Günter Keil, Gastautor / 29.09.2017 / 12:35 / Foto: Eric Staller / 4 / Seite ausdrucken

Elektrisch um die Ecke biegen: Die Liebe der Politiker (2)

Von Günter Keil.

Politiker, die gemeinhin von Technik wenig verstehen, zeigten stets ein großes Faible für Elektroautos. Es waren wohl dessen positive Eigenschaften, die einen Laien überzeugten, wobei man die erheblichen Nachteile entweder ignorierte oder gar nicht kannte:

  • E-Autos sind leise (zum Schutze der Fußgänger muss man ihnen eine künstliche Geräuschquelle einbauen);
  • sie produzieren am Ort ihres Einsatzes keine Abgase; sehr wohl aber am Orte der Stromerzeugung, und zwar durch Kohle- und Gaskraftwerke. In Norwegen bezieht man Strom fast völlig von

Wasserkraftwerken, weshalb die dort fahrenden E-Autos keine Emissionen an anderen Orten verursachen. Deutschlands Situation ist jedoch eine andere: Die Abschaltung der emissionsfreien deutschen Kernkraftwerke sorgte dafür, dass die hiesige Stromerzeugung von besonders hohen Emissionen gekennzeichnet ist, was dazu führt, dass Elektroautos auch keine klimapolitischen Vorteile mehr gegenüber Benzin- oder Diesel-PKW besitzen. Damit platzte das Klimaschutz-Argument der Regierung bereits zu Beginn der wieder einmal entdeckten Elektroautos.
Soweit die bescheidenen Vorteile.

Zu den Nachteilen:.

  • Ihre Batterien sind sehr schwer und teuer und ihre Lebensdauer kann recht kurz sein (abhängig von der Betriebsweise); das hohe Gewicht erhöht den Verbrauch; die Reichweite ist fast so gering, wie vor 100 Jahren.
  • Das Aufladen ist zeitaufwendig. Ohne eine eigene Ladestation ist man auf öffentliche Ladestationen angewiesen – und bei Ladezeiten von mindestens 30 Minuten kann man sich die Schlange vor der Stromtankstelle vorstellen. Und das womöglich täglich.
  • Im Winter sinkt die Ladung der Batterie, gleichzeitig steigt der Stromverbrauch durch Heizung und Beleuchtung. Folge: Noch wesentlich geringere Reichweite als im Sommer.
  •  Was noch zu beachten wäre: Der Strombedarf in PKW ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig angestiegen: Klimaanlagen, stärkere Lichtanlagen, elektrische Fensterheber und Sitzverstellungen, elektrische Lenkhilfen und Sitzheizungen, elektrische Servos im Motorenraum, Musikanlagen, Navis, GPS, Freisprechanlagen, automatische Einparkhilfen, Alarmanlagen etc. Entsprechend stärker wurden die Lichtmaschinen, entsprechend leistungsstärker auch die Batterien. Der Trend geht zum 48-Volt Bordnetz, damit nicht zu viel Kupfer für die Verkabelung benötigt und eine kombinierte Anlasser-Lichtmaschinen-Einheit möglich wird. Erwartet irgendjemand, dass die Autofahrer auf das alles verzichten und in E-Autos auch noch fossile Zusatzheizungen (wie von Eberspächer,und Webasto für Yachten) auf Flüssigtreibstoffbasis akzeptieren müssen, um überhaupt im Winter fahren zu können ?
  • Und es bleibt zumindest heute noch die Sicherheitsfrage: Können die Batterien brennen ? Es gab derartige Fälle mit Lithium-Ionen-Batterien – und nicht nur bei Laptops und Mobiltelefonen, sondern auch bei Autos.

Die Batterien sind und bleiben der entscheidende Nachteil der E-Autos. Es folgten die Renaissance-Versuche. Die Post hatte bereits in den 50er Jahren eine ganze Flotte mit Bleiakkus ausgerüsteter Elektrotransportern für die Paketauslieferung in Betrieb. Eine Anwendung, die schon immer sinnvoll war. Aber eine Gesetzesänderung des Verkehrsministers führte zur Verschrottung aller Fahrzeuge.Dann war erst einmal Pause.

Aber nach etlichen Jahren ging es wieder los: Die Regierung von Bundeskanzler Kohl kündigte im Jahre 1992 eine neue Elektroauto-Epoche an.  Zwischen 1992 und 1995 führte die Regierung – begeistert befürwortet durch Forschungsminister Heinz Riesenhuber und eine gewisse Angela Merkel, damals Umweltministerin, – einen großen Feldtest für Elektroautos auf Rügen durch, in dem eine Reihe verschiedener Elektroautomobile – zumeist mit Bleiakkus und Elektromotoren umgerüstete Serienmodelle der Hersteller – ihre Fähigkeiten zeigen sollten. Und der damalige Innenminister Manfred Kanther gab das Ziel aus, daß mindestens 10 Prozent aller neu zugelassenen KFZ im Jahre 2000 Elektroautos sein sollten.

Es kam natürlich anders. Aber diese Pleite zerstörte keineswegs den offenbar unausrottbaren Wunderglauben an die Renaissance des Elektroautos. Die einzige spürbare politische Wirkung dieses unnötigen und chancenlosen Versuchs war eine Kürzung der Forschungsförderung. Das Gegenteil wäre eine vorausschauende Politik gewesen, die half, die grundsätzlichen Probleme elektrochemischer Speicher durch eine langfristig angelegte Grundlagenforschung anzugehen.

In der nächsten Folge morgen:  Und abermals das Elektroauto – diesmal für den Klimaschutz

Autor Dr. Ing. Günter Keil ist ehemaliger Ministerialdirigent im Bundesforschungsminsiterium

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Seite des Europäischen Institutes für Klima und Energie (Eike) hier

Teil 1

Teil 3

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Teil 6

Teil 7

Teil 8

Teil 9

Foto: Eric Staller GFDL via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Werner Liebisch / 30.09.2017

Wenn sie Kraftwerke mit Benzin betreiben würden um Strom für Elektroautos zu produzieren, wären Elektroautos immer noch effizienter als Treibstoffbetriebene. Alle Faktoren wie Transport für den Treibstoff und etc. miteingerechnet… Der Durchschnittspendler fährt etwa 20 km zur Arbeit, da kommen sie im auch im Winter vollbeheizt locker hin und retour, mit einem Fahrzeug das im Sommer 160 km Reichweite hat. Da verstehe ich ihre Aussage überhaupt nicht. Erfahrungsberichte darüber gibt es genügend.

H. Störk / 29.09.2017

Elektromotoren im Auto sind wie Ionenantriebe für Raumfahrzeuge: für sich allein genommen wunderbar effizient, aber ohne Stromquelle völlig nutzlos. Im Weltraum versucht man es mit Solarzellen, die dort den Vorteil haben, rund um die Uhr auf die Sonne ausgerichtet zu werden, und hat dennoch ein Gewichtsproblem: trotz daß Solarzellen so wunderbar leicht sind, liefern sie im Verhältnis zum Gewicht zuwenig Leistung. Am Boden probiert man es mit Batterien, Lithium ist immerhin zigmal leichter als Blei. Aber wirklich funktionieren tut Elektromobilität nur dort, wo man das Kraftwerk aus dem Fahrzeug auslagern kann und Oberleitungen benutzt - auf Schienen oder beim O-Bus. Strom kann man nicht speichern, er muß erzeugt werden, wenn man ihn braucht. Die Erzeugung mittels Batterien ist zwar verlustarm verglichen mit der Erzeugung in der Lichtmaschine eines konventionellen Autos, aber es ist eine zusätzliche Energie-Umwandlungs-Einheit, die Gewicht, Kosten und Verschleiß mit sich bringt. Einen Lithium-Akku zu ersetzen kommt teurer als eine Lichtmaschine. Sinnvoll ist Elektromobilität beim TGV: durchgehende Oberleitung und bei jedem Bahnhof ein Kernkraftwerk.

Karsten Dörre / 29.09.2017

Solange die Nachfrage nach E-Fahrzeugen und deren effiziente Haltung nicht die Herstellung übersteigt, müssen keine Buchstaben für dieses Nischenprodukt verschwendet werden.

K.H. Münter / 29.09.2017

Eine Frage habe ich an Dr. Keil: wie groß ist denn der Unterschied in der Energiedichte zwischen Benzin und einem der aktuell genutzten Lithium-Ionen-Akkus?  

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