Hans-Hermann Tiedje, Gastautor / 05.09.2020 / 12:00 / Foto: BKA / 18 / Seite ausdrucken

Eine kleine Freude im Sommer der Trostlosigkeit

Jan Marsalek (40) ist der meistgesuchte Mann der Welt. Stichwort Wirecard: 1,9 Milliarden Euro sind verschwunden, entweder als Luftbuchung oder in seinen Taschen. Ein Betrüger im Megaformat. Hoffentlich wird er bald erwischt. 

Dazu folgende Richtigstellung: 

Eine gewisse klammheimliche Freude über die Existenz dieses Mannes will ich nicht verhehlen. Natürlich hat er mit hoher krimineller Energie Anleger ums Geld gebracht und Mitarbeiter um ihren Job. Aber er ist, Stand heute, weder ein Mörder noch ein Kinderschänder. Er ist sowas wie O. W. Fischer als „Peter Voss, der Millionendieb“. Einer Verkleidungskomödie mit falschen Bärten, falschen Identitäten, falschen Pässen…

Was wollen wir mehr in diesem Sommer der Trostlosigkeit? 

Wo ist Marsalek? Belarus, Putin, Nordkorea, Iran? Alles Quatsch. Ich glaube, er versteckt sich im Schwarzwald oder, mit Bart als Schäfer, in der Lüneburger Heide. 

Wie muss man sich Marsalek vorstellen? Fest steht nur: Er ist deutlich größer als Heiko Maas oder Gregor Gysi, er ist weltläufiger als Lukaschenko. Vielleicht hat Marsalek Fantomas als Vorbild. Abtauchen, mit anderer Maske das Geschehen kontrollieren.

Aber hält sich Marsalek überhaupt an die Maskenpflicht? Wie der weißblaue Maskenmann Söder, der der Bevölkerung androht, „die Zügel anzuziehen“. Seither weiß ich zumindest, dass Söder mich offenbar für ein Pferd hält, und ich weiß, dass ich ihn nicht als Kanzler will.  

Marsalek: Das ist eigentlich ein Stoff für Claas Relotius, den vielfach preisgekrönten „Spiegel“-Dichter. Das Problem: Wenn der die Wahrheit wüsste – man würde sie ihm nicht abnehmen. Leider. 

Zuerst erschienen im Euro am Sonntag

Foto: BKA

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Leserpost

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Franz Klar / 05.09.2020

Wirecard ist DAS Symbol unserer Zeit . Jeder Quatsch wird geglaubt , wenn er ins Weltbild paßt . Dödelland kann auch IT auf Weltniveau , eine Industrienation kann mit Windmühlen und voraufgeklärten Fachkräften den batteriegetriebenen Warpantrieb entwickeln , wenn wir Stoff mit Wasser tränken , haben wir den Wasserstoffspeicher , um den uns die Welt beneidet und Händewaschen hilft gegen Atemwegsinfektion . Und wir haben Drosten !

Werner Liebisch / 05.09.2020

... und hatte er auch nicht das Rezept für den berrühmt berüchtigten Nowitschok Kampfstoff erhalten?

Uta Buhr / 05.09.2020

Herr Tietje, volle Zustimmung. Auch ich will Söder nicht als Kanzler. Aber wen können Sie sich denn als Nachfolger der Gottähnlichen vorstellen, lieber Autor? Vielleicht Laschet oder Habeck? Merz und Röttgen sind ja auch noch im Angebot. Teilen Sie uns Achse-Lesern doch mal mit, wen Sie von “denen da”, die überhaupt in Frage kommen, für geeignet halten. Danke vielmals im voraus !

beat schaller / 05.09.2020

Genial geschrieben!! Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn bewundern soll, weil er offensichtlich genial vorgegangen ist. Genialer als die gesamte Deutsche Politik inkl. der allwissenden Allerweltskanzlerette. Allesamt hat er hinters Licht geführt. Manchmal muss man sich sogar so einen Menschen als Vorbild nehmen, vor allem dann, wenn man glaubt, dass etwas nicht mehr zu verändern ist. Assange lässt grüssen!  Und die Politik mit dem totalen Corona-Umbau ebenfalls. Noch ein paar solche Pleiten und dann sollen sich die Verantwortlichen weiter zu verteidigen versuchen. b.schaller

Max Wedell / 05.09.2020

Ich habe das jetzt nicht so verfolgt, aber wenn die 1,9 Mrd. sich auf Bankkonten befinden, wie können Sie da verschwinden? Sie scheinen also nicht auf Bankkonten zu liegen, und damit sollte Marsalek auf der Flucht doch relativ schnell erkannt werden können… es ist der Mann mit den vielen schweren Koffern!

Heribert Glumener / 05.09.2020

Möglicherweise schreibt Herr Marsalek, wie es vor ihm bereits Hansjoachim Tiedge tat, erst einmal in aller Ruhe an einer Dissertation in Karolinenhof (bei Berlin). Ab 2022 könnte Herr Marsalek in der früher von Tiedge genutzten Wohnung bei Moskau unterkommen und ca. 2027 in das Neue Deutschland zurückkehren. Als Botschafter des Friedens und für Antikapitalismus.

Harald Unger / 05.09.2020

Um davonzukommen, muss Marsalek intensiv die kriminalistischen und nachrichtendienstlichen Techniken und Methoden der Zielfahndung studiert haben, um eine logistisch wasserdichte Fluchtorganisation zu entwickeln, aus der heraus er mit neuer Identität, Aussehen und Agenda wieder auftauchen kann. Vor allem, um den privaten Bounty Huntern der internationalen Sicherheitsdienste zu entgehen. Ebenso den anderen Kriminellen, die ihn ebenfalls jagen, um an die Beute zu kommen. - - - Um so etwas zu realisieren und mit dem Fahndungsdruck fertig zu werden, darf man kein Anfänger sein. Am besten, wie Hans-Hermann Tiedje vermutet, ist die Strategie des ‘hiding in plain sight’, ohne auffälligen Lebensstil. - - - Unvergessen ist Jürgen Schneider, der den Florida Rolf machen wollte und dabei übersah, daß seine einzige Fremdsprache Hessisch war. - - - Will Marsalek also wie weiland Thomas Crown nicht zu fassen sein, müssen seine methodischen Kenntnisse, Logistik und neue Agenda in einer perfekten Organisationsstruktur geplant und ausgeführt werden. Einschließlich der größten Gefahr von allen: Murphys Gesetz.

Helmut König / 05.09.2020

Verdammt, warum bin ich nicht selbst drauf gekommen?

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