Alexander Wendt / 18.05.2016 / 10:16 / Foto: Anthony Letmon / 3 / Seite ausdrucken

Was erlauben Klonovsky? Ein gefährlicher Autor greift nach den Lesern

Seit seinem Wechsel von Focus in die Position des Spin Doctors von Frauke Petry interessieren sich ein paar Menschen mehr als ohnehin für Michael Klonovsky und seine Texte. Und zu den bekannten Zuschreibungen und Vermutungen über ihn kommt seitdem noch die eine oder andere neue Markierung.

Alle zusammen ergeben ungefähr folgendes Bild: Bei Klonovsky handelt es sich im einen in Ostberlin aufgewachsenen gebürtigen Sachsen, einen ehemaligen Maurer und anschließend Mitarbeiter des zentralen Spirituosenlagers der DDR-Hauptstadt, einen Journalisten, Romancier („Land der Wunder“), Musikkenner und „gefährlichen Bürger“, der, wie zwei rastlose Internetauswerter vor einiger Zeit schrieben, nicht nur gelegentlich nach dem Rieslingglas greift, sondern auch „nach der Mitte der Gesellschaft“, wo er, wie uns wiederum Spiegel-Kolumnengenerator Georg Diez mitteilt, gerade „eine Art klerikalfaschistischen Ständestaat“  zu errichten im Begriff ist.

Mit Michael Klonovsky würden sich schon nach dieser Kurzbeschreibung ziemlich viele Menschen gern aus reiner Neugier den Speisewagentisch im ICE zwischen München und Berlin teilen. So nah kann ihm nicht jeder kommen. Seine fast täglich fortgesetzten Acta diurna-Folgen  im Netz gibt  immerhin die Gelegenheit, seine fast täglich frisch verfertigten Reflektionen zu lesen. Alle Notizen bieten noch einmal einen ganz anderen Blick auf die Zeit und die Perspektive des Chronisten, wenn sie gesammelt vorliegen. Mit „Die Liebe in den Zeiten der Lückenpresse“ fasst Klonovsky zum zweiten Mal - jetzt für 2015 - ein rasend schnelles, komisches und blödsinniges Jahr in Deutschland zusammen.

An einer Stelle bemerkt der Acta-Autor selbstkritisch, er gebe wahrscheinlich zu oft dem „polemischen Laster“ (Thomas Mann) nach. Zu Klonovskys Verteidigung muss man anführen: Die Zeitläufte haben aber auch provoziert. Wie anders als polemisch kann sich ein ernstzunehmender Autor der Kanzlerin Dr. Angela Merkel und ihrer politischen Sprache nähern? Dabei greift er tatsächlich ins polemischste Register, das sich denken lässt – er zitiert sie wörtlich: „Wir haben es in der Hand, ob wir Kleinmütige oder Zauderer sind.“ Oder: „Die ausländischen Mitbürger sollen sich in Deutschland fühlen wie ein Fisch.“ Und: „Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass wir das nicht hinkriegen.“ Darauf folgen noch mehrere Perlen und die Anmerkung des Autors: „Ich habe vor kurzem darauf hingewiesen, dass den Zerstörungen, die die Kanzlerin der Syntax und dem Satzbau antut, jene entsprechen, die sie in der Realität anrichtet.“

Aber oft, sehr oft, begnügt er sich mit Lakonie, etwa in dem Zitat von Dimitrios Kisoudis, das sich mit der beliebigen Einsetzbarkeit des presseseits beliebten Epitheons „bunt“ befasst: „Deutschland ist bunt wie nie. Aber bunt sind auch die Zufallsgemälde des Schimpansen Congo.“

Dort, wo Klonovsky ausführlicher seinen Sicht umreißt, nimmt er immer nur eine Partei, nämlich seine eigene, etwa, wenn er über das Ereignis des Jahres 2015 schreibt, nämlich die Masseneinwanderung: „Die ‚Ausländer-raus’-Idioten und die ‚Refugees welcome!’-Idioten, es ist fundamentalistisches Fleisch vom deutschen Fleische, Seite und Kehrseite ein und derselben knalldeutschen Münze, dieselbe vernagelte Maßlosigkeit, dieselbe dumpfe Rechthaberei. Immer Endlösungen, nie Vorläufigkeiten. Jedem Kulturmenschen wird übel, wenn er ihnen zuschaut.“

Wütet er gegen den Islam, wie man es nach den flügelschlagenden Berichten über die AfD vermuten müsste, da er doch deren Spin Doctor wird? „Damit wir uns richtig verstehen: Ich halte es für mehr als eine Dummheit, nämlich für einen Fehler, mit dem Islam als Feindbild zu hantieren“, notiert er am 1. Februar 2015. „Längst gibt es in allen europäischen Ländern eine etablierte Mittelschicht aus mehr oder weniger gläubigen Muslimen, die wir bei der Verteidigung der westlichen Zivilisation, trotz einer womöglich unauslotbaren Fremdheit, als Verbündete benötigen.“

Klonovsky enttäuscht am laufenden Band seine Feinde und belohnt seine Leser, vorzugsweise mit seinen Obsessionen: Musik im kritischen Vergleich (welche Oper ist die unverständlichste?), Weine (was der Klimawandel ihnen antut, und wie das schmeckt), und die Übersetzungen der Shakespeare-Sonette, wiederum im Vergleich, hier nur angedeutet in den angeführten Schlusszeilen des 18. Sonetts von Stefan George: „Solang als menschen atmen, augen sehen/Wird dies und der du darin lebst bestehen“ versus Kerim Köstbeck: „So lange wie bei Menschen noch was geht/sie lesen, wie krass schön du bist konkret“. Die Übersetzung des 66. Sonetts – des Raps aus den Zeiten Elisabeths I.  – durch MK gibt es auch zu lesen: „Dies allen müd, schmiss ich gern alles hin/Doch hingst du dann in meinen Schulden drin.“

Anders als der anfangs erwähnte Kolumnist, ungefährliche Bürger und Klonovsky-Entlarver, der denselben gut eingespeichelten Text Woche für Woche neu vorkaut, scheibt Michael Klonovsky auch in seinem neuesten Band immer wieder von neuen Dingen.

Michael Klonovsky „Die Liebe in den Zeiten der Lückenpresse. Reaktionäres vom Tage acta diurna 2015
Edition Sonderwege, 400 Seiten 24,80 Euro

Von Alexander Wendt erschien zuletzt „Du Miststück. Meine Depression und ich“ (S.Fischer)
Mer auf dem Blog des Autors http://www.alexander-wendt.com

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Hartmut Laun / 19.05.2016

Guten Tag, Israel und damit die Juden in Israel, die sind von Feinden umgeben, alles muslimisch geprägte Länder. Länder in den die Abneigung, bis hin zum Hass auf Israel und auf die Juden im Speziellen von Kindesbeinen an gepflegt wird. Ich meine das kann ich mit Recht so behaupten, denn bei Demos von Palästinensern hier in Berlin habe ich laut und deutlich die Parolen gehört: „Juden ins Gas“ oder „Jude feiges Schwein, komm herunter und kämpf allein“ Nun lädt die Merkelregierung genau die nach Deutschland ein, die zu hunderttausende auch kommen, mit dem Islam im Gepäck, welche die Juden ablehnen. Warum aber schließen sich dann nicht die großen jüdischen Vereine von Deutschland mit der AfD zusammen? Die Partei die im Augenblick die größten Anstrengungen zeigt den Zustrom diese Antisemiten aus dem Orient zu beenden, den Islam in Deutschland zu bändigen? Warum sind die Juden als Einzelpersonen und ihre Vertretungen in Deutschland nicht auf der Seite der AfD, der Partei die sie am ehesten vor den Muslimen in Deutschland beschützen könnte? Im Gegenteil, führende jüdische Personen werden nicht müde die AfD mit den Nazivergleichen zu bekämpfen?  

Burkhart Berthold / 18.05.2016

Michael Klonovsky ist ein Dandy, vielleicht auch ein Snob und sicher ein nur mittelmäßig begabter Gabelstaplerfahrer, vor allem aber ist er ein kluger Kopf, ein mutiger Mann und ein brillanter Stilist. Ich freue mich auf den Abend, an dem er eine gemütliche Talk-Runde der Wohlmeinenden quadriert: Allein gegen die Mafia. Bis dahin eine klare Leseempfehlung für sein “Land der Wunder”!

Karl-Heinz Vogt / 18.05.2016

Der von der Willkommensputschistin gebeutelte Normalbürger kann gar nicht genug vom “polemischen Laster” Klonovskys bekommen schaut deswegen drei- bis viermal am Tag bei ihm in´s Netz. Was Deutschland braucht, ist Klonovsky und Maaslosigkeit!

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