Peter Grimm / 27.02.2020 / 10:00 / Foto: Raimond Spekking / 47 / Seite ausdrucken

Die Kabinette des Dr. Röttgen

Wenn sich Kandidaten um ein Amt bewerben, sind sie ja bekanntlich voller innovativer Ideen. So auch Norbert Röttgen, der CDU-Vorsitzender werden möchte. Es wird vielleicht manch einen Parteifreund überzeugen, dass er neue politische Gremien schaffen will.

Einst war klar, es gibt ein Kabinett, also die jeweilige Regierung. Die Verantwortungsbereiche waren zwar klar aufgeteilt, aber über Kabinettsbeschlüsse konnte jeder Minister mit abstimmen. Im letzten Jahr entstand nach dem Willen der Noch-Großkoalitionäre mit dem Klima-Kabinett eine Art Sonderregierung für die Ausarbeitung von Maßnahmen zur „Klimarettung“. Den Geruch von Notstandsregierung bekam dieses Kabinett für manchen ein wenig durch die Tatsache, dass es früher solche Extra-Kabinette nur in Form von Kriegskabinetten gab. Beim Klima-Kabinett waren nicht mehr alle Minister vertreten, trotz der einschneidenden Beschlüsse, die es uns bescherte, wie beispielsweise die Einführung einer Abgabe auf die CO2-Erzeugung. Aber die „Klimarettung“ ist wichtig, da ist sich die politische Klasse nahezu allparteilich einig, weshalb kaum jemand Sinn und Legitimität des Klima-Kabinetts infrage gestellt hat.

Jetzt hat Norbert Röttgen ein weiteres Kabinettstückchen vorgestellt: "Die Bundesregierung sollte ein Kabinett bilden für den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus", sagte Röttgen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Man habe "ja zum Beispiel ein Klimakabinett", und aktuell brauche "auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland einen solchen Stellenwert". In diesem Anti-Rechtsextremismus-Kabinett sollten die zuständigen Minister zusammenkommen, um einen systematischen Ansatz zu entwickeln. 

In den vielen kaputtgesparten Polizeieinheiten und Justizbehörden deutscher Länder wird man sicher erfreut sein, zu hören, dass es vielleicht bald ein Extra-Kabinett gibt, das für den Umgang mit Rechtsextremismus einen systematischen Ansatz entwickelt. Darauf haben die, deren täglich Brot der Umgang mit Extremisten ist, sicher gewartet. Entschuldigung, die letzte Bemerkung ist natürlich ungerecht, denn es geht Herrn Röttgen ja gar nicht unbedingt nur um die Bekämpfung rechtsextremer Gewalttäter, weil sich sein neues Kabinett nicht nur um strafrechtliche, sondern auch um präventive Maßnahmen kümmern soll. "Wir müssen vor allem auch die Frage beantworten, wie wir mit dem Sprachgift umgehen, das die AfD unserer Gesellschaft einträufelt", so der CDU-Vorsitzendenkandidat weiter. Man dürfe "nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn die Nazizeit als ‚Vogelschiss der Geschichte‘ verharmlost" werde.

Die Liebe zur Notstands-Aura

Norbert Röttgen muss sich als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages offenbar häufiger und länger in ganz fernen Weltregionen aufhalten, in die selten Nachrichten aus der Heimat durchdringen. Deshalb ist ihm womöglich entgangen, wie regelmäßig und häufig der AfD das Vogelschiss-Zitat ihres Bundestags-Fraktionsvorsitzenden vorgehalten wurde und wird. Man kann doch inzwischen kaum noch die Hinterlassenschaften eines Vogels sehen, ohne automatisch an Alexander Gauland denken zu müssen, so oft wie dieser Satz seit vielen Monaten in TV, Radio, Print und online wiederholt wird. Wie sinnvoll das ist, darüber mag man streiten. Dass darüber zur Tagesordnung übergegangen worden sei, ist zweifelsfrei falsch. Und dazu brauchte man kein Anti-Rechtsextremismus-Kabinett à la Röttgen.

Doch so ein Extra-Kabinett mit Notstands-Aura gefällt natürlich Politikern, die den einfachen normalen öffentlichen Streit über wichtige Themen in den vorhandenen demokratischen Gremien für zu mühselig und anstrengend halten. Es ist zudem ein Zukunftsmodell, denn auch weitere ernste Probleme lassen sich einfacher mit Extra-Kabinetten angehen. Nach dem Anti-Rechtsextremismus-Kabinett könnte vielleicht ein Anti-Antisemitismus-Kabinett starten. Man könnte die Extra-Kabinette dabei möglicherweise mit dem stetig wachsenden Beauftragten-Wesen synchronisieren.

Ein Anti-Islamismus-Kabinett bräuchte es hingegen nicht, denn das könnte ja islamfeindliche Vorbehalte fördern. Stattdessen könnte die Bundesregierung eher der Forderung der Islamverbände nach einem Islambeauftragten nachkommen und dann auch ein Islam-Kabinett einberufen. Dies hätte dann die Möglichkeit, sich ganz offiziell und professionell mit der Vereinbarkeit von Grundgesetz und Scharia zu beschäftigen. Oder fängt man erst einmal mit einem Anti-Islamophobie-Kabinett an?

Ein Anti-Linksextremismus-Kabinett braucht man hingegen nicht, denn der ist ja von den meisten anderen Parteipolitikern gewissermaßen wegdefiniert worden, und die Linkspopulisten gelten inzwischen als lupenreine Demokraten, auch wenn ihre Partei vor drei Jahrzehnten noch eine Diktatur führte. Aber sie hätte ansonsten bestimmt nichts gegen neue Betätigungsfelder für neue Kabinette. Ein Gleichstellungs-Kabinett vielleicht? Oder wie wäre es mit einem Migrations-Kabinett?

Immerhin verheißen neue Gremien auch die Schaffung neuer Ämter. Deshalb könnte Röttgens Kabinettstückchen auf den einen oder anderen Parteifreund, der vielleicht noch auf einen Versorgungsposten in der Zukunft hofft, durchaus überzeugend wirken. 

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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E Ekat / 27.02.2020

Es war vorauszuahnen, daß ein Herr Dr. Röttgen sich positionieren würde. Ich halte die CDU zwar für bereits erledigt, (was nicht heißt, daß sie uns nicht auf ewig erhalten bleiben wird) aber Herr Röttgen mag für den einen oder anderen noch zusätzliche Sicherheit spenden, daß bei uns nichts mehr geht. Einfacher Grund: unsere selbsternannten Eliten haben fertig. Ausnahmslos. Wir sind da, wo man (Jean Monnet, seine EU-Vorgaben kann man ja mal googeln. Maurice Strong, Mastermind des Weltklimas) dieses Land hinhaben wollte, Auf den Punkt gebracht: in der Hand einer Frau vd Leyen.

Vollrath Schoppe / 27.02.2020

Nobbi ist der Beste um der CDU den Todesstoß zu setzen. Ein Parteisoldat mit der Extraportion Kadavergehorsam. Wenn Tim Höttges (Telekom Chef) im Interview mit Gabor Steingart den Untergang Deutschlands prophezeit, weil es an Esprit, frischen Ideen und Gemeinsinn mangele, dann erscheint vorm inneren Auge augenblicklich der Beamte Röttgen. Wortgewandt erklärt er uns, wieso unser Schulsystem dem amerikanischen haushoch überlegen ist und daher die besten Innovationen (das Auto, die Autobahnen, der Computer) sowieso aus Deutschland kamen.

Klaus Biskaborn / 27.02.2020

Muss man das wirklich kommentieren was dieser linke Röttgen da für einen armseligen Unfug von sich gibt ? Er will sich doch mit solchen irrlichternden Vorschlägen nur beim linken Mainstream einschmeicheln. Wenn so einer CDU Chef wird dann geht es mit dieser Partei eben noch schneller bergab.    

F. Hoffmann / 27.02.2020

Das Kabarett des Dr. Röttgen.  Pardon, Sie sagten ja Kabinett.

Uta Buhr / 27.02.2020

Danke für das Stichwort, lieber Herr @Peter Holschke! Ja, ein “Kabinett zur Bekämpfung von Volksschädlingen” muss her. Dass Norbertchen nicht schon von selbst darauf gekommen ist, erstaunt mich doch sehr. Dann aber mal hopp, denn mit irgendwas besonders Originellem muss er sich bei Mutti, die ihn einst total alternativlos vor die Tür setzte, ja anwanzen. . Und wenn all dies nichts fruchtet, bekommt das Bübchen halt als Trostpreis einen Schnuller. Der würde gut in sein Gesicht mit dem dümmlichen Lächeln passen.

Dr. Wolfgang Monninger / 27.02.2020

Die Qualitätskontrolle des Parlaments ist eine permanente Aufgabe: Deswegen ist eine effiziente Opposition, die natürlicherweise an den Rändern links und rechts lokalisiert sein wird, völlig unverzichtbar. Diese Aufgabe wird zur Zeit offensichtlich von einer Mehrheit der Parlamentarier, bzw. des medial-politischen Establishments, nicht erkannt. Eine schöne Analogie bildet der Einsturz der Morandi-Brücke in Genua: Die Qualitätskontrolle der Struktur konnte dort nicht hinreichend durchgeführt werden, weil die Tragseile in einem Betonmantel eingeschlossen waren, und sich ihr Status dem Zugriff durch Messgeräte weitgehend entzog. Die Gefahr durch Rost konnte nicht erkannt werden. Wenn heute die AfD verteufelt wird, so verschließt man die Augen vor eigenen Fehlentwicklungen. Man möchte den schönen Schein auf “Biegen und Brechen” erhalten. Dies ist nicht nur unklug, sondern auch gegen das demokratische Prinzip gerichtet. Die Bau wird einbrechen.

Wolfgang Richter / 27.02.2020

@ Rolf Mainz—Würde ich etwas anders formulieren: Solche Ideen kommen auf, wenn (meinetwegen auch beamtete) Bürokraten und von der Allgemeinheit alimentierte Politdarsteller auf einem überflüssigen Posten sitzen, nichts zu tun haben und tägliche ihre Daseinsberechtigung und Wichtigkeit neu belegen müssen. Das führt zum ständigen Erfordernis, das “Rad neu zu erfinden.” Lösung: Staat und Verwaltung werden auf die ureigenen Aufgaben zurück gefahren, Versorgung des Bürger mit der für sein Leben erorderlichen Infrastruktur, Wasser, Versorgung mit Lebensmitteln, verläßliche Stromversorgung und Sicherheit nach innen und außen. Das ansonsten nicht benötigte Personal und alle sich aufdrängenen Quasselstrippen und faktenresistenten Schnellsprecher absetzen und auf die Notwendigkeit eines Brotjobs hinweisen, wenn sie nicht mit der Sammelbüchse unter der Brücke leben wollen.

B. Ollo / 27.02.2020

Klingt ein bisschen nach Horrorfilm: “Das Gruselkabinett des Dr. Rotten” zum Beispiel.

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