Manfred Haferburg / 05.05.2019 / 06:20 / Foto: Pixabay / 82 / Seite ausdrucken

Die Physik schlägt zurück und Schilda löffelt Licht in Eimer

Die Energiewende wurde von einer Kanzlerin, die Physikerin ist, angeblich „vom Ende her gedacht“. Die Physikerin hat bekanntlich ordentlich promoviert mit der „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“. Physik ist ein großes Gebiet. Quantenchemische Physik – das heißt nicht, dass Angela Merkel irgendetwas von elektrischen Energiesystemen versteht. In ihrer Regierungserklärung am 9.6.2011 sagte sie: „Wir können als erstes Industrieland der Welt die Wende zum Zukunftsstrom schaffen."

Zukunftsstrom – wow, was ist das denn? 1.000 Jahre alte Windmühlen und Brenngläser? In diesem Sinne steigt Deutschland bis zum Jahr 2022 aus der gestrigen Kernenergie aus, 17 Kernkraftwerke werden stillgelegt. „Das schaffen wir“. Gleichzeitig soll der Stromverbrauch laut Merkel bis 2020 um zehn Prozent gesenkt werden. Das schaffen wir wohl nicht. Merkel sagte damals in ihrer Regierungserklärung: „Wir alle können gemeinsam bei diesem Zukunftsprojekt ethische Verantwortung mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden." Das schaffen wir wohl auch nicht. Wir sind weltweite Vorreiter geworden – im Strompreis

Deutschlands Verbraucher und Steuerzahler haben bisher ungefähr 180 Milliarden Euro in die Energiewende investiert. Wenn der Kurs so weiter geht, müssen sie mit der unvorstellbaren Summe von zwei Billionen bis zum Jahr 2050 rechnen. Das haben Wissenschaftler der Akademien Leopoldina und acatech ausgerechnet. Und im Ergebnis wurde kaum Kohlendioxyd eingespart, die Energiewende verfehlt dieses angeblich wichtigste Ziel. Ganze 6 Prozent Treibhausgase konnten im Jahr 2018 weniger produziert werden als 2011 zum Zeitpunkt der Regierungserklärung.

Wer sich das Balkendiagramm des Ausstoßes der Treibhausgase ansieht, erkennt sofort, wie illusorisch das Erreichen der dort angegebenen Ziele ist. Aber Illusionen und grober Unfug waren ja schon immer ein Kennzeichen der Energiewende. Da ist mal „das Netz der Speicher“, da „verstopft dreckiger Kohlestrom die Netze“, da „ist der Strom so teuer, weil die Kohlekraftwerke immer noch laufen“. 

Bundesnetzagentur untersagt Abschaltungen in 27 Fällen

Doch jetzt schlägt die Physik unerbittlich zurück. Die Bundesnetzagentur fordert eine Verdoppelung der „Reservekraftwerke“. Welt Online schreibt:

Laut der Bonner Behörde steigt der Bedarf an Reservekraftwerken bis zum Winter 2022/2023 auf den Rekordwert von 10.647 Megawatt. Damit muss eine Erzeugungskapazität, die umgerechnet der von zehn Atomkraftwerken entspricht, nur zum Zwecke der Stromnetzstabilisierung in Betrieb gehalten werden… Diese Netzreserve besteht aus Kraftwerken, die von ihren Betreibern aus Wirtschaftlichkeitsgründen eigentlich stillgelegt werden sollten. Die Bundesnetzagentur kann die Stilllegung jedoch untersagen, wenn die Anlagen für den Betrieb des Stromnetzes unverzichtbar sind. Die Turbinen müssen dann gegen eine reine Kostenentschädigung ständig in Betriebsbereitschaft gehalten werden… Bislang haben Energiekonzerne 110 Kraftwerksblöcke mit einer Kapazität von 22.000 Megawatt zur Stilllegung angemeldet. In 27 Fällen hat die Bundesnetzagentur die Abschaltung bereits untersagt. Aus diesem Pool wird auch die Netzreserve für den kommenden Winter gebildet, die von der Regulierungsbehörde mit 5126 Megawatt angegeben wird.“

Das soll die Politik mal den zahlenden Bürgern erklären. Bis 2022 sollen die restlichen sieben Kernkraftwerke, die störungsfrei funktionieren und dringend gebraucht werden, vom Netz gehen. Darüber hinaus sollen zum Kohleausstieg bis 2022 insgesamt 12 Kohlekraftwerke „aus dem Netz genommen“ werden, Kraftwerke die zuverlässig und sauberer als anderswo Strom liefern. Dieser Beschluss zum Kohleausstieg hat bei der oben genannten Bedarfsrechnung für Reservekraftwerke noch gar nicht Eingang gefunden. Seine Größenordnung übertrifft – für sich allein genommen – schon jetzt den prognostizierten Bedarf an Reservekraftwerken. Logischerweise würden dann womöglich 20 Reservekraftwerke gebraucht.

Und nun sagt die – eigentlich ja völlig unverdächtige – Bundesnetzagentur, dass sie zehn Großkraftwerke in Reserve braucht, um den Blackout zu verhindern – ohne die abzuschaltenden Kohlekraftwerke? Und will dafür „ausländische Kraftwerke“ unter Kontrakt nehmen? Zu welchem Preis auch immer. Macht nix, zahlt ja der Verbraucher. Von neuen Gaskraftwerken – die kein vernünftiges Wirtschaftsunternehmen unter den Umständen einer deutschen Energiewende bauen wird – ist auch noch nicht die Rede. Auf Welt Online sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung des Energiewirtschaftsverbandes BDEW: „Was aktuell an Zubau stattfindet, sowohl an erneuerbaren Energien als auch an Gaskraftwerken, kann nicht kompensieren, was an gesicherter Leistung mit dem schrittweisen Kohleausstieg und dem Kernenergieausstieg vom Netz geht.“ Energiepolitik aus Schilda.

Die gleichzeitigen Beschlüsse der Bundesregierung zur Verkehrswende machen die Schildbürgerei komplett, und man fragt unwillkürlich nach dem Geisteszustand der Protagonisten. Denn die eine Million Elektroautos bis 2022, die geladen werden möchten, sind auch noch nicht in die Reservekraftwerksrechnung eingepreist. Liebe Politiker – Ladeinfrastruktur bedingt nicht nur Steckdosen allerorten, sondern auch Kraftwerke, die bei Nacht und Flaute Strom produzieren. 

Ich möchte zum Abschluss meines Meinungsbeitrages noch eine echte Energieexpertin unkommentiert zu Wort kommen lassen. Frau Professor Claudia Kemfert meint zum Kohleausstieg:

Wenn man die klimaschädlichsten und ältesten Braunkohlekraftwerke abschalten würde, würde man sofort die Klimaziele des Stromsektors für das Jahr 2020 erfüllen. Derzeit herrscht ein Stromangebotsüberschuss durch Kohlestrom, wir schwimmen im Strom und verramschen ihn an der Börse. Man würde den Überschuss-Kohlestrom halbieren. Dabei bleibt Deutschland noch immer Strom-Exportland und muss keinen Strom aus Polen oder Frankreich importieren. Man würde nicht nur schlagartig die Klimaziele erfüllen, sondern gleichzeitig die Profitabilität des Marktes erhöhen und macht Platz für die erneuerbaren Energien“.

Foto: Creative Commons CC0 Pixabay

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Volker Voegele / 05.05.2019

Fluktuierende Stromerzeuger lassen sich einigermaßen problemlos nur in kleinerem Umfang in ein Stromnetz integrieren, das auf 100 % Verfügbarkeit angewiesen ist. Dass die „Energiewende“ zu Wind-und Solarstrom schon deshalb nicht gelingen kann, ist allen klar, die sich technisch profund mit der Stromversorgung beschäftigen. Die Fachleute wollte und will die Politik aber nicht hören. Stattdessen bedient sie sich bei völlig fachfremden Visionären und politischen (Propaganda-)Instituten wie dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dem Frau Kemfert angehört. Sie ist auch Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit. Nun ja, die Resultate der Energiewende-Politik sind beeindruckend: Kostenexplosion, massiver Abbau der Stromversorgungssicherheit, Abschalten der CO2-freien Kernkraftwerke und der unvermeidbare Weg in die fatale Abhängigkeit von ausländischen Strom- und Energielieferanten. Als wenn das ökonomisch nicht schon verheerend genug ist, betreibt man Überlegungen zu einem Gesetz zur „Flexibilisierung der Stromnachfrage“, will heißen, Regeln zu temporären Stromabschaltungen, wenn die „erneuerbaren“ Stromerzeuger nicht liefern können. Dann bräuchte die Bundesnetzagentur sich weniger um „Reservekraftwerke“ zu kümmern und die Übertragungsnetzbetreiber hätten die Aufgabe die betroffenen Stromverbraucher rechtzeitig über die Stromabschaltungen zu informieren. Grandios.

Dr. Wolfgang Schäfer / 05.05.2019

In einem Punkt muss ich dem verehrten Autor und etlichen Kommentatoren widersprechen. Dass Frau Merkel als Physikerin der Fachrichtung theoretische Chemie sich in der Elektrizitätslehre nicht auskenne oder Fehler mache oder falsche Schlüsse ziehe etc. ist eine Fehleinschätzung. Es ist viel schlimmer: es ist ihr egal.

Cornelius Angermann / 05.05.2019

Ist Ihnen schon mal aufgegangen, dass der Titel von Merkels Doktorarbeit 1 : 1 auf ihr politisches Wirken hier in Deutschland passt? „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden“. Dank Merkels Politik: Deutschland zerfällt, gesellschaftliche Bindungen (Ehe, Familie etc.) werden mit Gewalt gebrochen und zerstört, Informationen werden, wenn überhaupt, nur quantisiert offenbart, Statistik zur schnelleren Herbeiführung des Vorgenannten missbraucht. Und Merkel kann das alles nicht schnell genug gehen Hätten wir nicht gewarnt sein können?

Steffen Schwarz / 05.05.2019

Ich habe die Physik hier in Kommentar auch schon mehrfach bemüht. Aber weder MSM,  Grünlinge oder Gretajünger haben je Untericht dazu gehabt. Fällt ja eh aus oder ist Freitags.

Immo Sennewald / 05.05.2019

Die Professorin - für was auch immer - beantwortet wenigstens die Frage nach dem Geisteszustand der Protagonisten von Energiewende und E-Mobilität. Danke für den sachkundigen Artikel. Leider lässt er unvermeidliche Erfahrungen mit dem Ignorieren von Naturgesetzen erwarten.

M. Haumann / 05.05.2019

Wenn ich das richtig verstehe, müssen wir dann “dreckigen” Kohlestrom aus Polen und “gefährlichen” Atomstrom beispielsweise aus dem “supergefährlichen” Reaktor Tihange importieren, damit unsere sicheren Hochleistungskernkraftwerke wegen der Gefahr von Tsunamis in Deutschland abgeschaltet werden und wir das dann “Zukunftsstrom” nennen können? Oh Mann, wie schade, dass Loriot nicht mehr unter uns ist.

Prof. Dr. Hans D Hochheimer / 05.05.2019

Antwort auf die Frage von Herrn Michael Lorenz: Man wird ein hoher Parteifunktionaer in der DDR. Warum denken Sie wohl, dass sie als Pfarrerstochter ueberhaupt studieren durfte. Ein Kollege von mir an der Universiatet Dresden wurde bestraft, weil sein Sohn in eine christlichen Jugendherberge uebernachtet hat.

Sepp Kneip / 05.05.2019

Merkel, diese wirklich unfähige Frau, konnte sich doch nur halten, weil sie ihre einzige Fähigkeit, ihre in der SED gelernte politische Intriegetätigkeit, zu höchster Reife gebracht und genutzt hat. Skrupellos genutzt mit ihrer Macht als Kanzlerin und begünstigt durch die Obrigkeitshörigkeit der Deutschen. Was sie den Deutschen, nicht nur durch ihre Energiewende, angetan hat, sucht seinesgleichen. Das Speichelleckertum ihrer Vasallen war ihr dabei behilflich. Auch die Willfährigkeit der Unternehmen, die wider besseres Wissen alles mitmachen. Die Stimmen anderer Meinung wurden und werden wirksam vom Polit/Medien-Kartell zum Verstummen gebracht. Gutachten schleimender Institutionen und Wissenschaftler werden gegen gute Dotation immer die Regierungsmeinung bestätigen. Wer dagegen anstinkt, ist erledigt. Das ist das Merkel-System und der Bürger lässt es sich gefallen - und zahlt.

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