Peter Grimm / 29.04.2020 / 06:20 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 77 / Seite ausdrucken

Geschlechter-gerecht buchstabieren

In diesen Zeiten dreht sich alles nur noch um Corona. Gut, nicht wenige Medienschaffende und Meinungsbildner mühen sich auch noch wacker, ihr fortschrittliches Publikum nicht vergessen zu lassen, dass es da auch noch den Klimawandel gibt, der doch Anlass genug sein sollte, das soziale, kulturelle und vor allem wirtschaftliche Leben weiter an der kurzen vormundschaftlichen Leine zu halten, wenn sich irgendwann dafür nicht mehr genügend Covid-19-Kranke zählen lassen.

Aber wer kümmert sich in dieser Zeit eigentlich darum, die Öffentlichkeit in puncto sogenannter geschlechtergerechter Sprache auf der Höhe der Zeit zu halten? Rückständige alte weiße Männer, so wie ich, könnten sonst glauben, nach dem inzwischen omnipräsenten Gendersternchen, das in öffentlich-rechtlichen Sendern inzwischen sogar immer häufiger ins gesprochene Wort integriert wird, käme nichts mehr.

Weit gefehlt. Auch wenn die Sprachwalter der Amts- und Mediensprache noch ein wenig hinterherhinken und manch ältere Deutsche die Verwendung der Abkürzung LGBT, vielleicht schon LGBTI oder sogar LGBTIQ für hinreichend halten, um beim Neusprech auf der Höhe der Zeit zu sein, so zeigt das nur, wie unzeitgemäß sich die meisten Deutschsprechenden verhalten.

Mehr als nur Sterne

Vielleicht ist ja gerade diese Phase des „social distancing“ (oder wie das neudeutsch richtig heißt, wenn man zwangsvereinzelt mit Zusammenhalte-Appellen überschüttet wird) geeignet, um endlich zu lernen, wie man die sexuell fragmentierte Gesellschaft zeitgemäß beschreibt. Wer beispielsweise so rückständig ist, dass er mit LGBTIQA oder FLINT in diesem Zusammenhang nichts anfangen kann, dem sei folgender kurzer Lehrgang empfohlen. Dann steht man nicht so dumm da, wenn einem die Kürzel in nicht allzu ferner Zeit in Verordnungstexten oder auf Formularen, Gebots- und Verbotsschildern begegnen werden. Also folgen Sie der kleinen Sprachschule auf kritische-maennlichkeit.de

„FLINT*, LGBTIQA* (manchmal auch FLIT* oder LSTIQA*) und ähnliche Buchstabenkombinationen stehen für:

    F: Frauen (evtl. heterosexuelle cis-Frauen)

    L: Lesben (homosexuelle Frauen)

    I: Intersexuelle Personen

    N: Nicht-binäre Personen

    T: Trans Personen (trans Männer und trans Frauen) oder Trans*gender

    Q: Queere / Genderqueere Personen

    B: Bisexuelle Personen

    G / S: Gays / Schwule (homosexuelle Männer)

    A: Asexuelle Personen (Personen ohne /mit wenig sexuellem Verlangen)

    * Nicht explizit erwähnte Personen, die sich nicht in eine der oben genanten sexuellen Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten einordnen und (mit) gemeint sind.

Insbesondere nicht gemeint sind im Kontext von

    LGBTQI* heterosexuelle cis Männer (also cishet Männer) bzw.

    FLINT* cis Männer.

Die Abkürzungen FLINT* bzw. Frauen und LGBTIQA* bezeichnen also die Personen, die im Patriarchat diskriminiert werden. Es ist falsch und wird häufig als beleidigend wahrgenommen, diese Personen als „nicht-Männer“ zu bezeichnen. (Männer würden sich meist auch eher ungern „nicht-Frauen“ nennen lassen.) Daher verwenden viele Menschen (gerade in feministischen Kontexten) die Abkürzungen FLINT* bzw. LGBTQIA*, um all gemeinten Personen mit einzuschließen.

[Der reaktionäre alte Mann würde hier wohl sagen, um Männer auszuschließen. Aber das klingt ja ungerecht]

Wichtig ist durchaus der Unterschied zwischen der sexuellen Orientierung (LGBA) und der Geschlechtsidentität (FINTQ). Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierung haben erstmal nichts miteinander zu tun, wobei natürlich ein (cis oder trans) Mann nicht lesbisch sein kann. Eine (cis oder trans) Frau hingegen schon. (Es ist aber nicht ganz unwahrscheinlich, dass es trans Männer gibt, die das anders sehen und lieber als trans* Männer oder transsexuelle Männer bezeichnet werden.) FLINT* schließt lesbische Frauen explizit mit ein, um sich für mehr lesbischer Sichtbarkeit zu solidarisieren.

Problematischer werden die gängigen Bezeichnungen zur Orientierung , wenn die Geschlechtsidentität_en von begehrten Personen außerhalb / zwischen dem binären System liegen (also nicht-binäre Personen sind). Beizeichnungen wie heterosexuell („steht aufs andere Geschlecht“), homosexuell („steht aufs gleiche Geschlecht“) und bisexuell („steht auf beide Geschlechter“) machen nur Sinn, wenn Geschlecht als entweder Männlich oder Weiblich begriffen wird.

So bezeichnen nicht-binäre Personen sich gegebenenfalls als gynophil / femmesexuell („steht (eher) auf Weiblichkeit“), androphil / androsexuell („steht (eher) auf Männlichkeit“) oder pansexuell („steht auf Personen unabhängig vom Geschlechter“).

Die Liste oben erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Identitäten und Orientierungen findet Ihr z.B. im Glossar vom Queer Lexikon.

Da lässt sich bestimmt noch viel für sprachlichen Fortschritt lernen.

Wenn dann blöderweise trotz aller Rettungsschirme demnächst das wirtschaftliche Desaster kommt und sich die geschlechtergerechten Sprachexperten das nicht erklären können, kann man ihnen im Gegenzug ja empfehlen, sich zuerst einmal mit dem Sinn des schönen alten deutschen Wortes „Wertschöpfung“ zu beschäftigen.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

netiquette:

Rainer Alexy / 29.04.2020

Wer soll da noch durchblicken. Ich hätte ja einen Vorschlag. Das generische Maskulinum wird komplett durch ein generisches Femininum ersetzt, ungefähr so, wie Schweden von Links- auf Rechtsverkehr umgestellt hat. Es heisst dann schlicht und einfach Studentinnenwerk und beinhaltet alle Geschlechter. Ausdrücklich möchte ich als Mann dann nicht durch irgendwelche Sternchen kenntlich gemacht werden, da ich hinreichend gebildet bin, weiss ich, was das generische Femininum bedeutet. Dauert ein paar Jahre, dann haben wir uns alle dran gewöhnt, es interessiert keinen mehr (oder kann man sich vorstellen, dass dann Horden von Männern nach Sichtbarkeit rufen?). Im Gegenzug rege ich die Schliessung aller Genderlehrstühle an. Die Schweden nannten den Stichtag H-Tag, wir können unseren dann ja F- Tag nennen.

Michael Lorenz / 29.04.2020

Ergänze noch “GUB”. Steht für: Großhirn umsonst bekommen. Weil damit nur Blödsinn angestellt wird.

Ulli Funk / 29.04.2020

Sexualverwaltungs-Langweiler und Menschen, die Geschlechtsentwicklungsstörungen zum Geschlecht erklären.

Hermine Mut / 29.04.2020

10 out of ten !@Horst Jungsbluth (hä, Jungsblut ???) und auch @ Axel Gojowy.  Und WAS soll denn überhaupt begehrt werden (Seele,Sehnsucht,Sinn reduziert auf “Spaß”/“Lust” ?) - täte es hier evtl auch ein Maschinele (frägt sich aus dem Ländle der Tüftler).  Bräuchte man dann keine Leute mehr, könnte man - Polarität -abschaffen.

Sebastian Gumbach / 29.04.2020

Früher konnte ich über so etwas noch lachen, heute ist mir das Lachen vergangen, weil dieser Irrsinn sukzessive und unaufhaltsam in das tägliche Leben (Firmen, Uni, Verwaltung etc.) einfließt.

Rolf Mainz / 29.04.2020

Geisteskrankheiten sind ein weites Feld - und ganz offenbar immer noch nicht hinreichend erforscht.

Bernhard Lassahn / 29.04.2020

Es handelt sich keinesfalls um Kleinigkeiten – es sind gerade die kleinen Dinge, die uns so unwichtig erscheinen, dass wir ihretwegen nicht streiten mögen, die genutzt werden, um unser Ordnungssystem aus den Angeln zu heben. Kleine Dinge sind nicht klein. Wenn wir mit einer elementaren Kategorisierung wie »er«, »sie« und »es« nicht mehr unbefangen umgehen können und sie nicht mehr so nutzen können, wie wir es bisher getan haben, dann sind wir elementar verunsichert. Wenn wir darin eine moralische Frage von elementarer Bedeutung sehen, dann ist unser Moralempfinden elementar gestört. Es handelt sich auch nicht um eine harmlose Spinnerei. In Kanada ist die Rechtsprechung besonders streng, da wird nicht nur die große, da wird gleich die größtmögliche Keule geschwungen. Das Gesetz Bill C 16 sieht vor, dass Mis-gendern nicht etwa als Kavaliersdelikt oder Unhöflichkeit gilt, sondern als Menschenrechtsverletzung. Man wird vor ein Menschenrechtstribunal – ein human rights tribunal – zitiert wie einst bei kommunistischen Schauprozessen. Es drohen existenzvernichtende Strafen. So ist es auch für Deutschland vorgesehen

Gerhard Döring / 29.04.2020

Bin von Mannheim nach Mutterstadt bei Ludwigshafen verzogen.Bin ich nun automatisch gegendert? Werde demnächst im sitzen Pinkeln. Reicht das auch noch nicht werde ich mich bei Rossmann bewerben. Ein kleines türkisches Kinderrätsel: Hab vorne zweie dran und hinten viere drin Nun Ratet was ich bin Lösung=Arabaci

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