Vera Lengsfeld / 26.02.2011 / 18:17 / 0 / Seite ausdrucken

Die Verteidigung unserer Werte

Bei der Causa Guttenberg ging es seinen Kritikern, worum eigentlich? Ach ja, die „Verteidigung unserer Werte“, nichts sonst. Deshalb reichte es nicht, dass akademische Schlamperei mit schmählichen Verlust des Doktortitels und tagelangem Pranger geahndet wurde, nein um unserer Werte willen, muss Guttenberg zu Fall gebracht werden, sonst würde das politische System, die Demokratie und Glaube, Liebe Hoffnung Schaden nehmen.
Wenn die Verteidigung „unserer Werte“ vom politisch-medialen Komplex mit solcher wilden Entschlossenheit geführt wird, kann die Bürgerin sich beruhigt zurücklehnen und die Welt in bester Ordnung finden.
Wenn da nicht ein paar Unstimmigkeiten wären…
Zum Beispiel habe ich immer angenommen, zu „unseren Werten“ die Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen und insbesondere die Unschuldsvermutung zum schützenswerten Gut gehört. Nun muss ich feststellen, dass, nachdem sich der Ghostwriter, der über Tage in den Medien behauptet wurde, nicht materialisieren will,  die „vorsätzliche Täuschung“ herhalten muss, um die Causa Guttenberg weiter verfolgen zu können. Dabei wird erheblicher Druck auf die Universität ausgeübt. Tatsächlich finden sich Wissenschaftler bereit, die vorsätzliche Täuschung zu vermuten, wobei man sich fragen muss, ob die wirklich glauben, dass ein Betrüger, der nur halbwegs seinen Grips beisammen hat, das so plump anstellen würde, wie der Dr. a.D. in seiner vielzitierten Einleitung.
Während fast die gesamte Medienwelt auf die verpfuschte Dissertation starrt, wie das Kaninchen auf die Schlange und immer noch darüber nachsinnt, wie die Höchststrafe doch noch vollstreckt werden kann, entgehen gravierende Vorkommnisse der geschätzten Aufmerksamkeit.
Es ist nicht viel mehr als eine Randbemerkung wert, dass SPD-Chef Gabriel heute verkündet hat, dass die von der SPD eben erst mitbeschlossene Hartz- IV- Novelle nicht verfassungsgemäß sei. Die SPD hätte aber keine Lust mehr gehabt, für ein verfassungskonformes Gesetz zu kämpfen und sich lieber darauf beschränkt, für ihre Klientel im politischen Schacher etwas mehr heraus zu schlagen. Kein Aufschrei wegen der vorsätzlichen Täuschung in den Verhandlungen, nirgends.
Betrug scheint inzwischen im politischen Alltag als so normal empfunden zu werden, dass er als solcher kaum noch wahrgenommen wird. Es sei denn ein CSU-Politiker hätte einen ähnlichen Spruch vom Stapel gelassen. Da wäre Deutschland in Not gewesen!
Gehört Versammlungsfreiheit noch zu „unseren Werten“? Sie steht zumindest im Grundgesetz und dort ist nachzulesen, dass sie für alle gilt. Unser Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse scheint damit größte Probleme zu haben.
Schon in der Vergangenheit hat er die Justiz gescholten, wenn sie festgestellt hat, dass eine Demonstration auch dann erlaubt ist, wenn sie von einer Gruppierung angemeldet wurde, die nicht auf Thierses Zustimmung trifft.
Kürzlich hat er in Dresden sogar die Polizei beschimpft, weil die ihrem gesetzlichen Auftrag, die Versammlungsfreiheit zu schützen, erfüllt hat.
Natürlich kann jeder Bürger zu einer Gegendemonstration aufrufen, wenn ihm eine Manifestation nicht passt. Aber ein Politiker, der die Verfassungsorgane tadelt, wenn sie sich verfassungsgemäß verhalten, müsste eigentlich zumindest kritische Fragen auf sich ziehen.
Dass ein solcher Politiker nebenbei noch als Schutzschild für Extremisten dient, die es sich zur Angewohnheit gemacht haben, als Freizeitsport mit Steinen und Flaschen und was sonst noch zur Hand ist, gegen Polizisten loszuschlagen, mit der Absicht, sie zu verletzen, gehört offenbar nicht zu den Gefährdungen für „unser Werte“. Denn sonst müsste es Rücktrittsforderungen für Thierse und Gabriel hageln.
Statt dessen Schweigen im Deutschen Blätterwald

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