Seit Beginn der Finanzkrise 2008 liegt die europäische Öffentlichkeit unter ideologischem Dauerbeschuss: die Krise sei der Marktwirtschaft inhärent, sie sei durch einen ungezügelten Kapitalismus verursacht und durch die Gier des Finanzsektors verschlimmert. Das Ende der Marktwirtschaft sei gekommen, ein starker Staat müsse den Markt und seine Auswüchse endlich zähmen. Notorische Dummdenker wie Heiner Geisler tragen zum Trommelfeuer bei, indem sie entweder den „Turbokapitalismus“ anprangern oder die „Zerschlagung“ der „Deutschen Bank“ fordern, obwohl gerade die, im Gegensatz zu den Staatsbanken wie Hypo Real Estate und West LB, vergleichsweise günstig durch die Krise gekommen ist.
Ein Blick in die Geschichte genügt, um festzustellen, wie sehr sich die Bilder gleichen.
Fast genau dieselben Vorwürfe wurden um 1929 herum erhoben, vor allem, dass kein Ökonom die Krise habe kommen sehen, die Ökonomie also versagt habe.
Das war damals so falsch , wie es heute ist. Sehr wohl haben die Vertreter der „Wiener Schule der Ökonomie“ in den Jahren vor 1929 gewarnt. Sie haben die Weltfinanzkrise im voraus beschrieben. Auf diese Ökonomen wurde damals ebenso wenig gehört, wie auf die Ökonomen heute, die seit Jahren, ja Jahrzehnten vor den Folgen einer ungehemmten Schuldenpolitik, wie sie sich in den westeuropäischen Staaten seit Beginn der 70er Jahre entwickelt, warnen. Auch die Experten, die auf die Fehlkonstruktion der Einheitswährung Euro hingewiesen haben, wurden ignoriert. Wie alle ignoriert werden, die das absehbare Scheitern der Euro-Rettungspolitik vorhersagen.
Zum Beispiel Prof . Dr. Charles Blankart, der am Mittwoch in der Humboldt-Universität eine brillante öffentliche Vorlesung „Politische Ökonomie der Eurokrise. Wege in die Krise- Wege aus der Krise“ hielt.
Leider haben Kanzlerin Merkel und ihr Euro-Rettungsteam, das täglich kontraproduktiver wird, nicht zugehört.
Sie hätten lernen können, dass nicht Marktversagen zur Krise geführt hat, sondern dass die Politik die Märkte gehindert hat, die Folgen ihrer Fehlentscheidungen zu beheben. Im Wettbewerb der europäischen Währungssysteme zeigte sich, dass die „Stabilitätssyteme“ wie Deutschland und Holland den „Inflationsystemen“ wie Frankreich und die Südländer überlegen waren.
Bereits 1978 verlangte der damalige französische Präsident Giscard d’ Estaing von Bundeskanzler Schmidt, dass die Bundesrepublik den schwachen Franc stützen solle. Schmidt wollte schon zustimmen, wurde aber von der unabhängigen Bundesbank daran gehindert, diese Torheit zu begehen. Es folgt das EWS, das Europäische Währungssystem, mit der DM als Ankerwährung. Zerrüttete Währungen mussten sich nach der DM richten. Das missfiel vielen europäischen Partnern. Es wurde die EZB, die Europäische Zentralbank, gegründet, deren in den Statuten formulierten Stabilitätskriterien an das Erfolgsmodell der unabhängigen Bundesbank angelehnt sind.
Die Kontinuität der Entwicklung hin zu einer Einheitswährung wurde durch den Zusammenbruch des Sozialistischen Systems 1989 gestört. Man darf rätseln, warum der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten nach dem Mauerfall der abgewirtschafteten DDR galt, nicht der BRD. Jedenfalls scheint der Euro nicht der Preis für die Deutsche Einheit gewesen zu sein, denn erst nachdem alles verhandelt war, nannte Bundeskanzler Kohl völlig unerwartet den 1.1.1999 als den Termin für die Währungsunion. Es folgte der Maastricht – Vertrag, der in Artikel 108/130 gegen den Widerstand der Franzosen noch eine Ordnungsnorm festschreibt. Der französische Präsident Mitterand rückte schon am 3.9.1993 davon ab. Aber es war Angela Merkel, die in der Nacht vom 7.zum 8. Mai 2010 das Währungssystem auf den Kopf stellte und das Prinzip der finanziellen Selbstverantwortung aufgab. Es wurde der „Rettungsschirm“ erfunden, der „einmalig“ sein soll, aber schon ein Jahr später einen noch größeren Nachfolger hat und im Jahr 2013 vom ESM, dem permanenten Rettungsschirm abgelöst werden soll.
Damit hätte sich Frankreich mit seinem Willen zur Transferunion durchgesetzt.
Die Tragödie der Deutschen Bundesbank begann allerdings schon 1998. Die Deutschen brachten ins Europäische Währungssystem 40% der Einlagen ein, verfügen aber nur über 12% der Stimmen, genauso viel, wie Frankreich, das nur 12% der Einlagen bereitstellte.
Wenn Deutschland übrigens für 255 Mrd. € bürgen soll, sind das 115% der jährlichen Steuereinnahmen. Unsere Schuldenquote beträgt damit 92% des BIP. Zum Vergleich: in Griechenland liegt die Quote bei 150% des BIP.
Deutschlands Kreditwürdigkeit ist schon jetzt nicht mehr das, was sie mal war. Nicht umsonst gibt es in der EU Überlegungen, den Ratingagenturen zu verbieten, Länder zu bewerten. Indem man nicht mehr darüber sprechen darf, wird sich das Überschuldungsproblem allerdings nicht beseitigen lassen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das Kartenhaus einstürzt.
Für Blankart gibt es nur eine Lösung: Keinen permanenten Rettungsschirm. Er ist überzeugt, dass es keine Ansteckung der Volkswirtschaften für Pleiten gibt, sondern nur eine Ansteckungsgefahr der Hilfsprogramme. Sobald Länder in Schwierigkeiten geraten, werden sie sich mehr auf die Hilfszahlungen, als auf ihre eigenen Kräfte verlassen.
Am Ende könnte auch der Zusammenbruch des Euro stehen, oder der Austritt Deutschlands aus der Gemeinschaftswährung. Für Blankart keine Tragödie. Europa ist so viel mehr, als seine verunglückte Einheitswährung. Das Ende des Euro wird nicht das Ende Europas bedeuten, sondern ein Anfang für eine bessere Form des Miteinanders der EU-Mitglieder.