-Borjans nachfragen, ob der ihm seinen Platz in der Doppelspitze der SPD überlässt. Vielleicht kommt dann ja die Liebe ganz von selbst. Auch rein optisch würde es hervorragend passen.

 

Foto: Benoit Rochon CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Stefan Werner / 31.03.2021

Sehr geehrter Herr Haferburg, Sie haben in den letzten 2 Jahren aus mir, einem langjährigen Kernkraft-Gegner, dank ihrer brillanten Texte einen im verborgenenen wirkenden Kernkraft-Befürworter gemacht. Dafür gebührt Ihnen mein herzlicher Dank. Ja, auch ich habe so ein mulmiges Gefühl in Anbetracht von allem, was sich so zusammenbraut. Unsere kommunistische Pfarrerstochter öffnet die Scheunentore Ihres Kanzler-Amtes mangels Alternativen ganz weit für Annalena oder Robert. In einem Jahr haben wir dann eine Regierung, die einfach nur für ihre Vorhaben der Blaupause ihrer Vorgängerin folgen muß: Prohibition für alles, was irgendwie CO 2 ausgasen könnte, Abschaffung des Eigentums und andere Lieblingsprojekte. So, wie es aussieht, hätten wir uns vor 30 Jahren besser mit Polen oder Ungarn vereinigen sollen.

Bernd Meyer / 31.03.2021

Sie sind gold-richtig in Frankreich. Nennen Sie es geduldete und geduldige Ehrenrettung. Darauf kann man immer bauen. Ich hoffe, Sie haben tolle französische Freunde.

Emmanuel Precht / 31.03.2021

In einem dunklen Haus, ein Dachfenster ist wie von Kerzenschein erleuchtet, in den späten 80ern wird dieser Satz gesprochen: “Natürlich bekomme ich das hin, aber es kann ein paar Jahrzehnte dauern, Erich.” Wohlan…

Sascha Peau / 31.03.2021

Der Autor beklagt Spaltung und badet sich dennoch selbst in Spaltung: “Wir Guten & Schlauen auf der einen Seite und auf der andere Seite (insbesondere in der Politik) die Horde an Männern mit den Narben unter den Augen, den Glatzen, den grauen Anzügen mit geschlossenem Kragen und den weissen Katzen auf dem Schoß. Besonders deutlich wird das beim Thema Maske: “Die Windel vor der Nase dient nur einem Zweck: unsere Unterwerfung unter ihre Allmachtsfantasie öffentlich zu signalisieren”.  Schon aufgefallen, dass die Bösewichte selbst Maske tragen? Wenn es um diabolische Unterwerfung ginge, würden nur die Untertanen Masken tragen, die Obrigkeit jedoch nicht.

Uwe Schäfer / 31.03.2021

Sehr geehrter Herr Haferburg, mir geht es zu 100 Prozent wie Ihnen. Ich hoffe zwar ständig, dass die Leute aufwachen, aber es wird wohl nichts werden. Ich versuche seit Jahren meinen Bekanntenkreis dazu zu ermuntern sich zu informieren, sich selbst eine Meinung zu bilden, umsonst. Sie kapieren es nicht. Teils weil sie zu faul zum lesen kritischer Artikel sind, teils weil sie zu viel zu cool (vollverblödet) sind. Sie meinen sogar, die Gottgleiche und ihre Hofschranzen würden es doch ganz gut machen, eine “Krise” nach der anderen recht gut bewältigen. Das diese alle hausgemacht, künstlich erzeugt und mit voller Absicht herbeigeführt sind, sie sind schlicht zu blöd es zu kapieren. Oh Mann!

Iris Rehborn / 31.03.2021

Lieber Herr Haferburg, vielen Dank für Ihre Sicht von außen! Es treibt mir die Tränen des Zorns in die Augen ob der Fakten, die Sie zusammen getragen haben! Davon ist nicht einer falsch! Aber die deutschen Lemminge wachen erst auf, wenn sie schon im freien Fall sind und der Aufprall wird grausam. Ich bin Wessi und habe schon so einiges in meinen 67 Lebensjahren durchgestanden. Aber an eine solch verkommene, diktatorische Regierung kann ich mich nicht erinnern. Vor allen, weil diesen Personen jegliches Demokratieverständnis fehlt. Hinter vorgehaltener Hand murrt der Bürger und trotz argumentieren, beweisen und reden gehen nur wenige auf die Barrikaden. Wo geht es hin? Wenn die Schlafschafe aufwachen, wenn sie aus ihrer Komfortzone rausgeschmissen werden befürchte ich schlimmes. Denn was die Deutschen machen, machen sie gründlich. Ich hoffe immer noch, dass es ohne Gewalt gelingt wieder in demokratisches Fahrwasser zu kommen, aber es wird nicht so einfach. Die Karre steckt schon zu tief im Dreck! Aber: die Hoffnung stirbt zuletzt!

Helge Lange / 31.03.2021

Danke für diesen Artikel! Ich bin selbst Ossi und würde fast alles unterschreiben, was da steht. Ja, wenn jemand merkt, was hier läuft, dann sind es wir Ossis, weil man die Dinge einfach wiedererkennt. Aus diesem Grund arbeitet die Propaganda auch so eifrig an einem Wiederaufbau der Mauer, diesmal in den Köpfen. Es tut jedenfalls gut, dass es wenigstens eine kleine Minderheit gibt, die die Tatsachen erkennt und ausspricht.

Olaf Kämmerer / 31.03.2021

Großartig geschrieben Herr Haferburg, ich bin selbst in der DDR aufgewachsen, war 19Jahre alt als es zur Wiedervereinigung gekommen ist, Die Beschreibung passt perfekt, genauso sind meine Gefühle, meine Gefühle, meine Stimmung gegenwärtig. Herzlichen Dank! Dies ist nicht mehr das Land, wo wir 1989 hin wollten.

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