Thilo Schneider / 31.07.2021 / 10:00 / Foto: Pixabay / 78 / Seite ausdrucken

Gesund

Impfen lassen oder nicht? Das ist die Gretchenfrage unserer Zeit. Und sie spaltet mitunter auch befreundete Pärchen im Biergarten.

Es ist Sommer, die Biergärten sind geöffnet, und wer es sich noch leisten kann, der schnappt seinen Schatz und verabredet sich mit Freunden auf ein Bier, oder – in unseren Breiten – auf einen „Äbbelwoi“. Deshalb sitzen der Schatz und ich, ganz entgegen unseren Gepflogenheiten, einmal ausnahmsweise überpünktlich an dem zünftigen Biertisch und harren unseres Freundeskreises. So viele sind das ja nicht. Bernd und Sabine treffen kurz darauf ein und sagen zur Begrüßung: „Ich bin geimpft mit Astra-Zeneca“ und „Ich habe Johnson und Johnson intus“. Ich kontere mit „Einmal BioNtech, Impftermin für die Zweitimpfung schon ausgemacht“ und der Schatz sagt: „Ich bin gesund“.

Bernd und Sabine sehen sich kurz gegenseitig an und nehmen dann, wie mir es scheint, in möglichst großer Entfernung zum Schatz Platz. Wir sind ja an der frischen Luft und bei Einmeterfuffzich Abstand sollte sich das Ansteckungsrisiko an einer gesunden Person in deutlichen Grenzen für Geimpfte halten.

Kurz darauf taucht Stephan mit einem fröhlichen „Zweimal Moderna!“ auf und er hat Sandy, die mit Astra und Moderna Kreuzgeimpfte, im Schlepptau. Wir sitzen an einer dieser hübschen Bierbankgarnituren, und der Schatz sitzt ziemlich mittig neben mir, unsere Trinkcompadres verteilen sich somit an den Rändern der Gegenseite des Tisches, sodass um den Schatz herum – bis auf mich – so eine Art infektionsfreier Raum entsteht. Dem Schatz, diplomatisch und sensitiv wie immer, entgeht das natürlich nicht und er sagt: „He, ich habe keine Lepra! Ich bin gesund und einfach nicht geimpft!“ Acht misstrauische Augenpaare schauen sie an.

„Du“, sagt Stephan vorsichtig, „wir machen das nicht wegen uns. Wir machen das wegen dir!“ Der Schatz ist irritiert. „Wegen mir? Ich bin gesund und selbst wenn ich es nicht wäre, dann könnte ich euch wohl kaum infizieren, denn ihr seid ja geimpft!“ „Ja schon“, entgegnet Sandy, „aber tatsächlich könntest du uns infizieren und wir würden das gar nicht merken und dann meine Eltern anstecken oder so.“ „Und wir könnten dich ebenfalls infizieren“, ergänzt Bernd und ich merke, wie der Schatz langsam Adrenalin zieht. Man sieht das. Sie sitzt mit überkreuzten Armen am Tisch und der Zeigefinger der linken Hand klopft in die Armbeuge des rechten Armes. Das ist so eine Art eingebautes Frühwarnsystem. Normalerweise, wenn das zu Hause passiert, ziehe ich mich auf die Toilette zurück und drücke mir die Kopfhörer vom iPhone in die Ohren, bis das Klopfen mutmaßlich aufgehört hat. Hier aber kann ich nicht weg. „Was wollt ihr trinken?“, frage ich, um das Thema zu wechseln. „Wie wäre es mit etwas Impfstoff?“, schlägt der Schatz boshaft vor und verstärkt das Klopfen. Das wird gleich ziemlich übel…

Zungenküsse nach dem Singen in einem geschlossenen Raum

Sabine versucht es vorerst noch nüchtern: „Du, mir ist egal, ob du geimpft bist oder nicht. Ich mag dich trotzdem. Gerade deshalb ist ja der Abstand so wichtig!“ Das ist eigentlich nett gemeint, aber in der derzeitigen Verfassung des Schatzes ein veritabler Brandbeschleuniger. „Das finde ich sehr süß von dir“, ätzt meine Holde, „und auch, dass du dir so Gedanken um meine Gesundheit machst, aber meines Wissens müssten wir uns in einem geschlossenen Raum nach dem Singen Zungenküsse geben, damit es mich mit absoluter Sicherheit erwischt!“ „Über welches Thema ging doch noch gleich deine medizinische Promotionsarbeit?“, wirft sich jetzt Bernd in die Bresche für Sabine und der Schatz zieht die Augenbrauen zusammen: „Zusammenleben mit Menschen mit Angstpsychosen“, gibt er zwar gelogen, aber immerhin schlagfertig zurück. „Also, was wollt ihr trinken? Ich hole es euch auch“, versuche ich, die Spannung zu entschärfen. „Atme dabei bitte nicht auf mein Glas“, gibt meine Gattin fuchsig jetzt auch mir einen mit. Vom Grunde her bleibt jetzt nur noch die Flucht. Man sieht als Beifahrer den Ferrari auf den Brückenpfeiler zurasen, kann aber einfach nicht aussteigen oder „Stop! Stop!“ rufen.

Ich probiere es trotzdem: „Stop! Stop! Mach mal Halbgas. Es ist doch völlig egal, ob jemand geimpft ist oder nicht. Wir sind doch Freunde. Sei froh, dass alle Rücksicht auf dich nehmen!“ „Ich will aber gar nicht, dass jemand Rücksicht auf mich nimmt“, faucht der Schatz, „ich bin einfach nur gesund und habe ein funktionierendes Immunsystem, und wir sind hier im Freien, es ist superunwahrscheinlich, dass einer von euch infiziert ist und selbst wenn ihr es wärt, müssten wir längere Zeit auf Tanzabstand aneinander herankommen, dass ich mir etwas von euch hole, das ich nicht haben will!“

„Lass dich doch einfach selbst impf…“, schlägt Stephan unvollendet vor, denn er wirft damit eine Handgranate in ein Tanklager mit Benzin: „Ich will mich nicht impfen lassen, weil ich eine Thrombose hatte, die Langzeitwirkungen nicht kenne und mir garantiert nichts spritzen lasse, von dem ich nicht weiß, ob es mehr schadet als nützt! Ich bin schon groß und kann entscheiden, welches Risiko ich lieber eingehen möchte. Also rutscht gefälligst bei und tut nicht so, als sei einer von uns der leibhaftige Sensenmann. Gute Güte, Leute – ich erkenne euch nicht wieder!“ Der Schatz tobt, und seine Stimme nimmt die sogenannte „Mutterfrequenz“ an, die nur Männer hören können, die einmal Buben waren.

„Tiefgradig asozial“

Jetzt wird aber auch Sandy zornig: „Du, Impfen ist erste Bürgerpflicht. Jede Impfung sorgt für mehr Herdenimmunität und je mehr Geimpfte es gibt, desto mehr trocknen wir das Virus aus. Wer sich nicht impfen lässt, ist im Grunde tiefgradig asozial, denn er hindert uns alle, unsere Freiheiten zurückzuerlangen!“ „Klar, weil so ein Virus durch zigtausend Geimpfte keinen Mutationsdruck hat und sich nicht verändert“, giftet der Schatz zurück.  

Es reicht. „Ich gehe Getränke holen“, schlage ich vor, um feige vom Schlachtfeld zu flüchten, und Bernd und Stephan bieten an, mir „beim Tragen zu helfen“, weil streitende Frauen neben unangemeldeten Steuerprüfungen und einer Trauerrede des Bundespräsidenten das Schlimmste sind, was unsere westliche Zivilisation zu bieten hat.

„Ihr bleibt hier. Alle!“, donnert der Schatz und wir drei Brüder im Geiste und Impfstoff, die sich erhoben hatten, setzen uns brav wieder hin. Mutterfrequenz eben. Sabine kramt in ihrer Handtasche herum: „Hier, ich habe noch einen Test über. Magst du ihn machen?“, bietet sie freundlich an und der Schatz springt auf. „Weißt du, wohin du dir deinen dämlichen Test schieben kannst?“, brüllt sie so laut, dass sämtliche Leute im Biergarten den Kopf drehen, schnappt sich ihre Tasche und verlässt das Etablissement. „Kommst du?“, ruft sie mir streitlustig im Wegstampfen zu, wartet aber nicht auf mich oder eine Antwort und eilt zornig von dannen.

„Geht es Ihrer Frau gut?“, fragt mich ein Mann vom Nachbartisch besorgt. „Schlimmer…“, gebe ich zurück, „…sie ist gesund.“ „Ah…“, sagt er, „…das ist natürlich Pech.“

(Weitere Zitate des Autors unter www.politticker.de)  

 
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Leserpost

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Gido Rückert / 31.07.2021

Zweimal geimpft , Schlaganfall ...tot !  Wenn das funktioniert weiß ich , wie ich mir einen Platz im Pflegeheim erspare !

Bettina Jung / 31.07.2021

In einem geimpften Körper wohnt ein geimpfter Geist

Petra Wilhelmi / 31.07.2021

Oh ja, Herr Schneider, in Ihrem Schatz erkenne ich mich wieder. Mir dürfte auch niemand so kommen. Ich kenne da nichts. Alle Achtung, dass Ihr Schatz so lange durchgehalten hat. Ich wäre schon längst weg gewesen. Ihr Schatz ist einfach eine tolle Frau. Auch ich bin gesund und sehe es wahrhaftig nicht ein, dass ich beweisen soll, dass ich gesund bin. Was bildet sich der Staat denn ein, mich einfach als krank hinzustellen, weil ich mich nicht impfen lasse, nicht testen lasse und - Gottseidank - auch keine Genesende bin. Ich bin schlicht und ergreifend GESUND. Mein Mann musste vor reichlich einem Vierteljahr zur OP und wurde vorher getestet. Seine Nase war lädiert und er hat bis heute noch nicht 100% seinen Geschmacksinn zurück. Jedenfalls ist das mit Corona so, als wenn der Staat alle seine Bürger als Kriminelle betrachtet (okay macht er schon in gewisser Weise) und jeder muss beweisen, dass er ein Bürger ist, der auf der Grundlage der Gesetze lebt. Ich freue mich immer wieder, wenn ich die, auf die “Impf"propaganda reingefallenen sehe. Wie das Schlachtvieh haben sie sich zum eigenen Metzger treiben lassen. Auf n-tv hat ein Epidemiologe sinngemäß zugegeben, dass die Menschen Versuchskaninchen wären. Und keiner von denen, weiß, was in den nächsten Jahren auf sie zukommen könnte, nur weil man auf Propaganda reingefallen ist. Aber das Argument mit den Zungenkuss muss ich mir einfach merken. Es ist eigentlich ein Totschlagargument und überaus witzig.

J.G.R. Benthien / 31.07.2021

Sie sollten sich neue Freunde suchen.

Knapp,Heinerich / 31.07.2021

Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde…!

Rudolf Dietze / 31.07.2021

Hat das mit Selbstbewustsein zu tun, das Frauen gern feststellen: “Ich bin schon groß und kann entscheiden” oder wollen sie durch Zehenspitzengang ihr Selbst verstärken? Beim Umgang mit Kritik haben Frauen Probleme. Sie entfernen sich von der Sachlichkeit. Die fundierten Argumente werden nicht vorgebracht, sie bleiben beim Streit im Allgemeinen “Das war bei dir schon immer so” oä.. Solche Sätze kennt jeder Mann. Die Frage, ob sich die Geimpften jetzt gesünder als gesund fühlen, wurde nicht erörtert, ebensowenig die Frage wieso Geimpfte erkranken und an Covid sterben. So ein öffentlicher Test kann auch als Schauveranstaltung zelebriert werden. Gleich hab ich dich, dann fress ich dich.

Bernd Ackermann / 31.07.2021

Auf die Frage “Bist Du geimpft?” antworte ich inzwischen mit der Gegenfrage “Bist Du entwurmt?”. Beendet das Gespräch meist sehr schnell. Was mich viel mehr an diesem Artikel schockiert - Bernd und Sabine, Stephan und Sandy - ja, haben Sie denn nur heterosexuelle Kartoffeln in Ihrem Bekanntenkreis? Wo sind Harun und Ranjid, das nette schwule Paar aus Indien? Wo sind Flüchtlingshelferin Angelika (52) und Schutzsuchender N’Gomo (wahrscheinlich 21), die sich 2015 kennen und lieben gelernt haben? Wenn Sie hier schon Seemannsgarn spinnen, Herr Schneider, dann sollten Sie sich ein Beispiel an Käpt’n Blaubaerbock nehmen, die weiß wie man so eine Story richtig aufzieht.

H. Krautner / 31.07.2021

Diese Scheinheiligkeit! Kein Mensch lässt sich aus Solidarität oder weil er seine Mitmenschen schützen will impfen. Sie tun es, weil sie Angst vor dem Virus haben und sich selber schützen wollen und, weil sie sich durch Angst schüren zum Impfen haben treiben lassen. Das ist ja ihr gutes Recht, aber jeder soll sein Angst pflegen, wie es ihm Spaß macht, dabei jedoch andere Leute in Ruhe lassen.    -    Wer übrigens glaubt, dass unsere Politiker aus den Führungsriegen bei Bund und Länder alle geimpft sind, auch die nicht, die es vorgeben, geimpft zu sein, der ist schön naiv. Außer Aiwanger sind sie jedoch still und outen sich diesbezüglich nicht.

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