David Harnasch / 23.10.2014 / 11:06 / 12 / Seite ausdrucken

Die Wahrheit über den Lokführerstreik

In den Medien werden die Streiks der GDL als ein Konflikt zwischen zwei Gewerkschaften bzw. zwischen Bahn, Lokführern und Kunden dargestellt. Vermutlich glauben auch die meisten unmittelbar Betroffenen, dass dies die Frontverläufe sind. Zu kurz gedacht:

“Wie schnell ersetzt die Bahn Lokführer durch Software?” DAS ist die Frage, die grade verhandelt wird. Und der Interessenskonflikt läuft mittelfristig zwischen jungen und alten Lokführern. Je teurer bzw. nerviger die Lokführer sind, desto billiger ist im Vergleich für die Bahn deren Ersatz durch schlaue Automatisierungstechnik. Wer noch zehn Jahre bis zur Rente hat, tut also gut daran, sich nochmal schnell die Taschen vollzumachen. Wer jetzt grade in dem Job angefangen hat und sich darüber im klaren ist, dass den (im Gegensatz zu dem eines Piloten) auch ein dressierter Affe verrichten kann, dass ein schlechter bezahlter Fernbusfahrer zudem wesentlich mehr eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen hat - der täte gut daran, sich in Bescheidenheit zu üben, will er nicht in 15 Jahren völlig unqualifiziert arbeitslos werden. Denn die Geschwindigkeit des Arbeitsplatzabbaus in der Lok hängt an drei Komponenten, auf zwei können die derzeitigen Beschäftigten Einfluss nehmen: Kundenakzeptanz (diesbezüglich war das vergangene Wochenende eine grandiose Fehlleistung der GDL) und Lohnkosten. Komponente Nummer drei, die stetige Fortentwicklung der Automatisierungstechnik, wird hingegen nur mittelbar von den Beschäftigten beeinflusst: Dass Siemens die Forschungsmittel hierfür angesichts der Ereignisse der letzten Wochen gekürzt hat, ist unwahrscheinlich. Natürlich werden die ICE-Lokführer als letzte dran glauben müssen - einfach weil die Fahrgäste sich irrationalerweise sicherer fühlen, wenn ein Mensch in der Lok sitzt, die dann natürlich trotzdem nicht vor dem Selbstmörder bremsen kann. Würde die Berliner S-Bahn aber morgen anbieten, ihre Fahrer zu streichen und stattdessen gut qualifiziertes und bewaffnetes Sicherheitspersonal zu beschäftigen, wäre das sofort unter den Fahrgästen mehrheitsfähig.

Vielleicht sind auch Sie schon mal unwissentlich in einem fahrerlosen Zug unterwegs gewesen, die gibt es nämlich schon längst nicht mehr nur an Flughäfen, wo sie die Terminals verbinden, sondern schon im ÖPNV.

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Leserpost

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Heinz Thomas / 23.10.2014

Nun, eine etwas wirre Argumentation. Den Beruf eines Lokführers mit dem Tun eines dressierten Affen gleichzusetzen, ist, gelinde gesagt, eine Unverschämtheit. Offensichtlich ist das Wissen von Herrn Harnisch über die Tätigkeit eines Lokführers mehr als mangelhaft. Niemand kann voraussagen, wann der technische Fortschritt eine bestimmte Arbeit überflüssig macht bzw. deren Ausführende ersetzt. Die aufgelisteten Bahnen sind als Indiz dafür ein schlechtes Beispiel. Es handelt sich dabei um Züge, die durchweg in geschlossenen Systemen unterwegs sind. Der heutige Stand der Technik ist auch nicht annähernd dazu gegeignet, die Komplexität der Aufgaben eines Lokführers zu meistern. Aussagen entsprechender Fachleute auch für die Zukunft, können Lokführer, die im großen System “Bahn” ihren Dienst verrichten, gelassen zur Kenntnis nehmen. Falls irgendwann doch dieser genannte Umstand eintreten sollte, bleiben bestimmt keine “unqualifizierten” Leute auf der Strecke, sondern höchstens welche, deren Spezialisierung nicht mehr gebraucht wird. Es handelt sich dabei trotzdem um Menschen, die erwiesenermaßen ein hohes Verantwortungsbewußtsein und andere wichtige Fähigkeiten besitzen. Dass ein Streik dieser Berufsgruppe den Kunden unmittelbar trifft, ist bedauerlich liegt aber in der Spezifik der Tätigkeit. Der Vergleich mit dem Fernbusfahrer, der sicher unterbezahlt ist, hat mit dem Vergleich von Äpfeln und Birnen zu tun. Ihm hilft es nicht - ob die Lokführer gut oder schlecht bezahlt sind.

Franz Roth / 23.10.2014

So als Schreiberling einer Tageszeitung würde ich mir wohl überlegen, ob ich in meinem Glashaus dicke Steine auf Lokführer schmeiße. Bevor mein Verleger auf die faszinierende Idee kommt, nur noch einen Mantel zu produzieren (wenn überhaupt) und den Rest aus Agenturen zusammen zu bauen. Spart enorm zu bezahlende Schreiberlinge, Fotografen und ähnliche unnötig teure Personalkörper ein. Immerhin haben schon im Fotosektor auch viele Zeitungen bemerkt, dass es Microstock-Agenturen gibt, bei denen ich mich für ein paar Cent mit Symbolbildern zu allen Themen bedienen kann anstatt eigenen oder freien Knipsern teures Geld für z.T. schlechtere Bilder zu bezahlen. Überall warten vor der Tür Millionen von Amateuren darauf, den Job für ein Promill des Preises zu machen. Und wer weiß, irgendeine Software ist doch sicher auch schon in Entwicklung, die mir nach Eingabe von ein paar Keywords richtig tolle Artikel schreibt.

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