Cora Stephan / 06.07.2023 / 11:00 / Foto: Raimond Spekking / 24 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Von Bauern und Mist-Bauern

In den 50er Jahren gab es noch Bauern: rund 4,7 Millionen allein im Westen, heute sind es noch etwa 900.000. Grüne Politiker sehen in ihnen Tierquäler und Vergifter von Böden und machen ihnen durch allerlei Auflagen das Leben schwer.

Einst waren sie umworben, die deutschen Bauern. Der „Nährstand“. Schließlich hing nach den Hungerjahren alles davon ab, dass es genug zu essen gab. Ein astreiner Lebensmittelnationalismus, denn Biogemüse kam noch nicht aus China und Fleisch noch nicht aus Neuseeland. Der „grüne Plan“ seit den 1950er Jahren unterstützte die Landwirtschaft mit Subventionen, was zu Überproduktion, etwa zum legendären „Butterberg“, führte. Kollateralschäden: Flurbereinigung, Abholzen von Streuobstwiesen, Begradigung von Bächen. Heute sieht man vieles anders. Doch auch heute noch gibt es Flächenprämien, allerdings nicht nur für agrarwirtschaftlich genutzte Flächen.

In den 50er Jahren jedenfalls gab es noch Bauern: rund 4,7 Millionen allein im Westen, heute sind es noch etwa 900.000. Zugleich stieg die von einem Landwirt bearbeitete Fläche von 2,9 auf 12,5 Hektar und die Zahl der Verbraucher, die von einem Landwirt ernährt wurde, erhöhte sich deutlich von acht auf 59 (Quelle).

Die Bauern waren also eine beachtliche Größe und galten als konservativ, also als sichere Bank für CDU und CSU, weshalb man sie hätschelte, tätschelte, umwarb. Das ist lange vorbei. Nicht nur die Zahl der Bauern ist gesunken, auch ihr Ansehen ist mittlerweile nahe Null. Renate Künast behauptete einst, der Grund für die Covid-Pandemie sei „die falsche Art und Weise, wie wir unsere Nahrungsmittel produzieren, Landwirtschaft betreiben und mit der Umwelt umgehen.“ 

Nicht immer nur jammern, meint der Herr Wüst

Bauern vergiften Gewässer und Böden (die neuen Brunnenvergifter?) und quälen ihre Tiere, glaubt man bei der veganen Schickeria. Besser, man stellt Solarpaneele auf die Weiden, pflanzt Betonsockel für Windkraftanlagen auf jede Anhöhe und entlässt Rinder und Schweine aus ihren Knästen – was sie nicht lange überleben werden. (Hat sich PETA eigentlich mal gefragt, was mit all den Nutztieren geschieht, nachdem sie „befreit“ worden sind? Welche Qualen etwa Kühe erleiden, die nicht mehr gemolken werden? Doch so weit reicht die Empathie offenbar nicht.)

Nun, der Geist der Zeit ist selten weitsichtig. Wer braucht schon noch Landwirtschaft, fragt der woke Städter? Das Essen kommt aus der Retorte, gluten- und genfrei, und alles wird gut.

Passend dazu lieferte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst eine Art Preptalk auf dem Bauerntag in Münster am 29. Juni, der die Wertschätzung erkennen lässt, die man dem Nährstand heutzutage entgegenbringt. Väterlich ermahnte er die Bauern, nicht immer zu jammern. Nach Planungssicherheit zu rufen, nach kalkulierbaren Rahmenbedingungen! Sie sorgten mit ihrem Genöle doch nur dafür, dass ihren Kindern die Lust daran vergeht, einmal den Hof zu übernehmen! Sie sollten besser Freude haben, ja geradezu Spaß am Landwirtschaften!

Wenn sie „Özdemir“ hören, kriegen Bauern die Krise

Damit hat er sich Freunde gemacht, bei all jenen, die auch nächtens noch auf dem Traktor sitzen, nachdem sie den gewaltigen bürokratischen Krempel erledigt haben, der ihnen von Leuten aufgebrummt wurde, die Mist bauen, aber vom Ausmisten keine Ahnung haben. Der Morgenthau-Plan war ja noch lebensfreundlich in Vergleich zu dem, was Deutschlands klimasensiblen Regierenden mittlerweile anrichten. 

Die „Freien Bauern“ setzen jedenfalls keine Hoffnung in den bekennenden Cannabisfreund und Vegetarier Cem Özdemir, der bekennt, das Fleisch, das seine Eltern ihm servierten, an die Katzen verfüttert zu haben:

 „Wir brauchen eine Politik für bäuerliche Familienbetriebe, gegen Agrarkonzerne, für regionale Erzeugung, gegen Importe aus Übersee, für fairen Wettbewerb, gegen die Macht der Monopole. Wo ist der Minister, wenn es um diese harten Themen geht?“ 

Und wo bleibt die Kulturlandschaft, wenn bäuerliche Betriebe weiter zurückgedrängt werden?

Da hilft es auch nicht, wenn sich nun mehr und mehr Menschen finden, die Städte nicht mehr attraktiv finden. Frankreich ist ein abschreckendes Beispiel. Wie man hört, ist die Pariser Tourismusbranche in heller Aufregung. Klar, wer will schon noch in einer Stadt flanieren, in der Horden frustrierter Jungmänner soeben Milliardenschäden verursacht haben? Über 200 Geschäfte seien vollständig geplündert, 300 Bankfilialen zerstört und 250 Kioske in Mitleidenschaft gezogen worden, schätzt man.

Während hungrige Städter einst auf dem Land „stoppeln“ gingen, scheint es heute angesagt zu sein, die Apple-Stores in der Stadt zu plündern.

Wir haben hier keinen Apple-Store. Aber Apfelbäume. Und das ist ganz schön schön.

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 06.07.2023

Frau Nöth, Ihre Erläuterung deckt sich mit meinen Erinnerungen. In den 60ern war diese Haltung jedenfalls noch Praxis in den finsteren Ställen der kleinen Landwirte im Dorf gewesen, deren Betriebe sich bald nicht mehr rentieren sollten. Wobei, man mag sich nicht vorstellen, was Kühe im Stall einander und dem Stall angetan haben würden, wären sie nicht angebunden gewesen. Als Knirps half ich den Vettern meines Onkels beim Ausmisten, ritualisiertes Tätigkeitsmoment im endlosen Kreislauf des Stoffwechselns und Reproduzierens. Eine der vielen Schnittstellen zwischen Mensch und Haustier. Man erhielt eine Vorstellung von der Mistgabel als Werkzeug. Der feste Holzpfahl, der sich in den kleinen Fäusten roh anfühlte, wenngleich so glattgeschliffen, dass man sich keinen Splitter einreißen würde, die Anordnung der Stahlzinken am vorderen Ende hatten eine Faszination vermeintlich verbesserbarer Nützlichkeit. Verherrlichtes Symbol auf Bannern und Wappen der Vorfahren seit Urzeit. Der kindliche Körper erlernte mit Hirn und Muskelfasern: Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde, wenn er die Scheiße von der einen Stelle, von unter dem Arschloch der Kuh mit dem schwingenden Schwanz, zur anderen wuchtete, der Schubkarre.

Regina Lange / 06.07.2023

Die Grünen triefen vor Arroganz! ALLE! Ich habe noch keinen Grünen gehört oder gesehen, der nicht belehren, bekehren oder verbieten will! Das sind unsagbar rechthaberische, selbstgerechte Menschen, die nicht in der Lage sind, andere Meinungen zu aktzeptieren. Sie sind die Hohenpriester der Doppelmoral—Wein saufende Wasserprediger!

D. Katz / 06.07.2023

Özdemir versteht von Landwirtschaft so viel wie Habeck von Wirtschaft, Baerbock von Diplomatie und Lang von gesunder Ernährung. Ach, was reg ich mich auf…

T. Merkens / 06.07.2023

Hallo Frau Andrea Nöth: behalten Sie in Zukunft bitte auch das Wohl der zu verspeisenden Insekten und die artgerechte Insektenhaltung im Auge.

George Samsonis / 06.07.2023

@Andrea Nöth: Ein zutreffender Leserbrief. Habe ich alles selbst erlebt. “Viecher”, wie viele Bauern ihre Tiere nannten, waren als Lebewesen nichts wert, nur Produktionsmasse. In der Landwirtschaft wurde kräftig und stinkend “gespritzt”, Halmverkürzer, Fungizide, Pestizide und was die Chemie noch so hergab. Motto: Viel hilft viel. Zu guter letzt haben die Bauern beim Einkaufen ihren MB 200er Diesel nicht ausgemacht und den Motor laufen lassen, während sie im Geschäft waren. Die “Dieselgedenkminute” beim Losfahren war zu lange. Aber Sie haben recht. Wer meint, er müsse 2,69 € “Bratwurst” auf seinen 600-€-Grill legen bestimmt das Tierwohl. Problem: Wenn die Regeln in Dtl. schärfer werden kommt das Billigfleisch von woanders. P.S. Die Nachfahren der Bauern schädigen heute die Umwelt mit hoch subventionierten Windenergieanlagen und Solarparks schlimmer als damals mit Chemie. Und sie sitzen saturiert und subventioniert auf auf ihrer Scholle.

Thomas Szabó / 06.07.2023

Machen wir doch eine ganz nüchterne, sachliche, faktenorientierte, wissenschaftliche Gegenüberstellung, Auflistung, Punkt für Punkt: Morgenthau-Plan - große Transformation.

Hans Bendix / 06.07.2023

Nun, in der Eifel sagt man: “Wenn Driß Miß wird, will er getragen oder gefahren werden.” (Driß = Scheiße; Miß = Mist) Genau so verhält es sich mit dem Grünen-Driß, der jetzt Regierungs-Miß geworden ist.

Karsten Dörre / 06.07.2023

Frau Stephan, die Städter, die aufs Land ziehen und auf korrekte Landwirtschaft machen, pusseln für den Eigenbedarf. Diejenigen Städter, die einen Markt entdecken, produzieren mehr und mehr und am Ende sind wir wieder bei den 1950er Jahre. Landwirtschaft wird sich immer wiederholen, wenn man nicht verhungern will. Özdemir hat von Aufzucht zweier Cannabistöpfe Ahnung - das wars dann auch schon. Als Landwirtschaftsminister hat er nicht die Aufgabe, die Landwirtschaft abzuwickeln. So was Ähnliches gab es nur in der Endzeit der DDR mit dem Abrüstungsminister. Man könnte spekulieren, dass wir gerade wieder in einer Endzeit sind…

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