Peter Grimm / 08.05.2017 / 08:37 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 11 / Seite ausdrucken

SPD: Ein Verlierer und ein Aushilfs-Sieger

Sigmar Gabriel hat gewonnen. In seinem Amt als Außenminister, mit dem er dafür entschädigt wurde, dass er den Platz als SPD-Chef räumen musste, darf er sich öffentlich über den Sieg von Emmanuel Macron freuen, ohne den Absturz seiner Partei bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein vertreten zu müssen. Und er scheint es am Wahlsonntagabend genossen zu haben, auf der Seite des Siegers zu stehen und sich nicht mehr vor seine trauernden Genossen stellen zu müssen.

„Emmanuel Macron steht für Europa, steht für Aufbruch, für Reformen. Er möchte Europa besser machen. Dieses Ziel teilen wir! Er wird aber auch Deutschland herausfordern. Die Wahl Macrons ist auch ein Auftrag an uns Deutsche“, jubelte der Genosse Außenminister. Wieso französische Wähler einen „Auftrag an uns Deutsche“ erteilen können, hielt Gabriel nicht für weiter erklärungsbedürftig. Dafür verschwieg er nicht, worum es in dem Auftrag geht. Die deutschen Steuerzahler sollen in Anspruch genommen werden, um Macrons Wahlversprechen zu finanzieren.

„Wir sollten jetzt gemeinsam mit den Franzosen an einem deutsch-französischen Investitionsfonds arbeiten. […] Nur wenn es unseren Nachbarn gut geht, werden sie unsere Autos, unseren Maschinenbau und unsere Elektrotechnik kaufen“, formuliert es der frühere Bundeswirtschaftsminister. Der letzte Satz ist zwar grundsätzlich richtig, nur ist das vordringlich die Aufgabe der französischen Verantwortungsträger und Genosse Gabriel sollte sich vielleicht abseits aller guten Zahlen einmal im Lande umsehen, wie lange schon hierzulande vielerorts die Infrastruktur auf Investitionen wartet. Das wiederum fällt in die Verantwortung einer deutschen Regierung. Die Frage sei noch erlaubt, was eigentlich der „Auftrag an uns Deutsche“ gewesen wäre, wenn sich der französische Wähler mehrheitlich für Marine Le Pen entschieden hätte?

Gut, das ist vielleicht eine etwas abseitige Frage, denn sie hat ja klar verloren und das hatte schließlich jeder erwarten können. Allerdings ist der Sieg Macrons so glänzend nicht, wie er auf den ersten Blick aussieht.

8,9 Prozent haben bewusst ungültig gestimmt

Nur 75 Prozent der Wahlberechtigten sind überhaupt zur Abstimmung gegangen und 8,9 Prozent der Wahlberechtigten haben bewusst ungültig gestimmt. Das ist ein Rekordwert. Mehr französische Wähler als je zuvor wollten demonstrieren, dass sie zwar gern gewählt hätten, aber keinen der Kandidaten für wählbar hielten. Das ist eine grundsätzliche Absage an die politische Klasse, die selbige nicht nur in Frankreich bedenklich stimmen sollte, sondern vielleicht auch all jene, die Macrons großen Sieg so bejubeln, wie unser Bundesaußenminister: „Ich bin froh, dass Emmanuel Macron der Sieg gelungen ist. Sein Wahlkampf zeigt: Es lohnt sich, auf Europa zu setzen. Das hat auch Signalwirkung für uns in Deutschland.“

Vielleicht sollte Genosse Gabriel an dieser Stelle doch noch einmal einen Blick auf die Signale aus seiner eigenen Partei werfen. Die hat bereits auf Europa gesetzt, in dem sie mit dem früheren EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz einen "kraftvollen und durchsetzungsstarken Europäer" als Hoffnungsträger an die Spitze setzte. Nach einem kurzen Umfrage-Gipfelsturm muss nun auch der vermeintliche Heilsbringer nur peinliche Niederlagen rechtfertigen.

Immerhin ist der Sündenbock schon ausgemacht: Ministerpräsident Torsten Albig ist schuld. Rechnerisch hat der Wahlverlierer noch die Chance, eine Landesregierung zu bilden. Gelingt ihm das nicht, dürfte seine politische Karriere vorerst beendet sein. Irgendwer muss nun einmal die Verantwortung übernehmen und den Kanzlerkandidaten Schulz möchte man mit den Spuren einer solch dramatischen Niederlage natürlich nicht beschmutzen.

Lustig wirken da die Erklärungen des schleswig-holsteinischen SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner, obwohl der Mann sonst eigentlich eher nicht für selbstironischen Humor bekannt ist. Der Genosse aus Bordesholm twittert ebenso gern, wie der dafür oft gescholtene US-Präsident.

Pathetische Sprechblasen, die nach hinten zünden

Kurz wärmte er sich noch an der Nachricht: „Die meisten Erstwähler haben sich in Schleswig-Holstein für die SPD entschieden.“ Doch er sagte auch klar: „Alle Wahlziele wurden verfehlt.“ Jetzt wüssten wir gern, woran es gelegen hat: „Der Gerechtigkeitskurs war richtig, am Bundestrend hat es nicht gelegen, am Einsatz unserer Leute wirklich auch nicht - Wahlanalyse folgt.“ Wer nun gespannt darauf gewartet hat, las sieben Stunden später: „Partei im Norden hat bravourös gekämpft, am Bundestrend lag es auch nicht - im Gegenteil. Ursachenforschung notwendig!“

Also es lag nicht an der Landespartei und nicht am Bundestrend. Vielleicht ereilt den Genossen Landesvorsitzenden im Laufe des Tages noch die Erkenntnis, dass es an den Wählern gelegen haben könnte, die weder der Schulz-Zug noch das von Stegner einen Monat vor der Wahl verkündete „Sofortprogramm des Landes für Sanierung von Sanitärräumen in Schulen“ zu einer Stimme für die SPD motivieren konnte.

Aber auch Genosse Stegner findet Trost: „Zumindest Präsidentschaftswahlen in Frankreich mit erfreulichem Ergebnis.“ Wahrscheinlich hätte er lieber mit Sigmar Gabriel gejubelt und uns erklärt was der „Auftrag an uns Deutsche“ ist.

Eine Frage bleibt. Erteile ich mit meiner Stimme zur Bundestagswahl eigentlich auch einen Auftrag an die Franzosen oder die Polen, die Tschechen und die Dänen? Oder doch vielleicht nur an die gewählten Mandatsträger? Vielleicht sollten deutsche Spitzenpolitiker etwas weniger pathetische Sprechblasen in ihren Textbausteinkasten packen.

Der Beitrag erschien auch auf Peter Grimms Blog Sichtplatz.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Karla Kuhn / 08.05.2017

“„Emmanuel Macron steht für Europa, steht für Aufbruch, für Reformen. Er möchte Europa besser machen. Dieses Ziel teilen wir! Er wird aber auch Deutschland herausfordern. Die Wahl Macrons ist auch ein Auftrag an uns Deutsche“, jubelte der Genosse Außenminister. ”  Was für ein Auftrag, daß wir am Ende die ganze Last alleine begleichen müssen ?  Wenn ich mir vorstelle, daß der Mann auf Eurobons setzt , die Schulden müssen dann gesamtschuldnerisch zurückgezahlt werden, schwant mir nichts Gutes.  Dabei ist vertraglich festgeschrieben, daß jedes Land für seine eigenen Schulden haften muß.  Gabriel wird das Jubeln noch vergehen. Eben konnte ich im Fernsehen sehen, daß in Paris eine große Demo gegen Macron stattfindet mit einem großen Polizeiaufgebot.  Der Mann wird es schwer haben. Noch bevor er sein Amt angetreten hat, bekommt er schon Gegenwind. Die Franzosen sind halt ganz anders als wir. Aber Frau Merkel will ihm ja helfen, habe ich eben auf t-online gelesen. Am deutschen Wesen….. ???

Matthias Strickling / 08.05.2017

Der Auftrag an uns Deutsche ist doch sonnenklar: Der Deutsche Steuerzahler soll auch weiterhin und zwar verstärkt weniger produktive Länder alimentieren. Also Länder wie Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und natürlich auch Frankreich. Damit diese weiterhin Ihren Wählern wohltaten bereiten können. Das sind allerdings alles Länder, deren Politiker sich nicht trauen, Ihren eigenen Steuerzahlern die Zumutungen aufzubürden, nahezu 7 Monate eines Jahres ausschließlich für Steuern und Sozialabgaben arbeiten zu müssen , bevor auch nur der Erste Euro in der eigenen Tasche verbleibt. Dies traut sich allerdings unsere Politikerelite in immer stärkerem Maße. Bald sind Wahlen.

Alexander Renz / 08.05.2017

Wir erteilen die Aufträge an alle Außengrenzen - Länder der EU. Dieser Auftrag lautet: baut um Himmelswillen Zäune, lieber doppelte und höhere als nötig. Bei Fragen stehen hier jede Menge kompetenter Zaun- und Mauerbauer zur Verfügung. Wir gewähren Gewähr für 30 Jahre Sicherheit gegen Durchbruch, Überklettern und Untertunneln. Film und Anschauungsmaterial bei Interesse kostenlos. Ebenso Subventionierung des Baumaterials. Anfragen an unseren uckermärkischen Kartoffelsack und deren BlockflötengenossInnen.

A. Biermann / 08.05.2017

Lieber Herr Grimm, warum die Wahl Macrons auch “ein Auftrag an uns Deutsche” ist, ist aus Sicht unserer Bundesregierung mit Blick auf die ausstehenden Parlamentswahlen im Juni schnell beantwortet. Wenn Macron neoliberal und „proeuropäisch“ durchregieren will, braucht er eine starke eigene Fraktion im Parlament. Die wird er ohne “Hilfe von außen” nicht bekommen. Ob es ihm gelingt, hängt ganz wesentlich von der Linie ab, die Berlin und Brüssel in den nächsten Monaten gegenüber Frankreich fahren werden. Wenn Merkel und Schulz einen französischen Partner haben wollen, mit dem sie unbeschwert neoliberal durchregieren können, müssen sie Macron öffentlichkeitswirksame Zugeständnisse machen. Nach den Parlamentswahlen in Frankreich und erst Recht nach den Wahlen in Deutschland könnten sie dann im „besten“ Falle fünf Jahre lang Europa gemeinsam formen – eine Perspektive, die mir Angst macht. Wundern Sie sich also nicht, wenn die deutsche Bundesregierung sich in den nächsten Monaten äußerst konziliant gegenüber Frankreich zeigt.

Jochen Brühl / 08.05.2017

Das ist bestimmt noch etwas für das Projekt des Demokratievormunds aus dem Schwesig - Ministerium. Ein Ratespiel, welche Aufträge andere Europäische Völker bei ihren jeweiligen Wahlen an uns Deutsche, pardon, diejenigen, die schon länger hier leben, mit ihrem jeweiligen Wahlergebnis erteilt haben.

Marcel Seiler / 08.05.2017

“Nur wenn es unseren Nachbarn gut geht, werden sie unsere Autos, unseren Maschinenbau und unsere Elektrotechnik kaufen“, sagt Herr Gabriel. Der Satz wäre richtig, wenn unsere Politik ihn nicht so pervertiert hätte, dass er bedeutet: “Nur wenn wir unseren Nachbarn Geld schenken, werden sie unsere Güter kaufen.” Denn das ist es, was wir tun.

Peter Hansen / 08.05.2017

Vielleicht sollte Herr Stegner mal die Schuld bei sich selbst suchen, immerhin war er es doch, der mit Gregor Gysi auf Tuchfühlung ging und fleißig Süßholz für Tiefrot geraspelt hat! Die Wähler wollen eine Sozialdemokratie für die Mitte, keine weitere Umverteilung zulasten der Mitte.

Wieland Schmied / 08.05.2017

“................ noch das von Stegner einen Monat vor der Wahl verkündete „Sofortprogramm des Landes für Sanierung von Sanitärräumen in Schulen“ zu einer Stimme für die SPD motivieren konnte.” Irgendwie ist das eine spezielle Gegebenheit bei dieser Partei, alles was sie in den vergangenen 25 Jahren angefasst hat oder solches auch nur versuchte, hat(te) im Ergebnis immer etwas mit Latrine zu tun. Wohl dem, der sich nicht in ihrer Nähe aufhalten muß.

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