Peter Grimm / 24.08.2019 / 06:26 / Foto: Thomas Edwards / 107 / Seite ausdrucken

Die neue Welt der Menschis

Ein gelegentlicher Ausflug auf Indymedia lohnt sich wirklich, wenn man Interesse an speziellen Weltbildern hat. Man könnte ja so nüchtern wie die Regionalpresse erzählen, dass im Osterholz-Wald in Wuppertal eine Waldfläche der Erweiterung eines Kalkwerks geopfert werden soll, woraufhin einige Aktivisten dieses Waldstück besetzten und ein Camp mit Barrikaden errichteten. Chalk Town nennen sie ihre Siedlung.

Auf Indymedia liest sich dies aber wie ein Bericht aus der neuen Welt:

„Es ist jetzt eine Woche her, dass einige Menschis den Osterholz-Wald in Wuppertal besetzt haben. In dieser Woche durften sie beobachten, wie die Rehe die durch den Wald galoppieren. Den Fröschen zuschauen, wenn sie sich bei feuchtem Wetter durch Chalk Town bewegen. Auch durften sie Uhus zuhören, wenn sie sich in der Dunkelheit auf die Jagd begeben. Und es kamen so viele tolle Menschis vorbei. Wir führten viele Gespräche über Ökologie, der zerstörenden Lebensweise der alten Welt und wie wir eine andere Welt aufbauen können. Es war eine inspirierende Woche.

Die alte Welt hat Schwierigkeiten sich zu verabschieden. Sie schickt Späher am Zaun der Firma Oetelshofen, Menschis in Uniform, die mit Pfefferspray und Polizeihunden drohen. Das verwundert uns nicht, es steigert höchstens unsere Entschlossenheit, für diesen Wald zu kämpfen. Obwohl der Klimawandel deutlich zeigt, dass die Zeit der alten Welt abgelaufen ist, scheinen viele der Menschis, die sich in dieser alten Welt bewegen, nicht in der Lage zu sein, sich von ihrem vorgefertigten Denkmuster zu verabschieden. Es geht meistens um Kostenreduzierung und Profitlogik. Und um „Investitionssicherheit“. Solange es nicht zuviel kostet, darf es auch noch ein bisschen Umweltschutz geben. Aber so werden wir den Klimawandel nicht aufhalten können.“

Menschen sind also „Menschis“. Gibt es im Singular auch eine so niedliche neue Bezeichnung, oder ist es da immer noch der Mensch? Nein, durch diese Frage lassen wir uns nicht vom Eigentlichen ablenken. Wichtig ist, zu begreifen, dass „Menschis“, die mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten oder gar Interessen kommen, kein richtiges Bild von der Zukunft haben:

„Sie haben in ihrem Denkmuster der ewig Gestrigen anscheinend noch nicht verstanden, dass es die kapitalistische Profitlogik ist, der der alten Welt gerade ihre Grenzen aufzeigt. Der Klimawandel lässt nicht mit sich verhandeln, die Erde verlangt, dass wir Menschis konsequent handeln oder die Erde handelt selbst und wird dem kapitalistischen Wahnsinn ein Ende setzen.“

Gut, das war jetzt nicht so originell. Aber einen Versuch sollte man den „Menschis“ noch geben, ihre Vorstellung von der neuen Welt zu beschreiben:

„Die neue Welt wird nach Bedarf produzieren. In der neuen Welt können alle teilhaben und werden ökologische Gesichtspunkte immer an vorderste Stelle positionieren. Nicht der Profitlogik. Das ist wo wir hinkommen müssen. Das wird nicht schmerzfrei sein, wir werden auf einiges verzichten müssen. Aber wenn wir unsere Köpfe öffnen und uns von dem Denkmuster der alten Welt befreien. Wir werden feststellen, dass wir viele der „Produkte“, die in der alten Welt angepriesen werden, gar nicht brauchen.“

Stimmt, eine Produktreihe aus dieser Welt, die ich garantiert nicht brauche, fällt mir bei solchen Sätzen sofort ein: Es sind Ideologien – egal ob nun neue oder alte oder alte neu verpackt.

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Leserpost

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Heiko Stadler / 24.08.2019

Ein Kalkwerk soll erweitert werden. Die Erweiterung des Kalkwerks ist die nur Wirkung. Die Ursache dafür ist der Wohnungsbau. Die Ursache des Wohnungsbaus ist der Zustrom der Menschis und die Ursache dafür sind die Schleppis.

Wilfried Cremer / 24.08.2019

Solche Pillenpausen haben uns bereits die Energiewende beschert, natürlich im Verbund mit Merkels Unterwerfung. Die Rachsucht der Malörchen ist jedoch noch nicht befriedigt.

Gabriele Kremmel / 24.08.2019

Ja wenn man zuvor noch nie ein Reh galoppieren, einen Frosch sich bewegen gesehen und einen Uhu schreien gehört hat, dann kann an schon romantische Anwandlungen bekommen, wenn man sich dann doch einmal in die Natur (sprich: reale Welt) begibt. Problem: Weder die alte Welt, noch die neue Welt funktionieren nach dem Prinzip von Computerspielen, wo man sich an der Konsole als Weltenerbauer aufspielen kann und für das Erschlagen eines Gegners Boni erhält, die dann Feldfrüchte über Nacht erntereif aus dem Boden schießen lassen. Gebt doch diesen Träumern ein Stück Land in einer abgelegenen Gegend und lasst sie Siedler spielen und ihre neue Welt aufbauen. Wir könnten dann Wetten darüber abschließen, wie lange ihnen das gefällt und wie erfolgreich sie sein werden.

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