Die Wumms-Politik im Notstands-Modus

Verfassungswidriger Haushalt, Haushaltssperre, Haushaltsnotstand – manche Schlagzeilen dieser Stunden verbreiten schon einen leichten Geruch von einer Regierung im Ausnahmezustand. Zerschellt sie daran oder sieht sie die Rettung in einer Notstandspolitik unter Verwischung der eigenen Verantwortung?

Das Bundesverfassungsgericht erklärte in der letzten Woche die Umwidmung einer 60-Milliarden-Kreditermächtigung für verfassungswidrig, am Montag verhängte das Bundesfinanzministerium eine Haushaltssperre. Am Dienstagmorgen wurde darüber debattiert, wer und was genau nun davon betroffen ist. Der Spiegel berichtete, dass das Finanzministerium habe verlauten lassen, die Sperrung von Posten im Haushalt für das laufende Jahr bedeute keine Ausgabensperre. Die für 2023 eingestellten Gelder könnten regulär fließen, habe es am Dienstagmorgen aus Ministeriumskreisen geheißen. Es handele sich lediglich um eine Sperre von Verpflichtungen für die kommenden Jahre. Diese würden vorsorglich für den Fall gestoppt, dass das Karlsruher Haushaltsurteil auch auf ältere Rücklagen in Sondervermögen anzuwenden sei.

Das soll sicher beruhigend klingen, nur beginnt der Zeitraum der „kommenden Jahre“ schon in weniger als sechs Wochen. Die Folgen werden also in jedem Fall recht schnell spürbar. Und im Bundesfinanzministerium ist man sich offenbar nicht sicher, was das Bundesverfassungsgerichtsurteil am Ende konkret auch für das System der zu „Sondervermögen“ umgetauften Zusatzverschuldung bedeutet. Auch die Taschenspieler-Politik des Wumms und Doppel-Wumms ist nun erkennbar keine Lösung.

Weil offenbar keiner weiß, ob jetzt „nur“ ein 60 Milliarden Euro großes Loch oder auch noch weitere Milliarden-Löcher gestopft werden müssen, gibt es im Politikbetrieb gerade heftige Sprechblasengewitter mit vielen Forderungen und manchen vorgeblichen Lösungsvorschlägen, die alle erwartbar sind. Die einen fordern Kürzungen bei verschiedenen Ausgaben, die anderen erklären, wo keineswegs gekürzt werden darf und wünschen sich mehr Verschuldung und Umverteilung zum Stopfen der großen Löcher. Nur von ideologisch hoch aufgeladenen Kosten, beispielsweise für die sogenannte Klimarettung oder die weiterhin geduldete irreguläre Massenzuwanderung, spricht dabei kaum einer der Akteure gern.

Manch einer in der Opposition kann diesem scheinbar kopflosen Chaos auch Erfreuliches abgewinnen, weil er hofft, nun würde auch dem letzten Bürger klar, wie nackt der Kaiser ist. Das ist verständlich, aber vielleicht noch etwas verfrüht. Der Weg in den Notstand ist für die heutzutage regierende Klasse wahrscheinlich keineswegs eine schreckliche Vorstellung. Wie gut sie mit dem Regieren im Notstandsmodus klarkommt, hat sie in den Corona-Jahren hinlänglich bewiesen.

Möglichkeiten der Ablenkung

Zunächst ist der Bundesregierung zwar der Weg verbaut, jedes aufkommende Problem mit viel Geld so anzugehen, dass es vielleicht nicht gelöst, aber vorerst aufgeschoben werden kann und die Betroffenen ruhiggestellt werden. Doch das gilt nur solange, bis eine Haushaltsnotlage ausgerufen wird, was erste Ampel-Politiker aus der SPD bereits fordern. Dann dürfte die Bundesregierung die „Schuldenbremse“ umgehen und sich weiter verschulden, auch mit Doppel- und Dreifach-Wumms. Bei SPD und Grünen ist es ohnehin populär, die „Schuldenbremse“ am besten endgültig zu beseitigen.

Vor allem aber bietet das Regieren im Notstands-Modus die Möglichkeit, von der eigenen Verantwortung für das Desaster abzulenken. Wenn die Bundesregierung aufgrund der Folgen des Verfassungsgerichtsurteils die Milliarden nicht mehr hat, um die hohen Energiepreise ein wenig zu subventionieren, dann können die zuständigen Minister ja nichts dafür, weil die Karslruher Richter nun mal so entschieden haben. Kein Mensch redet dann noch davon, dass es die Energiewende-Politik dieser Regierung ist, die maßgeblich zu den hohen Energiepreisen geführt hat.

Bislang wurde das offiziell gern auf den Ukraine-Krieg geschoben, dessen Folgen natürlich auch einen deutlich spürbaren Einfluss auf die Preisentwicklung hatten. Nur dass Deutschland beispielsweise seit der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke mehr teuren Strom importieren muss, ist damit niemandem mehr erklärbar. Jetzt lassen sich steigende Energiepreise auch damit begründen, dass sie der Staat leider nicht mehr so subventionieren darf, wie es geplant war. Und wer gebannt einer sicherlich facettenreichen Debatte um einen Haushaltsnotstand folgt, vergisst darüber vielleicht auch ein wenig die zum Jahreswechsel steigende CO2-Abgabe. Und wie kann man neue Steuern, Abgaben und Umverteilungsideen besser durchsetzen als im Notstandsmodus?

Es mag ja sein, dass sich Deutschland in manchen Bereichen in einem Notstand befindet, aus dem man nur herausfinden kann, indem das Land auch mit Notstandsmaßnahmen regiert. Letzteres darf man aber nicht dem Personal überlassen, das das Land in diese Notstände geführt hat. Wenn eine Regierung ein Land so tief in die Sackgasse manövriert hat, dann ist es in einer Demokratie Zeit für Neuwahlen.

 

Peter Grimmgeboren 1965 in Ost-Berlin, war bis 1989 aktiv in der DDR-Opposition und arbeitet seitdem als Journalist, Autor und Dokumentarfilm–Regisseur. Betreibt u.a. den Blog sichtplatz.de

Foto: Montage Achgut.com/Pixabay/Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Birgit Hofmann / 21.11.2023

@Dieter Ehrlich, Herrlicher Wortwitz, sie haben die Elstern vergessen, die klauen alles was nicht niet- und nagelfest ist, und krähen dabei am lautesten….

Wolfgang Richter / 21.11.2023

Kann alles nicht so schlimm sein, wenn immer noch Geld mit vollen Händen ins “Ausland” geschaufelt wird und für den verlorenen Krieg gegen Rußland noch mal 1 Milliarde ++  in die Ukraine zum Verbrennen dort geschickt werden kann. Wenn ich meinen Dispo 2 x überzogen und von der Bank den “Roten Brief” bekommen habe, kaufe ich ganz sicher noch für einen Tausender Silvesterraketen. So viel “Spaß” muß man sich gönnen können. Mehr fällt mir zu der hiesigen Anstalt nicht mehr ein, außer -Neuwahlen sofort-. Und wie “Politik” tickt, hatte der damalige merkelsche Finanzjongleur Peer Steinbrück von den Sozen doch schon entsprechend verkündet: Nachdem er die Kavallerie in die Schweiz schicken wollte, hat er trotz der Warnungen von Juristen an der “Kilometerpauschle herum gesenkt”. Die Hinweise tat er damit ab, daß eine entsprechend negative Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ja erst später greife (ggf. später amtierende Politdarsteller treffe), er das Geld der Bürgen jetzt einsammele. Mehr öffentliche Rechtsmißachtung geht doch kaum. Und - hatte es Folgen für ihn und die sonstigen Rechtsbeuger, daß das Gericht sodann (erwartbar)  gegen seine Machenschaft entschied ? Nein - die Denke wird einfach wiederholt. Und wenn die dafür verantwortlichen “HAmpler” im Dezember ihre LegislaturAnwesenheitsPensionen sicher haben, können sie ja persönlich schadlos in die individuelle “Sommerfrische” abtreten.

Johannes Schumann / 21.11.2023

Jetzt ist ordentlich Druck auf dem Kessel. Ich bin mal gespannt, wie es sich weiter entwickelt. Dann ist Schluss mit dieser Ausgabenpolitik. Interessanterweise denkt ja niemand an die Bürger, die ja auch enormen Kostendruck ausgesetzt sind. Ob wir bald die GEZ nicht mehr zahlen müssen? Die erste Landesregierung, die den Rundfunkstaatsvertrag aufkündigt, würde eine Lawine auslösen.

S. E. L. Mueffler / 21.11.2023

Die Ampeltruppe spürt die Kälte der massiven Wand zwischen den Schulterblättern. Jetzt wird es interessant und gefährlich, denn in der Not zeigt sich der Charakter. Meine Prognose: Sie werden versuchen, sich mit Notstandsszenarien durchzufuschen, egal wie verfassungswidrig sie auch sein sollten. Man hat ja so seine Erfahrungen aus der Coronazeit, nicht wahr? Eines wird es auf jeden Fall: ganz schnell ganz teuer für uns Steuerzahler.

S. Wietzke / 21.11.2023

“Wenn eine Regierung ein Land so tief in die Sackgasse manövriert hat, dann ist es in einer Demokratie Zeit für Neuwahlen.” Und was soll das ändern? Weiterhin stehen 80% wie ein Mann stramm hinter der Einheitsfront der grünen Khmer. Eine unzurechnungsfähige Regierung setzt immer ein unzurechnungsfähiges Volk voraus. Jedes Land hat exakt die Regierung die es verdient. Das war immer so und wird immer so bleiben. Und zwar ohne Ausnahme.

Günter H. Probst / 21.11.2023

Das kommt davon, wenn man, wie die SPD und GRÜNEN, nur den halben Keynes befolgt. Staatliche Schulden in schlechten Zeiten zur Auslastung der brachliegenden Produktionsfaktoren und Rückzahlung der Schulden in guten Zeiten. Keine Partei der nationalen Front hat je Schulden zurück gezahlt, sondern immer nur ihre gutbezahlten Posten und die Ausgaben gesteigert. Und jetzt auch noch die gesteigerten Ausgaben für die GRÜNE Weltenrettung und von der SPD das staatliche Erbe und die Grundsicherung für unsere lieben Kleinen. Aber die Wähler scheinen die Verschuldungsorgie zu goutieren.

S.Busche / 21.11.2023

Schluss! Sturz der Regierung! Alle „Bremsen“ und „Maßnahmen“ sind ausschließlich durch Steuern finanziert. Oder noch mehr Schulden, die wir alle durch Steuern und Abgaben zurückzahlen müssen. Stoppt das völlig irre Schneeballsystem, stoppt diese Irren! Schluss mit ampelbunt! Knipst den Wahnsinnigen das Licht aus. Alle ab ins Arbeitslager, damit denen erstmalig die physikalische Einheiten „Leistung“, „Energie“, „Temperatur“ usw. beigebracht werden. Besser wäre es, sie würden für den von ihnen erzeugten Schaden aufkommen müssen. Aber womit sollen Ungelernte einen positiven Beitrag erwirtschaften? Diese Figuren haben alle Chancen verwirkt und eindrucksvoll ihre absolute Unfähigkeit zur Schau gestellt. Es reicht, schon lange. Sturz der Regierung! Sofort! Endstation Realität!

Hannah Honsung / 21.11.2023

Die Russen warns, mit ihrer großen Unkrautspritze

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 14.05.2024 / 11:00 / 132

Demokratiegefährdendes Irrlicht nach dem AfD-Urteil

Was bedeutet es, wenn ein CDU-Politiker wie Marco Wanderwitz (Foto) erklärt, eine „bedrohliche“ Partei nicht mehr „auf politischem Weg kleinbekommen“ zu können und deshalb nach…/ mehr

Peter Grimm / 09.05.2024 / 06:15 / 122

Sind normale Bürger Gewaltopfer minderer Güte?

Wer „demokratischen“ Politikern Gewalt antut, soll härter bestraft werden, als wenn er den gemeinen Bürger angreift? Welch undemokratische Idee. Selbst als es für Politiker der…/ mehr

Peter Grimm / 08.05.2024 / 06:15 / 61

Die CDU feiert Parteitag

In Berlin sollen ein neues Grundsatzprogramm und schöne Reden den einen zeigen, dass die Merkel-CDU Geschichte ist und den Merkelianern das Gegenteil beweisen. Und alle…/ mehr

Peter Grimm / 06.05.2024 / 10:00 / 103

Politik für ausgewählte Gewalttaten?

Nach dem brutalen Angriff auf einen SPD-Europaparlamentarier in Dresden rufen die Regierenden wieder zum „Kampf gegen rechts“, und die Innenministerin will mit „Maßnahmen“ reagieren. Die…/ mehr

Peter Grimm / 02.05.2024 / 12:00 / 29

Rauchfreie Wahlhilfe vom Tabakkonzern

Rauchfrei Rauchen mit Tabak-Lobbyisten, die mit dem Aufruf zum „richtigen“ Wählen die Demokratie retten wollen. Wenn man in den letzten Jahrzehnten Medien konsumierte, so gab…/ mehr

Peter Grimm / 01.05.2024 / 06:00 / 52

Durchsicht: Grenzen der Ausgrenzung

Die AfD solle nicht mehr zum städtischen Gedenken an NS-Verbrechen eingeladen werden, forderten die Grünen im Leipziger Stadtrat, und sorgten für eine interessante Debatte. / mehr

Peter Grimm / 26.04.2024 / 12:00 / 37

Keine Kästner-Lesung für „Freie Wähler“

Zweimal wollten die Freien Wähler in Dresden eine Lesung aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ veranstalten. Beide Male wurde sie untersagt. Eine bittere Realsatire.…/ mehr

Peter Grimm / 23.04.2024 / 06:05 / 94

Anleitung zum vorbeugenden Machtentzug

Was tun, wenn die AfD Wahlen gewinnt? Das Votum des Wählers akzeptieren? Oder vielleicht doch schnell noch mit ein paar Gesetzen dafür sorgen, dass sie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com