Ansgar Neuhof / 04.10.2018 / 12:00 / 22 / Seite ausdrucken

Ein neues Medienkartell?

Ein neues Medienkartell aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Sendern und Verlagen braut sich am Horizont zusammen. Der Intendant der Bayerischen Rundfunks und derzeitige ARD-Vorsitzende, Ulrich Wilhelm, will eine neue Digital-Plattform im Internet schaffen, eine Art Mischung aus Youtube, Google und Facebook (siehe hier). Quasi ein europäischer Gegenpart zu den genannten amerikanischen Unternehmen, ein Mischmasch aus Videoportal, digitalem Presse-Kiosk und Diskussions-Netzwerk. Auf der Plattform sollen öffentlich-rechtliche und private Sender und Verlage sowie Institutionen aus Kultur und Wissenschaft Medieninhalte wie Videos, Artikel und dergleichen bereitstellen können. 

Rechtlich soll die neue Plattform als Gemeinschaftsunternehmen organisiert sein, an dem sich Presseverlage und öffentlich-rechtliche Sender als Gesellschafter beteiligen können. Die neue Plattform soll „nach unseren Werten ausgerichtet“ sein, so Wilhelm. Was für „Werte“ das sind – es bleibt unkonkret, aber man ahnt es. Jedenfalls soll die Plattform laut Wilhelm „Hass und Hetze erschweren“. Diese Signalbegriffe sollten dann wohl genügen, um in der Politik auf offene Ohren für das Projekt zu stoßen. 

Bei den privaten Verlagen jedenfalls stößt Wilhelm auf Zustimmung. Der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns, Matthias Döpfner, beispielsweise sagte: „Wir halten die Idee für grundsätzlich richtig. Genau so etwas braucht es.“ Die Systemvermischung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Medien sieht Döpfner zwar als Problem, aber als ein lösbares, wenn der Wille dazu vorhanden sei.  

Das ist eine Kehrtwende bei Springer im Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen Sendern. Noch 2016 erwirkten mehrere Zeitungsverlage, darunter Springer, ein Gerichtsurteil gegen die ARD, das Ende 2017 rechtskräftig wurde (siehe hier). Die Klage der Verlage hatte sich dagegen gerichtet, dass die Tagesschau-App presseähnliche Inhalte verbreite und damit in einen unlauteren Wettbewerb zu kostenpflichtigen Angeboten der Verlage trete. Mit markigen Worten wie „gebührenfinanzierte Staatspresse“ und „Nordkorea“ attackierte Döpfner die öffentlich-rechtlichen Sender. 

Diese Gegnerschaft scheint beendet. Zweifellos stehen hinter dem neuen Bündnis wirtschaftliche/finanzielle Erwägungen. Die Konkurrenz neuer, unabhängiger Medien macht den herkömmlichen Verlagen schwer zu schaffen. Die seit Jahren zum Teil dramatischen Auflageneinbußen belegen das. Da tut es den privaten Verlagen gut, wenn öffentliche Gelder fließen. Und wenn es nur für die Infrastruktur ist, über die die Inhalte verbreitet werden können. 

Finanziert werden soll die neue gemeinsame Plattform nämlich aus öffentlichen Geldern. Startkosten von 50 Millionen Euro veranschlagt ARD-Intendant Wilhelm. Diese Mittel sollen zwar nicht direkt vom Staat kommen, aber doch indirekt aus Fördermitteln öffentlicher Banken und Stiftungen. Wie die laufenden Finanzierung erfolgt, ist unklar. Gegebenenfalls auch durch die Rundfunkgebühren. Damit würde dann in abgeänderter Form eine Forderung des früheren Vorsitzenden des deutschen Journalistenverbands, Michael Konken, umgesetzt. Dieser hatte sich bereits 2015 angesichts sinkender Auflagenzahlen für eine Haushaltsabgabe für Printmedien ausgesprochen. Ob nun direkte oder indirekte Steuerfinanzierung und/oder Gebührenfinanzierung – eins ist klar. Der Bürger darf zahlen. „Demokratieabgabe“ 2.0. 

Aber die finanziellen Nachteile für den Bürger sind noch das geringste Übel. Eine solche neue Medienplattform von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Presseverlagen hat das Zeug, die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland substanziell infragezustellen. Dieses Medienkartell würde den Digital-Markt monopolähnlich beherrschen können. Andere Digitalangebote wären dann chancenlos. Sie könnten vielleicht in Nischen weiterbestehen und dort sogar Geld verdienen. Aber wahrgenommen würden sie im öffentlichen Diskurs noch weniger als heute. Der Meinungskorridor würde weiter verengt, Meinungen, die im Widerspruch zu den sogenannten „Werten“ der Plattform stehen, fänden noch weniger Gehör als heute.

Es bleibt die Hoffnung, dass es den Konzernen und Rundfunkanstalten nicht gelingt, diese Plattform tatsächlich aufzubauen.  Ganz unbegründet ist die Hoffnung nicht, wenn man den ARD-Vorsitzenden Wilhelm so reden hört: „Ich stelle mir nun einen runden Tisch vor, gerne mit der ARD und anderen Akteuren unter Moderation der Politik, um eine solche europäische Plattform auszuarbeiten.“ 

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Leserpost

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M. Schneider / 04.10.2018

Das ganze Vorhaben ist doch so durchsichtig und die Intention so klar: Neben den massiven finanziellen Interessen der privaten Medien ist das genau der passende Schritt, um die Presse und Meinungsfreiheit weiter zu beschneiden bzw. zu kontrollieren und unliebsame, nicht mainstreammäßige Äußerungen zu unterbinden. Und der Bürger soll das auch noch bezahlen!! Hoch lebe die Demokratie!

Sabine Drewes / 04.10.2018

Axel Springer würde sich im Grabe umdrehen. Er wusste, welch’ hohes Gut die Meinungsfreiheit ist, sonst hätte er die WELT, das Flaggschiff des Hauses Springer, das zeitweilig ein Verlustgeschäft für den Verlag war, fallengelassen. Hatte er aber nicht. Die “Unabhängige Tageszeitung für Deutschland”, “Die Zeitung für das Wesentliche” - das sind schon seit einer ganzen Weile nur noch kostbare Erinnerungen an längst vergangene Zeiten.

Martin Lederer / 04.10.2018

Das ist die typische deutsche Kartellpolitik: Jedem etwas von dem Kuchen der Staatsknete abzugeben, damit dann alle mitmachen. Und wer nicht mitmachen will, bekommt eben keine Staatsknete und hat es auf dem Markt viel schwerer. Damit haben sie bis heute noch fast jeden “eingekauft”. Das Gute ist: Auf EU-Ebene werden sie das kaum schaffen. Dazu sind die Interessen zum Glück doch zu verschieden.

Detlef Dechant / 04.10.2018

Vielleicht sollte man die öffentlich-rechtlichen da ruhig weitermachen lassen. Je mehr diese sich in dem Netz Regierungs-PR - Öfentlich-rechtlich - und Privatem verstricken, desto größer doch die Chance, in einem neuen Gerichtsverfahren der Finanzierung des ÖR den Garaus zu machen. Es ist doch jetzt schon äußerst dubios, wie die Finanzierung des Investigativ-Netzwerkes NDR/WDR/SZ läuft und ob hier nicht eine versteckte Finanzierung einer privaten Zeitung durch Gebühren der ÖR-Nutzer vorliegt und dieser dadurch einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschafft wird.

Thomas Weidner / 04.10.2018

Momentan steht die linksgrüne Merkel-Diktatur noch auf sehr wackeligen Beinen. Das zu ändern im Sinne von “stärken und verfestigen” ist nun die aktuelle Aufgabe unserer “Eliten”.

Ilse Polifka / 04.10.2018

Das wäre dann ein weiterer Schritt in die Diktatur mit “unseren Werten”. Mir graut !

Jörg Themlitz / 04.10.2018

Ich verstehe nicht, warum die sich so umständlich ausdrücken und um den Kern herumschleichen. Die hätten doch das hier übernehmen und “Presse”, “Zeitungen” durch Fernsehen und Internet ergänzen können. Kannten die ja damals noch nicht. ” Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse.” “Zeitungen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sind zu verbieten.” Natürlich haben die festgelegt bzw. großzügig interpretiert, was “Lüge” und “Gemeinwohl” also “nach unseren Werten ausgerichtet” sind. Das Gleiche (Gleichschaltung) kann man bei den rot lackierten Faschisten finden. Die Mühe erspare ich mir. Ob rot oder braun lackierte Faschisten die Methoden waren und sind dieselben. Durchsetzung von kruden Ideologien mit allen ! zur Verfügung stehenden Mitteln. Freiheit (insbesondere Meinungsfreiheit), Gleichheit vor dem Gesetz und Brüderlichkeit sind da nicht vorgesehen.

Regina Dexel / 04.10.2018

Selbstverständlich begrüßen die privaten Verlage diese neue Plattform, bietet sie doch die Möglichkeit an der Zwangsfinanzierung der Öffentlich Rechtlichen zu partizipieren . Was auch dringend nötig scheint, denn im Print laufen die Abonnement- und Anzeigenkunden in Scharen davon, die Erlöse aus der Onlinewerbung und über “bezahlten Qualitätsjournalismus” reichen bei weitem nicht aus, um die Kassen zu füllen und für die Gesellschafter erfreuliche Gewinne zu generieren. Regierung und Altparteien werden sich vermutlich nicht lumpen lassen bei dem Deal, gilt es doch auch künftig wohlwollende Berichterstattung zu sichern. Die SPD dürfte angesichts ihrer “Deutschen Druck und Verlagsgesellschaft” besonders viel Interesse an dieser Art der Zusammenarbeit haben. “Hochwertiges Programm für jeden Geschmack. Zeitgemäß ergänzt durch ein umfangreiches Online-Angebot. Unabhängige Bericht­erstattung frei von wirtschaft­lichen und politischen Interessen. Viele Argumente sprechen für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundf­unk “. Quelle: Rundfunkbeitrag.de “Der Meinungskorridor würde weiter verengt, Meinungen, die im Widerspruch zu den sogenannten „Werten“ der Plattform stehen, fänden noch weniger Gehör als heute.” Genau das ist Sinn und Zweck des Ganzen und deshalb dürfte das auch so realisiert werden. Meinungsmache in ganz Europa. In Deutschland per Zwangsabgabe durch den Bürger finanziert.      

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