Am 27. Oktober 2019 haben die Thüringer Wähler erneut ein entscheidendes Wort: Wieder einen Salonkommunisten oder zur Abwechslung seinen Antipoden von Rechtsaußen ins Amt zu hieven? Beide ergötzen sich an- und leben voneinander. Für Bodo Ramelow ist Björn Höcke ein Geschenk so wie Bodo Ramelow ein Geschenk für Björn Höcke ist.
„Diktaturverniedlicher“ von links oder von rechts, die DDR oder das Dritte Reich neu erzählen? Oder besser doch wieder der Mitte eine Chance geben? Sind es der unglücklichen Versuche nicht endlich genug?
1989 ist erst dreißig Jahre her! Und schon wieder drängen die Volkserzieher und Umerzieher auf die Bretter, die im Polit-Theater die Welt bedeuten? Unsere Freiheit können wir doch nicht den Geschichtsumschreibern in die Hände legen! Denen, für die sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftslenkung gleichermaßen erstrebenswert ist?
Ich sehe meine Freiheit leider inzwischen nicht nur von Linksaußen und Rechtsaußen, sondern auch von den Grünen bedroht. Leider ist meine bis vor kurzem eigene Partei zur Kofferträgerin der Linken und Grünen verkommen. Bei sieben Prozent richtet sich die Thüringer SPD ein, weil es wichtiger ist, sich „keinen Millimeter nach rechts“ – also in Richtung Mitte – zu bewegen, als sich wieder um die frühere Stammkundschaft deutscher Sozialdemokraten, wie Facharbeiter, Meister und Ingenieure zu kümmern.
Wer nicht unter die Fünf-Prozent-Hürde fällt, obwohl er Politik nur für unter fünf Prozent der Wähler macht, der muss nach heutigen Regeln durchaus als erfolgreich gelten!
Aussicht auf Ministerämter auch bei Wahldesaster
Vielleicht winken ja sogar nach der Dialektik des sächsischen Spitzengenossen Martin Dulig auch in Thüringen reziprok zum Wahlerfolg wieder Ministerämter. Das Projekt „Scheinriese“ scheint das Überlebensmotto einer modernen Sozialdemokratie zu sein, die zunehmend und willentlich wie eine „Dame ohne Unterleib“ am Leben vorbeischwebt.
Wäre ich Thüringer, ich würde weder einem internationalem noch einem nationalen Sozialisten über den Weg trauen. Nun bin ich kein Thüringer und somit zum Zuschauen verdammt. Natürlich nicht nur zum Zuschauen. Als deutscher Staatsbürger mit großer Liebe zum binnengrenzenlosen Europa mit seinen vielen Hauptstädten als den gleichberechtigten Machtzentren der EU sehe ich mich in der staatsbürgerlichen Pflicht der Einmischung. Es ist mir nicht egal, was im föderalen Nachbarland abläuft! Ich mag keinen Bundesrat mit Links- oder Rechtsaußenministerpräsidenten. Deutschland – das Land vieler Übel?
Aber was soll der Souverän in Thüringen dann am 27. Oktober im Jahre des ratlosen Herrn 2019 wählen? Ich will dem Thüringer Wähler selbstverständlich keine Vorschriften machen, ich heiße ja nicht Grönemeyer. Aber ein paar Fragen treiben mich dennoch um: Leidet Thüringen mehr an einer rechten Gefahr oder leidet es vor allem an den offenen Baustellen in Wirtschaft (Unternehmensgründungen/ Exportrückgang/ bürokratische Hürden), Forschung, Bildung (akuter Lehrermangel), Sicherheit (Angriffe auf Polizisten), Verwaltung? Wächst die Gefahr für die Demokratie nicht eher auf diesen Baustellen und auf dem Vertrauensverlust in Folge von 2015? Was wird mit dem Rundfunkbeitrag, für den sich auch die Regierung Ramelow aussprach? Der Beitrag soll ab 2021 automatisch steigen und der Bundesrat will das noch im Oktober beschließen.
Was wird uns der Thüringer Wähler im Oktober bescheren? Die neuesten Umfragen machen ratlos. Rotrotgrün wird, wie bereits von vielen erwartet, nicht bestätigt werden. Die Selbstverleugnung der SPD trägt ihre Früchte. So jedenfalls die aktuellen Zahlen.
In jedem Fall ein bunter Haufen
Die AfD wird stark zulegen. Auch das prophezeiten die sozialdemokratischen Gegner der rotrotgrünen Verlierergemeinschaft schon 2014. Die vergrünte CDU schwächelt. Merkels Institutionenmissachtung seit 2015 wirkt nach. Anders als Ministerpräsident Michael Kretschmer in Sachsen wehrt sich Mike Mohring nicht gegen den Einfluss der Werteunion und gegen die Auftritte von Hans-Georg Maaßen. Das mag der Thüringer CDU vielleicht helfen, doch wer weiß das so genau? Viel Vertrauen ist ins Marmarameer abgeflossen. Die Sachsen-CDU jedenfalls soll mit ihrer Anti-Maaßen-Haltung einige Prozente verpasst haben.
Bleibt noch die FDP. Ob sie aus ihrem Ausscheiden 2014 gelernt hat? Es bleibt ihr zu wünschen. Zumal die „Freien Wähler“ in Thüringen als Totalausfall zu verbuchen sind.
Die Thüringer Verfassung lässt unabhängig vom Wahlergebnis ein unbegrenztes Weiterwursteln der amtierenden Regierung zu. Es wird an neuen Mehrheiten liegen, dem Gewurstel ein Ende zu machen und eine neue Regierung zu beauftragen. Hierin liegt der wichtigste Gedanke für die Abwahl von RRG in Thüringen: Eine nicht wirklich überzeugende CDU muss die stärkste Kraft am 27. Oktober werden. Und hoffentlich kommt die FDP gut ins Parlament. Damit es wenigstens nicht wieder RRG wird. Ein bunter Haufen wird es auf jeden Fall.
Eine ratlose Freundin schrieb mir kürzlich: »Thüringen: Erste Nazi-Minister in Deutschland/erste Nazi-Landesregierung in Deutschland/„Mustergau des Führers“/erster kommunistischer Ministerpräsident in Deutschland.“ Und jetzt?
Nachtrag vom ›Tag des Klimakabinetts‹ dem 20.09.2019: Vielleicht ist Auswandern in die Visegrádstaaten oder ins Baltikum ja doch die bessere Alternative?