Die Einführung des „Gesundheitspasses“ in Frankreich geht mit enormen Protesten seitens der Bevölkerung einher. Doch was genau bringen die neuen Regeln eigentlich mit sich?
Von Cornelia Messmer.
Grenzgängerin zwischen zwei Ländern, zwei Völkern, zwei Sprachen zu sein, ist für mich seit 40 Jahren eine Entdeckungsreise. Nie war mir meine deutsche Heimat näher als in der Fremde sowie auch ich mich erst unter Fremden selber fand. Marseille, Paris, Strasbourg, jedesmal neu, ein Herantasten an die subtilen sprachlichen und regionsbedingten Unterschiede, bedingt durch Geschichte und Abstammung der Bewohner dieser Departements.
Seit 20 Jahren vermittle ich im Elsass die Kunst der deutschen Sprache an Schüler der Oberstufe und an Erwachsene, davor war ich in Marseille 20 Jahre im französischen Gesundheitswesen als medizinisch-technische Assistentin tätig.
Zwei Seelen trage ich nun in meiner Brust, deswegen ist es mir ein Anliegen, in Deutschland über Frankreich und in Frankreich über Deutschland zu berichten.
Wir leben gerade in einer außergewöhnlichen Zeit, exakte Informationen sind wichtig. Die letzten Tage gab es zu meiner Freude in der deutschen Presse endlich wahrheitsgetreue Informationen über die aktuelle Lage in Frankreich, was leider nicht immer der Fall ist.
Dem guten Bericht über die Situation in Frankreich von Manfred Haferburg möchte ich nichts beifügen, bis auf eine Übersetzung der offiziellen Regierungsanordnung über die aktuellen Regelungen in Frankreich. Der Leser wird somit noch besser verstehen, warum die Bürger Frankreichs trotz der hochheiligen zweimonatigen Ausnahmesituation im Juli und August, da landesweit alle Schulen geschlossen sind und die meisten Franzosen irgendwo Urlaub machen, trotzdem auf die Straße gehen. Die neuen Regelungen wurden am 12. Juli um 20 Uhr von Emmanuel Macron in einer Fernsehansprache angekündigt. Der Ein oder Andere war da vielleicht mit einem Fuß schon im Urlaub oder in den Vorbereitungen und fühlte sich ab da um einen erholsamen, ruhigen Sommer betrogen.
Ich habe bewusst auf persönliche Aussagen in der Übersetzung verzichtet und den Link der französischen Informationsquelle beigefügt:
Pflicht in kulturellen Einrichtungen
Am 5. August 2021 hat der französische Verfassungsrat die verschärften Corona-Regelungen des Gesundheitspasses und die Impfpflicht einiger Berufsgruppen gebilligt. Das Notstandgesetz wurde bis 15. November 2021 verlängert. Abgelehnt wurden die Quarantänepflicht der positiv Getesteten über zehn Tage und die Kündigung der Kurzzeitangestellten bei Impfweigerung vor Ablauf ihres Zeitvertrags.
Seit dem 21. Juli muss der gültige Gesundheitspass in kulturellen Einrichtungen über 50 Personen wie Kinos, Theatern, Konzerten, Museen, Zoos, Sportvereinen, Schwimmbädern, Ausstellungen, Messen, Seminaren, Tagungen und so weiter vorgezeigt werden.
Ab dem 9. August betrifft dies auch Einkaufszentren ab 20.000 qm je nach Einschätzung des Präfekts des Departements; Cafés, Bars, Restaurants, auch Terrassen (ausgenommen sind Betriebskantinen, der Straßenverkauf und Raststätten für Fernfahrer), Campingplätze, Hotels (nicht für die Übernachtung, jedoch für den Zugang zum Speisesaal, Schwimmbad etc.), Krankenhäuser (dies schränkt die Aufnahme von Notfällen und den Zugang zur Krankenversorgung nicht ein) und Pflegeeinrichtungen, Altenheime, soziale Einrichtungen, Langstreckenflüge, Langstreckenzüge und Reisebusse.
Diese Verordnung gilt sowohl für Kunden, Patienten, Begleiter, Besucher, und ab dem 30. August kann sie auch für die Angestellten dieser öffentlichen Einrichtungen gelten.
Für Nichtgeimpfte gilt ein PCR-Test, der seit dem 8. August auf 72 Stunden verlängert wurde. Der Test muss ab Herbst selbst bezahlt werden.
Auch für Minderjährige verpflichtend
Der Gesundheitspass wird ab dem 30. September auch für Minderjährige im Alter von 12 bis 17 Jahren obligatorisch.
Pflichtimpfung ab 15. September für folgende Berufe (wenn die Erstimpfung am 15. September erfolgt ist, gibt es für die Zweitimpfung eine Verlängerung bis zum 15. Oktober):
Krankenschwestern, Krankenpfleger, Röntgenassistenten, Physiotherapeuten, Diätassisstenten, Arztsekretärinnen, Arzthelferinnen, Zahnarzthelferinnen, Verwaltungspersonal und Medizinstudenten, ehrenamtliche Helfer, die in unten genannten Einrichtungen arbeiten.
Betroffen sind folgende Einrichtungen: öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser und Kliniken, Seniorenheime, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Gesundheitszentren, mobile Pflegeeinrichtungen, Gesundheit am Arbeitsplatz, medizinisch-soziale Einrichtungen, Mutter- und Kinderschutzdienste, Beschäftigte in privaten Pflegediensten, die ältere, kranke oder behinderte Menschen in deren Wohnung betreuen,
Personen, die den medizinischen Transport durchführen, Krankenwagenpersonal, Piloten und Flugpersonal der zivilen Sicherheit, die sich um die Opfer kümmern, die berufliche und freiwillige Feuerwehr und der Rettungsdienst, Dienstleister und Vertreiber von medizinischen Geräten und bestimmten damit verbundenen Dienstleistungen.
Wie wird kontrolliert?
Arbeitgeber in Einrichtungn mit Impfpflicht werden von der Regierung angehalten, den Gesundheitspass ihrer Angestellten zu kontrollieren.
Ist der Angestellte bis 15. September / 15. Oktober nicht geimpft, soll der Arbeitsvertrag ohne Bezahlung zwei Monate unterbrochen werden. Eventuell können Überstunden oder ausstehende Ferientage in Anspruch genommen werden.
Diese Zeitspanne soll/kann der Arbeitnehmer nutzen, um sich impfen zu lassen. Dann könnte der Arbeitsvertrag normal weiterlaufen.
Für ungeimpfte Angestellte soll nach Ablauf dieser Frist ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden, eine Verwarnung, die dann zur Kündigung führt.
Arbeitgeber in Unternehmen, die einen Gesundheitspass erfordern
Auch sie sind verantwortlich für die Kontrolle des Gesundheitspasses ihres Personals.
Sie sind auch verpflichtet, den Gesundheitspass ihrer Kundschaft vor Einlass in Restaurants, Cafés und so weiter zu kontrollieren und diese abzuweisen, wenn die neuen Richtlinien nicht erfüllt sind.
Unternehmer, die den Gesundheitspass ihrer Kunden nicht überprüfen, riskieren eine Schließung des Unternehmens und nach dreimaligem Verstoß 9.000 Euro Strafe und ein Jahr Gefängnis.
Kinder und Jugendliche
Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren dürfen geimpft werden, auch wenn nur ein Elternteil damit einverstanden ist. Jugendliche ab 16 Jahren dürfen auch ohne Zustimmung der Eltern gimpft werden, wenn sie über die Impfung aufgeklärt wurden und dieser zustimmen.
Neues Gesundheitsprotokoll in Schulen
Es wird ein verstärktes Protokoll zur Kontaktverfolgung eingeführt, um Schüler zu identifizieren die mit einem positiv getesteten Mitschüler Kontakt hatten, um sie für 7 Tage aus der Einrichtung auszuschließen. Komplett geimpfte Schüler sind davon ausgenommen.
In Grundschulen wird weiterhin die ganze Klasse für 7 Tage geschlossen, wenn es positiv getestete Kinder gibt. Die Maskenpflicht bleibt in allen Schulen bestehen.
Mit Schulbeginn Anfang September werden Impfkampagnen in Mittelschulen, Gymnasien und Universitäten durchgeführt werden.
Ein Querschnitt der Demonstrationen vom 7. August
Valence
Marseille
Neuilly
Paris
Agen