Aufmerksame Leser werden es gemerkt haben – die Headline meines Beitrags lügt. Offenbar entgegen den irrationalen Hoffnungen einiger deutscher Politiker, halten die USA unseren Außenminister nicht für einen der ganz Großen seiner Zunft. Aber mit genau diesen irrationalen Hoffnungen erklärt sich die Aufregung um die Veröffentlichungen der Lecks in Deutschland. Man wäre eben doch gern ein wenig kompetenter gesehen worden. Was wäre das schön gewesen: „Hinter der manchmal polemischen Fassade verbirgt sich ein komplex denkender, hochgradig analytischer Kopf“ hätte man in der CSU womöglich über Horst Seehofer lesen wollen. „Immer wenn es eng wird, kommt sie mit einer überraschenden Idee um die Ecke“ hätte im Falle Angela Merkels überrascht. Und Westerwelle? Wie wäre es mit folgender Formulierung, liebe FDP-ler? „Es ist offensichtlich: der Mann war im Grunde seines Herzens schon immer Außenpolitiker. Wenn es einen Politiker gibt, den die ganz großen Fragen der Weltpolitik wirklich umtreiben, dann ihn.“
Tja, den Gefallen aber haben die US-Diplomaten den Deutschen nicht getan. Ebenso wenig haben sie das gemacht, was der klassische Amerikahasser gern gesehen hätte: Die hässliche Fratze einer überheblichen Großmacht gezeigt. Man spürt, wie gern sich ein noch größerer Schwall der Empörung über das Land ergießen würde, wie gern vor allem kritische Journalisten den USA wortreich ihre Arroganz vorwerfen würden. Stattdessen müssen sie nun Einschätzungen lesen, die so grundsätzlich nicht von dem abweichen, was auch in deutschen Zeitungen gelegentlich steht. Besser formuliert und wohl auch auf Basis von mehr echter Analyse geschrieben sind allerdings die Kommentare der US-Diplomaten.
Übrigens, nur um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist nicht davon auszugehen, dass Größen der Weltpolitik wie Kurt Beck oder Klaus Wowereit in den Augen der US-Diplomatie besser weggekommen wären.