Von Wolfgang Mayr.
Die Regionalräte der Lombardei und Venetiens haben nach den Volksabstimmungen der Aufnahme von Verhandlungen mit der Zentralregierung in Rom zugestimmt. Erheblichen Druck macht vor allem Venetiens Präsident Luca Zaia von der Lega Nord.
Fast geschlossen stimmte der Regionalrat der Region Venetien dem Autonomie-Gesetz von Luca Zaia zu. Dieses Gesetz soll die pro-autonomische Volksbefragung in die Realität umsetzen: Zaia erhielt den Auftrag, mit Rom über die Umsetzung der Autonomie zu verhandeln. Nur die Abgeordneten des Partito Democratico (PD) und die Cinque Stelle boykottierten die Abstimmung im Regionalrat. Für Zaia unverständlich, nahmen an der Volksbefragung immerhin zwei Drittel der Bürger teil; es gab eine satte Mehrheit für eine autonome Region Venetien.
Ähnlich, wenn auch zaghafter, agiert die Region Lombardei. Nach einer langen Diskussion stimmte der Regionalrat mit einer unerwartet großen Mehrheit von 74 zu 4 Stimmen den Autonomieforderungen des Regionspräsidenten Roberto Maroni zu. Dabei geht es um jene 23 Zuständigkeiten (competenze concorrenti), die vom Staat - laut Verfassungsreform von 2001 - auf die Regionen übertragen werden können.
Für die Resolution stimmten nicht nur die Vertreter von Maronis Regierungsmehrheit, sondern auch der Partito Democratico und die Cinque Stelle-Liste. Die Lombardei fordert u.a. die Abschaffung der Automobilsteuer in der Region, die Kürzung des "superticket della sanitá", der Gesundheitsgebühr, die Übernahme der lombardischen Flughäfen, mehr Gelder für Innovation, Forschung und Schulen und größere Kompetenzen für bisher staatliche Infrastrukturen wie Straßen, Eisenbahnen, Brücken usw.
Mehr Kompetenzen für die Regionen
Gemeinsam mit der Emilia Romagna - dort fand keine Volksbefragung statt - wollen die Lombarden mit Rom über die Übernahme von derzeit 23 staatlichen Kompetenzen verhandeln. Der Venetier Zaia will aber noch mehr. Er verweist darauf, dass seine Region von zwei autonomen Regionen eingekreist ist, von Friaul-Julisch-Venetien und von Trentino-Südtirol. Gemeinden an der Grenzen zu diesen Regionen wollen Venetien verlassen und sich den autonomen Regionen anschließen.
Das italienische Parlament stimmte beispielsweise dem Wunsch von Sappada, einem deutschsprachigen Tal, zu, von Venetien nach Friaul-Julisch-Venetien zu wechseln. Bei einer Volksabstimmung in den drei ladinischen Gemeinden Cortina, Fodom und Col ein Jahr zuvor sprach sich ebenfalls die große Mehrheit der Bürger für einen Wechsel nach Südtirol aus. Zaia befürchtet den Verlust weiterer Gebiete. Er vermutet, die Regierung in Rom bestraft Venetien für das Aufbegehren und gewährt weiteren Gemeinden den Wechsel in die benachbarte Region.
Zaia will deshalb mehr als die Lombardei und die Emilia Romagna. Er kündigte ungeniert an, eine Voll-Autonomie anzustreben. Die Zentrale in Rom soll sich künftig mit Außen- und Verteidigungspolitik befassen, den Rest will die Region Venetien übernehmen. Also keine Schmalspur-Autonomie, die die Zentralisten vom linken wie rechten Lager großzügig gewähren wollen. Zaia appellierte an Regierungschef Gentiloni und an seinen Staatssekretär Bressa, beide vom Partito Democratico, die venezianischen Forderungen ohne Abstriche anzunehmen. Diese Forderung wird immerhin von der Mehrheit der Bürgerschaft des Veneto getragen.
Eine Provokation für Rom
Zaia will deshalb auch, dass neun Zehntel der eingehobenen Steuern in Venetien bleiben. Rom mag das als eine Provokation empfinden, spöttelte Zaia, nicht aber die Veneter. Venetien lässt sich nicht mehr abspeisen und länger vertrösten, teilte Zaia der Regierung in Rom mit. Nach der Volksbefragung ist Venetien anders geworden, "wir sind kein Bittsteller mehr", richtete er der Zentrale ungschminkt aus.
Den neuen Schwung zur Autonomie könnten aber die Neuwahlen einbremsen. Bevor die Regierung überhaupt mit den Regionen verhandeln darf, muss ein entsprechendes Gesetz zum "regionalismo differenzato" her, so will es die Verfassungsreform von 2001. Das Parlament wird voraussichtlich im Januar aufgelöst. Ein Gesetz zum "differenzierten Regionalismus", ein Verhandlungsauftrag an die Regierung, steht nicht auf der Tagesordnung. Trotzdem, der lombardische Präsident Maroni und der Präsident der Emilia Romagna, Stefano Bonaccini, haben sich bereits mit Regierungschef Gentiloni getroffen. Tuchfühlung, mehr war es nicht, hieß es hinterher.
Wie es derzeit läuft, wird Maroni seinen Plan nicht umsetzen können, bereits im Januar seiner Region die Autonomie zu bescheren.