Gunter Weißgerber / 23.09.2019 / 16:00 / 36 / Seite ausdrucken

Die Wahl zwischen Diktaturverniedlichern in Thüringen

Am 27. Oktober 2019 haben die Thüringer Wähler erneut ein entscheidendes Wort: Wieder einen Salonkommunisten oder zur Abwechslung seinen Antipoden von Rechtsaußen ins Amt zu hieven? Beide ergötzen sich an- und leben voneinander. Für Bodo Ramelow ist Björn Höcke ein Geschenk so wie Bodo Ramelow ein Geschenk für Björn Höcke ist.

Diktaturverniedlicher“ von links oder von rechts, die DDR oder das Dritte Reich neu erzählen? Oder besser doch wieder der Mitte eine Chance geben? Sind es der unglücklichen Versuche nicht endlich genug?

1989 ist erst dreißig Jahre her! Und schon wieder drängen die Volkserzieher und Umerzieher auf die Bretter, die im Polit-Theater die Welt bedeuten? Unsere Freiheit können wir doch nicht den Geschichtsumschreibern in die Hände legen! Denen, für die sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftslenkung gleichermaßen erstrebenswert ist?

Ich sehe meine Freiheit leider inzwischen nicht nur von Linksaußen und Rechtsaußen, sondern auch von den Grünen bedroht. Leider ist meine bis vor kurzem eigene Partei zur Kofferträgerin der Linken und Grünen verkommen. Bei sieben Prozent richtet sich die Thüringer SPD ein, weil es wichtiger ist, sich „keinen Millimeter nach rechts“ – also in Richtung Mitte – zu bewegen, als sich wieder um die frühere Stammkundschaft deutscher Sozialdemokraten, wie Facharbeiter, Meister und Ingenieure zu kümmern.

Wer nicht unter die Fünf-Prozent-Hürde fällt, obwohl er Politik nur für unter fünf Prozent der Wähler macht, der muss nach heutigen Regeln durchaus als erfolgreich gelten!

Aussicht auf Ministerämter auch bei Wahldesaster

Vielleicht winken ja sogar nach der Dialektik des sächsischen Spitzengenossen Martin Dulig auch in Thüringen reziprok zum Wahlerfolg wieder Ministerämter. Das Projekt „Scheinriese“ scheint das Überlebensmotto einer modernen Sozialdemokratie zu sein, die zunehmend und willentlich wie eine „Dame ohne Unterleib“ am Leben vorbeischwebt.

Wäre ich Thüringer, ich würde weder einem internationalem noch einem nationalen Sozialisten über den Weg trauen. Nun bin ich kein Thüringer und somit zum Zuschauen verdammt. Natürlich nicht nur zum Zuschauen. Als deutscher Staatsbürger mit großer Liebe zum binnengrenzenlosen Europa mit seinen vielen Hauptstädten als den gleichberechtigten Machtzentren der EU sehe ich mich in der staatsbürgerlichen Pflicht der Einmischung. Es ist mir nicht egal, was im föderalen Nachbarland abläuft! Ich mag keinen Bundesrat mit Links- oder Rechtsaußenministerpräsidenten. Deutschland – das Land vieler Übel?

Aber was soll der Souverän in Thüringen dann am 27. Oktober im Jahre des ratlosen Herrn 2019 wählen? Ich will dem Thüringer Wähler selbstverständlich keine Vorschriften machen, ich heiße ja nicht Grönemeyer. Aber ein paar Fragen treiben mich dennoch um: Leidet Thüringen mehr an einer rechten Gefahr oder leidet es vor allem an den offenen Baustellen in Wirtschaft (Unternehmensgründungen/ Exportrückgang/ bürokratische Hürden), Forschung, Bildung (akuter Lehrermangel), Sicherheit (Angriffe auf Polizisten), Verwaltung? Wächst die Gefahr für die Demokratie nicht eher auf diesen Baustellen und auf dem Vertrauensverlust in Folge von 2015? Was wird mit dem Rundfunkbeitrag, für den sich auch die Regierung Ramelow aussprach? Der Beitrag soll ab 2021 automatisch steigen und der Bundesrat will das noch im Oktober beschließen.

Was wird uns der Thüringer Wähler im Oktober bescheren? Die neuesten Umfragen machen ratlos. Rotrotgrün wird, wie bereits von vielen erwartet, nicht bestätigt werden. Die Selbstverleugnung der SPD trägt ihre Früchte. So jedenfalls die aktuellen Zahlen.

In jedem Fall ein bunter Haufen

Die AfD wird stark zulegen. Auch das prophezeiten die sozialdemokratischen Gegner der rotrotgrünen Verlierergemeinschaft schon 2014. Die vergrünte CDU schwächelt. Merkels Institutionenmissachtung seit 2015 wirkt nach. Anders als Ministerpräsident Michael Kretschmer in Sachsen wehrt sich Mike Mohring nicht gegen den Einfluss der Werteunion und gegen die Auftritte von Hans-Georg Maaßen. Das mag der Thüringer CDU vielleicht helfen, doch wer weiß das so genau? Viel Vertrauen ist ins Marmarameer abgeflossen. Die Sachsen-CDU jedenfalls soll mit ihrer Anti-Maaßen-Haltung einige Prozente verpasst haben.

Bleibt noch die FDP. Ob sie aus ihrem Ausscheiden 2014 gelernt hat? Es bleibt ihr zu wünschen. Zumal die „Freien Wähler“ in Thüringen als Totalausfall zu verbuchen sind.

Die Thüringer Verfassung lässt unabhängig vom Wahlergebnis ein unbegrenztes Weiterwursteln der amtierenden Regierung zu. Es wird an neuen Mehrheiten liegen, dem Gewurstel ein Ende zu machen und eine neue Regierung zu beauftragen. Hierin liegt der wichtigste Gedanke für die Abwahl von RRG in Thüringen: Eine nicht wirklich überzeugende CDU muss die stärkste Kraft am 27. Oktober werden. Und hoffentlich kommt die FDP gut ins Parlament. Damit es wenigstens nicht wieder RRG wird. Ein bunter Haufen wird es auf jeden Fall.

Eine ratlose Freundin schrieb mir kürzlich: »Thüringen: Erste Nazi-Minister in Deutschland/erste Nazi-Landesregierung in Deutschland/„Mustergau des Führers“/erster kommunistischer Ministerpräsident in Deutschland.“ Und jetzt?

Nachtrag vom ›Tag des Klimakabinetts‹ dem 20.09.2019: Vielleicht ist Auswandern in die Visegrádstaaten oder ins Baltikum ja doch die bessere Alternative?

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Lutz Herzer / 23.09.2019

“Wäre ich Thüringer, ich würde weder einem internationalem noch einem nationalen Sozialisten über den Weg trauen.”  Soweit ich weiß, wurde in den Nürnberger Prozessen keinem der Angeklagten lediglich zur Last gelegt, an der Errichtung eines nationalen Sozialismus beteiligt gewesen zu sein. Da sich aber die Entnazifizierung auch als Mittel zur Einschränkung der Souveränität und Selbstbestimmung der Deutschen auf Dauer und nun schon über Generationen bewährt hat, bleibt die mangelnde Präzision dieser Begrifflichkeit auf unbestimmte Zeit ohne Relevanz. Der Begriff “Völkermord” kommt im Grundgesetz nur in Artikel 96 vor und steht dort ohne Bezug zur Vergangenheit des Dritten Reiches. Es müsste offenbar über mehr nachgedacht und diskutiert werden, als die Zeit und der mit ihr verbundene Geist es zulässt.

Helmut Kassner / 23.09.2019

im Landtag von Sachsen-Anhalten sitzen zwei Kommunisten der untergegangenen “DDR” einvernehmlich im Präsidium. Der eine für Die LIINKE der andere für die AfD. Sind das nun Brüder im Geiste ?

Karla Kuhn / 23.09.2019

Bei dem Artikel habe ich den Eindruck,  ein überlebender der DDR Nomenklatura hat ihn verfasst. Besonders das ...von ganz rechtsaußen…  Na gut, Sie sind von der untergehenden SPD, da scheinen die meisten Politiker KONSERVATIV nicht von ganz “rechtsaußen” unterscheiden zu können. Übrigens, die Werteunion ist ein zahnloser Tiger von Politikern, von denen VIELE JAHRELANG der Merkel nach dem Mund geredet haben und auch HEUTE noch der Frau die Stange halten, warum ?  Wahrscheinlich weil es sich in einem warmen, gut gepolsterten Sessel besser sitzt, als auf einem harten Hocker ! Da wird halt vieles in Kauf genommen. WENN die Politiker der sogenannten Werteunion WIRKLICH etwas bewegen wollten, wären ALLE aus der CDU ausgetreten und hätten sich entweder zur AfD bekannt oder sie hätten eine neue Partei gegründet !!  UND sie hätten dafür sorgen können, daß Merkel abgesetzt wird ! Alles andere ist für mich Heuchelei. Heucheln scheint ja eine neue Disziplin zu sein. Herr Reinecke, “... einige liebäugeln aber durchaus mit Diktaturen…”  GANZ RECHT, MERKEL ist da Vorreiterin, es war ihr nicht mal peinlich den DIKTATOR von Ägypten einzuladen und mit dem DIKTATOR der Türkei diesen unseeligen Pakt abzuschließen.  Die ewige RUMREITEREI auf HÖCKE, mangels anderer ” RÄÄCHTSVERBRECHER” in der AfD ist schon derart abgelutscht, wie das ewige Nazi für Menschen, die den ganzen Merkelzirkus satt haben ! HÖCKE ist NICHT die AfD !!  Schauen Sie sich in anderen Parteien um , in JEDER sitzen mehrere SÜNDER.  Herr Mittelsdorf, große KLASSE !

Günter Schlag / 23.09.2019

Statt die Wahlentscheidung nur zwischen Höcke und Ramelow zu sehen, sollten Sie das tun und in ihren Kreisen weitermpfehlen, was seit Gründung der AfD angebracht wäre, aber konsequent verweigert wird: nach den Gründen für das wachsen der Afd zu fragen und die abzustellen. Doch dazu ist es wohl zu spät. Die Blockparteien sind schon gar nicht mehr in der Lage, solch eine Frage zu stellen.

Ulrich Jäger / 23.09.2019

Hallo Herr Weißgerber, wenn Sie Realist wären, hätten Sie eine konkrete Vorstellung von dem, was nach der Wahl in Thüringen kommen wird: die Nationale Front der DDR feiert fröhliche Urständ. Eine rot-rot-grüne Regierung mit einem Schuhverkäufer statt eines Dachdeckers aus dem Westen an der Spitze unter Duldung der größten Blockpartei (damals wie heute CDU). Den A…h in der Hose, mit der AfD zusammenzugehen, hat die Wetterfahne Mohring jedenfalls nicht. Also bleibt obige Konstellation als einzig reale Variante übrig.

Birger Kintzel / 23.09.2019

Herr Weißgerber, irgendwie irren Sie plan- und ziellos durch den Orbit. Sie können sich ja von mir aus weiterhin an der SPD abarbeiten, das sei Ihnen gegönnt. Aber was soll der Unsinn, die AfD als nationalsozialistisch zu bezeichnen?  Wollen Sie nicht vielleicht doch das Forum wechseln?

Matthias Freudenberg / 23.09.2019

Herr Weißgerber, Ihr Artikel gehört eigentlich nicht auf die “achgut.com” Plattform. In der FAZ oder der WELT währen Ihre Wahlempfehlungen bestimmt besser aufgehoben.

Christian Feider / 23.09.2019

Schon erstaunlich,das ein prominetes Ex-Parteimitglied hier gegen andere Parteien hetzen darf…zumal er nicht mal Anstand genug hat,auf der einen Seite die linke Gruppe anzugreifen,mit der siene eigene Ex-Partei seit gefühlten Ewigkeiten koaliert…Sachen gibts

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