Quentin Quencher / 08.04.2020 / 14:00 / Foto: ChristianSW / 20 / Seite ausdrucken

Fridays for Hamstern: Die Vertagung der Ideale

Peter Trawny spricht in einem Interview mit dem Wissenschaftsportal L.I.S.A von der „Apokalyptischen Reduktion“ und meint damit, wie auch in seinem Buch „Technik.Kapital.Medium“, dass heutige Konfliktherde, die das Potenzial haben, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken, gar so etwas wie Revolutionen, nicht aus den Gesellschaften selbst heraus entstehen, sondern sozusagen extern hineingetragen werden. So wäre es jetzt auch bei der Corona-Krise. Diese dann ausgelösten Revolutionen werden aber weniger idealistisch sein, sondern materiell. Es wird um Knappheit und Verluste gehen, um Ressourcen und deren Verteilung.

Dies ist ein Gedanke, der, meines Erachtens, recht schlüssig erscheint, und ich würde ihn so interpretieren: In normalen Zeiten, in denen Vermehrung und Wachstum, Innovationen und Optimierungen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben bestimmen, bilden sich idealistische Konstrukte heraus, politische Ordnungen, die aber eben an diese Voraussetzungen des Geschehens in diesen normalen Zeiten gebunden sind.

Tritt die Krise ein, dann stehen die wirtschaftlichen und politischen Ordnungen ohne ihre idealistischen Konstrukte da und sind somit höchst fragil. Diejenigen, die von der Krise als Chance sprechen, wissen das ganz genau. Mitunter führt das so weit, dass Gesellschaftskonstrukteure scheinbare Krisen heraufbeschwören, um ihre großen Transformationsvorstellungen leichter umsetzen zu können. Stichwort: Klimakrise. Die ist aber keine reale, sondern eine konstruierte, ein idealistisches Konstrukt, um damit das reale Leben umzugestalten.

Geschulte Linksintellektuelle werden nun auch an Antonio Gramsci denken und seine Theorie vom Interregnum: „… Der ‚Tod der alten Ideologien‘, so fügt er [Gramsci] hinzu, eröffnet zugleich günstige Bedingungen für die ‚unerhörte Ausbreitung des historischen Materialismus‘“. Neue oder andere Ideologien haben nun die Chance, als Weg aus der Krise angesehen zu werden. Überhaupt, ohne diese aus linksintellektuellen und linksradikalen Ideologien diffundierten Vorstellungen, von der Krise als Hilfsmittel zur Umgestaltung und Transformierung von Gesellschaften, ist beispielsweise diese ganze Klimaschutzbewegung nicht zu verstehen. Da hat sie ihre Wurzeln, von da bezieht sie ihre Kraft.

Idealistische Konstrukte aus Optimierungszeiten

Nun haben wir aber durch das Coronavirus eine reale Krise, keine imaginierte, die in der Regel nur Verbildlichungen von intellektuellen Unzufriedenheiten sind, sondern eine echte Bedrohung. Kein Wunder, dass nun vereinzelt Kriegsrhetorik zu vernehmen ist. Und doch unterscheidet sich eine Pandemie in ihrem Charakter ganz wesentlich von anderen Bedrohungsszenarien wie Krieg oder Naturkatastrophen, bei der die Suche nach Verbündeten im Vordergrund steht, um die eigene Gruppe zu stärken und zum Sieg zu führen oder wenigstens das Überleben dieser zu sichern. Hier geht es nur noch um das Individuum, um den eigenen Leib, um Hunger und Durst, alles reduziert sich auf das Überleben, auf den Kampf um die letzten Ressourcen. Gerüchte gehen um, irgendwo wären Atemschutzmasken gestohlen worden, das Hamstern von Toilettenpapier darf in diesem Zusammenhang nicht fehlen.

Anhand dieser beiden Beispiele wird deutlich, von einer Existenzbedrohung im apokalyptischen Stil sind wir noch weit entfernt, dennoch zeigen sie an, was sich verändert. Die idealistischsten Konstrukte der Vermehrungs- und Optimierungszeiten werden unwichtig, genauso wie das Klimakrisengeschwafel der intellektuell Unzufriedenen oder jedes andere ideologische Konstrukt. Ernste Krisen – Corona gehört da noch nicht dazu – sind keine Chance, wie es sich all diese Gesellschaftstransformierer oder sonstige Welterklärer vorstellen, sie sind lediglich so was wie ein Reset des Programms, in dem wir leben, und das heißt eben: Überleben! Es geht ums Überleben des Subjekts, das leben will, das Hunger und Durst empfindet, das empfinden kann, sprich, ums Individuum. Konstrukte können nicht empfinden, sie fühlen weder Schmerz noch Leid, Glück auch nicht.

Dieser Beitrag ist auch auf Quentin Quenchers Blog „Glitzerwasser“ erschienen.

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Leserpost

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Rolf Lindner / 08.04.2020

Nach jeder Apokalypse gehen die Überlebenden nach kurzer Zeit dazu über, den Normalzustand wieder herzustellen. Das heißt, die nächste Apokalypse vorzubereiten, soweit es in ihrer Macht steht.

Martin Lederer / 08.04.2020

Ernste Krisen sind eine “Chance” für Leute, die es verstehen, die Macht an sich zu reißen, wenn die Macht der bisherigen Machthaber bröckelt. Siehe die Russische Oktoberrevolution oder auch die Geschichte der Französischen Revolution.

Martin Lederer / 08.04.2020

“Überhaupt, ohne diese aus linksintellektuellen und linksradikalen Ideologien diffundierten Vorstellungen, von der Krise als Hilfsmittel zur Umgestaltung und Transformierung von Gesellschaften, ist beispielsweise diese ganze Klimaschutzbewegung nicht zu verstehen.”: Ich vergleiche das mal mit dem Anfang der Grünen: Es gab in den 70iger Jahren viele gescheiterte Linke in der ganzen BRD, die sind auf diesen Zug der grünen Partei aufgesprungen, weil es ihre Chance war, doch noch an Geld und Einfluss zu kommen. Denen war Umweltschutz oder Atomkraft sowas von egal. Aber sie wussten mit diesen Themen bekamen sie “normale” Wähler und über 5 Prozent. Die haben aber diese Themen nicht geschaffen. Vielleicht wurden diese Themen von linken Medienschaffenden hoch gebracht. Vielleicht sprach es auch nur den deutschen Hang zur Romantik an. Auf diesen “Klimaschutz” übertragen: Natürlich hängen sich alle möglichen Linken, Grüne bis zu Merkel und zur EU an diesen Klimazug dran, weil sie glauben, dass es ihnen hilft. Und den meisten von denen ist das Klima sch…egal, wenn es im Sommer nur richtig schön warm am Strand oder am See ist. Aber sie haben den Klimazug nicht erzeugt. Vielleicht die Medien. Vielleicht irgendeine Sehnsucht in den Menschen selbst. Ich weiß es nicht.

Wilhelm Lohmar / 08.04.2020

Nicht abwegig. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kam es in England nach dem Abklingen der Pestepidemie bei gleichzeitigem großen Geldbedarf der Krone zur Finanzierung des hundertjährigen Krieges zur Peasants’ Revolt.

R.Stefan / 08.04.2020

Ich hatte das bereits in einem anderen Artikel gelesen, daß das Innenministerium durchaus realistisch die einzelnen Varianten der Corona-Krise bis letztendlich zur “Anarchie” hin erkannt und niedergeschrieben hat. Man nimmt sogar “Worst case"in den Sprachgebrauch auf. Dies alles bestätigt mir im Zusammenhang mit den neuerdings eher verschämt formulierten Ankündigungen von einer “Welle” von Erkrankungen, das da lange noch nicht alles in trockenen Tüchern ist. Der gemeine Dummmichel hingegen scharrt schon wieder mit den Hufen wegen seiner staatlich verordneten"Ausganssperre” und selbst die Linken und ihre ansonsten eher nichtsnutzige Klientel aus dem Bereich der Kunst begehrt öffentlich und unter Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen eine kurzfristige und umfassende Reduzierung dieser Maßnahmen. Der ansonsten obrigkeitsgewohnte Bürger, der schon länger hier lebt- wird sich auch weiterhin geduldig den nicht ganz koscheren Festlegungen mehr oder weniger beugen. Aber leider haben wir in diesem Land zu viele Gruppierungen, denen es sch…egal ist,was die da oben kommunizieren und durchsetzen wollen. Sie werden zukünftig aufbegehren - damit Polizei und Militär binden, trotzdem aber die staatlicherseits einkalkulierte"Anarchie” ausschließlich zu ihren eigenen Gunsten ausleben - ohne Rücksicht auf Verluste. Wer dann immer noch glaubt- in einer Art “Trümmerfrauen-Mentalität” werden dann die bisher gedemütigten Deutschen( da zähle ich auch die seit Jahren hier gut integrierten Ausländer zu)dieses Land wieder aufbauen- der muß nicht mehr alle Latten am Zaun haben. Der Drops ist gelutscht-zwar nicht allein von CoVID-19 ausgelöst, aber zumindest als letzter Sargnagel zum Untergang dieses Landes.

Harald Hotz / 08.04.2020

“Ernste Krisen – Corona gehört da noch nicht dazu – sind keine Chance, wie es sich all diese Gesellschaftstransformierer oder sonstige Welterklärer vorstellen, sie sind lediglich so was wie ein Reset des Programms, in dem wir leben, und das heißt eben: Überleben!” - Stimmt, mit einer inszenierten Krise könnte man sein ideologisches Programm viel besser umsetzen, indem sich “die Partei” zunächst als Retter und Garant der vermeintlich bedrohten Existenz präsentiert und im Fortschreiten der gesellschaftlichen Transformation relativ schnell auch wieder eine funktionierende Gesellschaft vorweisen kann. Ich denke mal, dass dem linken Establishment durchaus klar ist, daß sich weder die Klimaziele noch die Transformation in ein Merkeluniversum demokratisch erreichen lassen. Das Virus käme also wie gerufen! Und wenn ich mir anschaue wie sich die Herrschaft zur Zeit geriert: Söder als strammer Gauleiter, Merkel als eiserne Kanzlerin, und wie die Zustimmungswerte - sofern sie nicht gefaked sind - durch die Decke gehen, die Polizei mit Dronen die Bevölkerung überwacht, nach Maulkorb nun noch die Einführung der Maulbinde diskutiert wird, und die Verfolgungs-App ... und das alles wegen eines Virus, eines Viruschens, von dem die überwiegende Mehrheit bei Ansteckung praktisch nichts merkt ... da läuft es mir kalt den Rücken herunter.

Gerald Gründler / 08.04.2020

Ich glaube, Leuten, die jetzt Klopapier hamstern, war die imaginierte Klimakrise schon immer herzlich egal. Das ist nicht etwa ein Vorwurf, man darf eben nur die Gedankenfürze selbsternannter Intellektueller, eines unterbeschäftigten akademischen Prekariats, sendungsbewußter, aber viertelgebildeter Kunst- und Medienschaffender oder systematisch verblödeter Kinder nicht mit den Problemen und Lebensabsichten wirklich arbeitender Menschen verwechseln. Diese Sphären existieren nebeneinander. Wenn sie in den “Normalzeiten” miteinander kollidieren, wird der Konflikt möglichst unauffällig politisch ausgemittelt und medial minimiert. Zu beobachten war das etwa bei der Einführung von E10-Kraftstoff oder beim Absterben der Diesel-Fahrverbotsbewegung. Corona entzieht der selbstgefälligen Volkserzieherblase momentan die Aufmerksamkeit. Damit ist die Blase aber nicht verschwunden. Da sie nichts anderes können, werden sie ihre Themen, mit denen sie sie in der Vergangenheit die Mittel für ihr Überleben vom Staat abschmarotzt haben, unweigerlich wieder hochjazzen (lassen). Der geschundene Bürger, der sein Einkommen mit wirklicher Arbeit erwirtschaftet, wird diese Blase nicht los, ohne sie politisch zu überwinden und auf Dauer von den finanziellen Quellen und medialen Unterstützern abzuschneiden. Das sehe ich nicht. Eine politische Opposition findet gegenwärtig nirgendwo statt. Corona ändert in dieser Gesellschaft nicht die Strukturen - und wenn doch, dann eher hin zu einer Entmachtung des Individuums. Das spricht dann aber eher für eine anschließend noch stärkere Position der mit dem Staat und der Regierung schon jetzt eng vernetzten Akteure einer Knechtung der wirklich Wertschaffenden.

Jürgen Fischer / 08.04.2020

Krise als Chance, was für ein Heckmeck: glaubt jemand ernsthaft, dass dann plötzlich die Ressourcen “gerechter” oder “sinnvoller” verteilt würden, oder dass die Prasser und Verschwender auf einmal das Haushalten lernen würden? Schlagt’s euch aus dem Kopf; sobald alles vorbei ist, geht es weiter wie gehabt, oder noch schlimmer: gerade da, wo man afangen müsste, nämlich bei unseren “Spitzenrepräsentanten”, hat doch das Geld(ver)schleudern schon unvorstellbare Züge angenommen. Und die Gretagrünen stehen schon in den Startlöchern.

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