Chaim Noll / 24.05.2020 / 06:15 / Foto: Pixabay / 132 / Seite ausdrucken

Faschisten können bunte Jacken tragen

Das Oberlandesgericht Dresden hat kürzlich in einem erstaunlichen Urteil die folgenden Auslassungen der Grünen-Politikerin Claudia Roth für akzeptabel erklärt:

„Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs. Und ja, die Brandbeschleuniger sitzen zum Teil auch in unseren Parlamenten. Also: dagegenhalten, laut und deutlich. Denn zuerst kommt das Sagbare, dann das Machbare. Dem Angriff auf die Menschlichkeit folgt der Angriff auf den Menschen.“

Als Nicht-Jurist möchte ich eine Diskussion dieses Urteils vermeiden. Stattdessen die betreffende Passage aus einem Interview von Claudia Roth hermeneutisch untersuchen. Ich will der Reihe nach vorgehen, Wort für Wort:

„Wir müssen“: Zunächst das „Wir“ der kollektiv Handelnden. Der Mehrheitlichen. Der Kampfgruppen und Sturmabteilungen. Zugleich pluralis majestatis. Das „wir“ enthebt außerdem aller persönlichen Verantwortung. „Wir müssen“ bedeutet höhere Notwendigkeit. Denn „wir“ agieren nicht aus Vergnügen, sondern weil wir es als unsere heilige Pflicht empfinden.

„die Stichwortgeber benennen“: „Benennen“ ist ein anderes, scheinbar neutraleres Wort für „denunzieren“. Der ganze Absatz, den das Oberlandesgericht Dresden nicht weiter gefährlich fand, ist ein Aufruf zur Denunziation. Dieser Vorgang gilt den Dresdner Richtern vermutlich deshalb nicht als justitiabel, weil er in Deutschland so verbreitet ist.

„neurechts“: Ein schmerzbeladenes Wort. Der Präfix „neu“ enthält das Eingeständnis, dass es selbst determinierten Menschen wie Claudia bisher nicht gelungen ist, alles nicht-linke Denken auszumerzen. Stattdessen formiert sich das Unkontrollierbare immer neu.

In Claudias Kreisen weiß man fast nichts über Juden

„Plattform“: Allzweck-Vokabel mit Beigeschmack. Gemeint ist – vordergründig – eine Website. Doch „Plattform“ kann auch eine politische Bewegung sein. In solchen Nuancen streut der Text seine Verdächtigungen aus: eine Internet-Plattform, die das Potenzial zur einer politischen Bewegung enthält. Also zu einer Gefahr. Die man im Auge behalten, unter Umständen überwachen muss.  

„Geschäftsmodell“: Eine Anspielung darauf, dass Henryk Broder Jude ist? In Claudias Kreisen weiß man fast nichts über Juden, über ihre Bücher, ihre Jahrtausende alte Geschichte, ihren Beitrag zur Geistesgeschichte der Menschheit und zum kritischen Denken, doch man hat gehört, dass sie geschäftstüchtig und geldgierig sind.

„Hetze“: Dieses Wort wird heute verwendet als Synonym für: unliebsame abweichende Meinung, störender Einwand, nicht von der Hand zu weisendes Argument. Eigentlich gäbe es handfestere Gegenargumente als bloß die Totschlagsvokabel „Hetze“, doch „wir“ wollen nicht vor der Zeit als das erkannt werden, was „wir“ angeblich bekämpfen. Zu kompliziert? Nein, ganz einfach. „Eins in die Fresse ist ein Argument, das ein Jahrtausend Weisheit überrennt“, dichtete der von den Nazis vertriebene jüdische Schriftsteller Walter Mehring. Soweit ist es noch nicht, doch „Hetze“ darf Claudia alles ihr Unangenehme heute schon nennen.

„Falschbehauptungen“: Behauptungen, von denen Claudia behauptet, dass sie falsch seien. Nicht, weil sie den Beweis für ihre Falschheit erbringen könnte – so viel geistige Mühe mutet ihr niemand mehr zu –, sondern weil die „Falschbehauptungen“ von falschen Menschen erhoben werden (zum Beispiel vom hinlänglich bekannten Juden Broder), also gar nicht richtig sein können.

Wie die Schlange im Paradies

„eindeutig rechtsradikale Blogs“: Geschickter Dreh der geübten politischen Rednerin. Kompliment. Die Formulierung „eindeutig rechtsradikal“ impliziert, dass es auch „zweideutig rechtsradikale Blogs“ gibt, nämlich die zuvor erwähnten von Tichy und Broder. Was nicht wirklich verwundert, da Juden bekanntermaßen zweideutig, also mit gespaltener Zunge reden. Wie die Schlange im Paradies, der Teufel etc.

„Und ja, die Brandbeschleuniger sitzen zum Teil auch in unseren Parlamenten“: Wieder das „wir“ (in „unseren“ Parlamenten) als Qualifikation der Mehrheitlichen, Rechtlichen, der mit Claudia Einigen. Denen zu recht die deutschen Parlamente gehören. Wer dort sonst noch drin sitzt, ist ein „Brandbeschleuniger“.

„Also: dagegenhalten, laut und deutlich“: Das Laute und Deutliche war nie Claudias Problem. Kernige Reden auf Grünen-Parteitagen haben sie emporgehoben in ungeahnte Höhen. Sie hat beeindruckendes Körper- und Stimmvolumen und spricht mit schallender, befehlsgewohnter Stimme. Ich habe sie einmal mit einer Gruppe öffentlich-rechtlicher Journalistin reden hören, im Foyer des ARD-Gebäudes in Berlin, wo ich an diesem Tag zu tun hatte. Der Hall ihrer Stimme erreichte mich noch, als ich zwei Stockwerke höher aus dem Fahrstuhl stieg. Dezent im Hintergrund stand ihr Leibwächter. Das ARD-Gebäude liegt gleich neben dem Reichstag, „unserem“ Parlament. Wo sie Heim-Vorteil hat, weil sie dort Vize-Präsidentin ist, von Freundin Angelas Gnaden. Wäre sie anderswo auch so vollmundig, sagen wir, wenn sie in persönlicher Begegnung mit Broder „dagegenhalten“ müsste? Zum Beispiel in einer Talkshow? Dort soll sie gekniffen haben, las ich, indem sie dafür sorgte, dass Broder ausgeladen wurde.

„Zuerst kommt das Sagbare“: Gehobener Edelmenschen-Stil à la Carolin Emcke, deutet aber – neben der schwelgerisch schönen Substantivierung – auf Negatives: Die Neigung von Menschen, zu sagen, was sie denken. Also für „sagbar“ halten. Und das soll nicht sein. Denn dem „Sagbaren“ folgt schleichenden Fußes das „Machbare“. Und das Aussprechen von Gedanken, das „Sagbar“-Machen, ist in manchen paranoiden Gedankenwelten bereits „ein Angriff “.

Die Gedankenvollen sollen gefälligst schweigen

„dem Angriff auf die Menschlichkeit folgt der Angriff auf den Menschen“: Die semantische Verknüpfung von „Sagen, was man denkt“ und „Angriff auf die Menschlichkeit“ ist die Pointe des Zitats. Sie evoziert die Frage: Wie können „wir“ den „Angriff auf die Menschlichkeit“ verhindern? Nur, indem wir das „Sagbar“-Machen verhindern! Also das Aussprechen von Gedanken. Das ist Claudias Anliegen. Ihr selbst fällt es nicht so schwer, weil man, um eigene Gedanken auszusprechen, erst mal welche haben muss. Doch auch die Anderen, die Gedankenvollen, sollen gefälligst schweigen. Sonst droht noch Schlimmeres als der Angriff auf die Menschlichkeit: der Angriff auf Claudia, „der Angriff auf den Menschen“.

Denn wer etwas Kritisches über Claudia sagt, ist nach ihrer Logik ein Feind der Menschlichkeit. Die zitierte Textpassage dient der präventiven Einschüchterung aller, die es eventuell noch wagen könnten. Anonyme „Hass-Mails“, die angeblich in großer Menge bei ihr eingehen, dienen als Vorwand, um jede von ihrem engen Weltbild abweichende Meinung zu denunzieren, als „neurechts“, „Hetze“, „Falschbehauptung“, „Brandbeschleuniger“ oder zynisches „Geschäftsmodell“ cleverer Juden.

Ein Wort zum Stil des Textes: Die Verfasserin bevorzugt Sprach-Stereotype, Versatzstücke, Modewörter, die suggerierten sollen, dass sie zur „in-crowd“ gehört, zur tonangebenden Gruppe. Sie möchte den Eindruck von Spontaneität erwecken, doch in Wahrheit ist jedes Wort kalkuliert. Dabei tut sich ein Abgrund an Einsamkeit und echt wirkender Existenzangst auf – trotz grandioser Bezüge. Und, wenn man es nüchterner sieht, an Misanthropie, Judäophobie und wahnhafter Herrschsucht. Faschisten müssen nicht schwarz oder braun gekleidet sein, auch nicht glatzköpfig oder männlich-brutal. Sie können bunte Jacken tragen und sich die Haare gelb färben wie Claudia Roth.

Foto: Pixabay

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Ernst-Günther Konrad / 24.05.2020

So recht Sie haben, Ihre Textanalyse hervorragend die Geisteshaltung und die tatsächlichen Beweggründe dieser Frau offen legen. CR hat sich inzwischen fest etabliert in der Welt der “Mächtigen” im Bundestag. Sie ist da weitgehenst unter Gleichgesinnten, sieht man von den störenden AFDlern ab. Wer ihr Verständnis von Meinungsfreiheit und freiem Parlamentarismus im BT erlebt, wenn sie dort als Sitzungspräsidentin meint, alles was von der einzigen Opposition kommt in irgendeiner Weise behindern zu können und Abgeordnete zu maßregeln, weil sie kritisch hinterfragen und selbst denken, müsste längst gegen sie aufbegehren. Interessierte Menschen schauen sich die BT-Debatten selbst an, brauchen nicht nur Verständnishilfen der Regierungsmedien, sondern hören und sehen selber und kommen zu eigenen Ergebnissen. Hätten die Richter eine solche Analyse ihre Aussageinhalte im Verfahren vorgenommen, wäre das Urteil sicher anders ausgefallen. So aber geht es nur gegen"rächts” und da gilt ein anderes Verständnis von Meinungsfreiheit. Dennoch bin ich fest überzeugt davon, dass immer mehr Menschen aufwachen und erkennen, was ihnen da alles vorgegaugelt wird. Niemand kann später sagen, es hätte keine Warnungen gegeben.

Wolf Kull / 24.05.2020

Eine perfekte Analyse.

Walter Weimar / 24.05.2020

Die neuen Nazis sind grün, ökologisch, umweltfreundlich und selbstverständlich klimaneutral unterwegs. Ihre Steigbügelhalter bringen ihr vierzigjähriges Wissen und die Sache gerne mit ein.

U.lutz / 24.05.2020

Ja, vermutlich ist sie eine einsame Frau, die durch lautes Getöse ihre innere Leere übertönt. Dadurch bekommt sie Beifall von Linksaußen und fühlt sich bestärkt. Sie ist aber auch feige, sonst würde sie eine direkte Konfrontation nicht scheuen. Aber egal, tiefer will ich in die Persönlichkeit C.Roth nicht einsteigen

Markus Kranz / 24.05.2020

Der Punkt ist, dass ich keine Lust habe, mir von Erdogan, IS oder Linksextremenen Vorträge über die “Intoleranz” des Westens halten zu lassen. Diese Leute richten Völkermorde und Anschläge an, sie errichten Polizeistaaten. Claudia Roth hat ein komplett diskriminierendes, durch und durch rassistisches Weltbild. Und sie hofft inständig darauf, dass es niemand merkt.

Volker Wache / 24.05.2020

Volltreffer! Versenkt! Chapeau Herr Noll, besser kann man dieses grüne Schlachtschiff nicht zerlegen.

Franck Royale / 24.05.2020

Ja, Claudia Roth und Adolf Hitler haben viel gemeinsam. Zwei wenig attraktive, verhinderte Künstlerseelen, welche sich von der Gesellschaft ausgestoßen fühlten, und welche sich aufmachten, diese Gesellschaft grundlegend zu verändern. Sie gelangten an die Spitze einer politischen, einer sozialistischen Bewegung, weil sie einerseits ihr Umfeld mit lauter, schneidender Stimme in Grund und Boden quasselten. Andererseits - und noch viel entscheidender: weil sie „die Sache“ viel konsequenter verfolgten als andere. Denn sie fanden in dieser Bewegung etwas, was ihnen privat nicht vergönnt war: so etwas wie eine Familie. Jeder, der an dieser Bewegung etwas zu kritisieren hat, ist daher kein politischer Gegner mit dem man diskutieren kann, sondern ein Feind der Familie, den man im Zweifel vernichten muss.

Wolf-Dietrich Staebe / 24.05.2020

Warum mag ich die Mehrzahl meiner “Mitbürger” nicht und finde sie total beskiden? Und Claudia hat einen IQ von ungefähr 27.500! Und schön ist sie auch noch!

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