Nur noch unheilbare Nostalgiker vermuten beim BVG (praktische) Vernunft. Gibt es dort überhaupt noch Reste davon? Wer auch den dem Ende ihres Lebensbogens zustrebenden Dementen, den nun wirklich wie die Säuglinge wieder Gewordenen, ein Wahlrecht zutraut, muß es auch eben jenen, also den Säuglingen, gewähren, also letzlich allen. VERKOMMENHEIT.
„Nun hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach einem Eilantrag (von Grünen, Linken und der FDP) entschieden, dass betreute Menschen mit geistiger Behinderung auch schon an der Europawahl Ende Mai teilnehmen dürfen.“ Und wo ist da nun der Unterschied zu den Menschen, die nicht betreut werden aber bereits schon immer so wählten, als bräuchten sie Betreuung? Gut, dem Mißbrauch ist Tür und Tor geöffnet aber die, Tür und Tor, stehen schon lange sperrangelweit offen. An dieser Stelle möchte ich an die ungezählten Manipulationen während der Stimmauszählung erinnern, die durch eifrige Verhinderer ungewollter Wahlresultate begangen wurden und werden. Diese Demokratie ist keinen Pfifferling mehr wert und sie unterscheidet sich von der Demokratie chinesischen Musters nur dadurch, daß derselbe Inhalt in unterschiedlichen Verpackungen auftritt. Und natürlich ist Empörung gut. Es zeigt immerhin, daß noch nicht jeder im Koma ist.
Als Psychiater, der selbst in Hunderten Fällen für Betreuungsgerichte Sachverständigengutachten erstattet hat, erstaunt mich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sehr! Ich erinnere mich an Fälle, in denen Familien versuchten, mit dem Segen des Betreuungsgerichtes Grundstücksverkäufe gegen den Willen des Betroffenen zu vollziehen. Der Arzt, der nicht mit der Familie übereinstimmte, sondern sein Gutachten streng nach der Diagnose und den hierfür geltenden Regeln erstattete und zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Betroffene diese “Angelegenheit” noch selbst regeln kann, stieß bei der Familie auf Empörung und erfuhr später eher zufällig, dass die Sippe zeitnah den Grundstücksverkauf doch realisiert und den Betroffenen ins Seniorenheim verfrachtet hatte. Die individuelle Willensbildung, also das entschiedene Nein als “Altersstarrsinn” oder “Bosheit aus Rache” zu erklären und mit “Entmündigung”, korrekt euphemistisch: “Betreuung” und einem Heimplatz zu bestrafen, gibt die Praxis des Betreuungsrechts schon heute her! Anders das Wahlrecht bei schwerer geistiger oder seelischer Behinderung! Wenn das BVerfG seine Entscheidung mit der “Allgemeinheit” des Wahlrechts begründet, bleiben die gleichrangigen Aspekte der “freien” und der “geheimen” Wahl auf der Strecke. Schlimmstenfalls tritt der Betreuer als Wählerstellvertreter auf und führt die Briefwahl nach gusto in seinem Büro aus, ohne überhaupt die Frage klären zu müssen, ob der/die Betroffene überhaupt wählen gegangen wäre! Von Dorchführungsverordnungen zur Vermeidung solcher Stellvertreterwahlen habe ich bis jetzt nichts gehört. Das BVG ignoriert die Erkenntnisse der Psychiatrie und schafft mit dem Beschluss neue Probleme. Man kann diesen Fall nicht ad acta legen. Er ist politisch nicht korrekt.
Das BVerfG trifft seit längerer Zeit politische Entscheidungen nach Zeitgeist oder Regierungswillen oder gibt seine Entscheidungsbefugnis einfach an den EUGH ab und verliert dadurch zunehmend an Reputation im Volk. Und das mitunter ganz offensichtlich. Zum Beispiel die vielen, u.a. wohl begründete Verfassungsklage der vier Professoren gegen den Euro hatte man mit fadenscheinigen Begründungen abgeschmettert und die über 100-seitige wohlbegründete Verfassungsbeschwerde von Professor Schachtschneider gegen die Einwanderungspolitik des Kabinetts Merkel wurde gar nicht erst angenommen - mit fadenscheinigen Argument. Bei den nach Parteienproporz handverlesenen Richtern eigentlich kein Wunder.
Es ist ja nicht ohne Grund so, dass die Grünen ganz scharf darauf sind das geistig behinderte Betreute “wählen” dürfen. Schließlich kommt ein Großteil der grünen Stammwähler aus sozialen Berufen. Der “Betreute” wird im seltensten Fall in eigener Entscheidung “wählen”, bestenfalls wird ihm die Hand geführt…....
Danke Herr Meins für Ihre analytische Darlegung. Es geht ums Ganze! Die Befürworter dieser Änderung wissen genau um, die teilweise nur geringen Stimmunterschiede, in 10er Potenzbereichen von 10 hoch null bis 10 hoch 3 im Stimmbezirk. Es geht darum Betreuern dieser Leute zu einer legalen zweiten Stimme zu verhelfen, und damit knappe Entscheidungen zu steuern. Wie sehr die Betreuten Ihren Betreuern ausgeliefert sind, durfte ich vor ca. 2 Jahren an einem Würstchenstand erleben. Eine junge Dame im Elektrorollstuhl mit Joystick, die nach zweimaligen frontalem erfolglosen Rammen des Verkaufstandes nicht an Ihre Wurst gekommen war, erhielt, von einem netten Mann vor mir, den Hinweis die Theke seitlich anzufahren, und es klappte. Kaum hatte sich meine heimliche Freude über den behindertensensibel, tollen Ratgeber gelegt, da klingelte das Handy besagter Dame. “Ja natürlich komme ich zum Marktplatz gegen AVD!” Unweit der Bude stieß ich dann auf etwa 30 Betreute und 10 Betreuer der Lebenshilfe an Ihrem Sammelpunkt, bevor Sie aufbrachen einen Redner der AFD zu stören. Mir war dieses Erlebnis die Offenbarung zum Thema, ich verspürte Abneigung gegen das Verhalten der Betreuer, die sich zunehmend verfestigt. Als Demokrat ist mir seitdem übel und ich muss mich überwinden wählen zu gehen. Für mich gehörte es gelegentlich dazu, auch Rednern störungsfrei zuzuhören, die meine Stimme nie bekämen.
1989/90 absolvierte ich gerade meinen Zivildienst bei der Arbeiterwohlfahrt (Alten- und Plegeheim). Viele der dort untergebrachten Personen waren in fortgeschrittenem Grade dement, aber konnten dennoch ihr Wahlrecht ausüben (eben nicht unter amtlicher oder andersartiger Betreuung). Wer glauben sie denn, hat für die Menschen die Wahlunterlagen ausgefüllt? Zwei Situationen blieben mir im Gedächtnis: Zum Einen kam der katholische Ortspfarrer, um sicherzustellen, dass seine Schäfchen das Kreuz auch wirklich bei “der Partei vom lieben Gott” machte. Zum Anderen Pflegedienstleitung/Ortsvorstand der AWO, um die Stimmen eben für die rote Konkurrenz zu sammeln (Grün spielte damals noch keine Rolle). Und die Hand/den Stift führte dabei nie der Bewohner selbst. Mit anderen Worten, in Altenheimen wird seid Jahr und Tag massiver Wahlbetrug begangen, von alles ach so demokratischen PArteien.
Ja und da haben wir ja noch das passive Wahlrecht Herr Meins - dies zu verwehren wird recht spannend werden. So herzlos wie ich nun mal bin, sehe ich bei dem Wahlrecht der Geistigbehinderten (und denen mit dem “Greisenblödsinn”) die Prinzipien unserer Wahlen (allgemein, unmittelbar, frei gleich und geheim) missachtet. Man könnte die Stimmen doch gleich der Kategorie ‘ungültig’ zuordnen - wäre ehrlicher.
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