Dirk Maxeiner / 13.08.2018 / 16:08 / Foto: Hakeliha / 27 / Seite ausdrucken

Die Erdogan-Pleite

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie fertig Recep Tayyip Erdoğan hat, dann ist es diese Nachricht von heute Nachmittag: „Mit einer Zensur kritischer Kommentare in den sozialen Medien will der türkische Präsident Erdoğan den Verfall der Lira bekämpfen“. Ende letzter Woche hatte Erdoğan noch verkündet: „Sie haben den Dollar, wir haben Allah“. Allah scheint bei einem drohenden Staatsbankrott aber nicht besonders hilfreich zu sein. 

Und auch für die hohe Zustimmung der Türken in Deutschland zu seiner Politik kann sich Erdoğan nix kaufen: Statt sein Geld in Lira anzulegen, bringt jeder, der kann, sein Vermögen in Dollar, Euro oder Schweizer Franken in Sicherheit. Auf die Özil-Fraktion ist da wohl kein Verlass. Erdoğans Verbündete dürften sich mitsamt ihren Devisenkonten schneller in die Büsche schlagen, als der Sultan einmal „Verschwörung“ und „Wirtschaftskrieg“ sagen kann. 

„Die Türken werden ihre Devisen ins Ausland bringen, sollte es Anzeichen für Kapitalkontrollen in der Krise geben“, erwartet etwa Charles Gave, Stratege beim unabhängigen Analysehaus GaveKal. Allein in den kommenden zwölf Monaten müsse die Türkei ausländischen Gläubigern Kredite in Höhe von rund 180 Milliarden Dollar zurückzahlen. „Es wird schwer sein, Geld für diese Tilgung aufzubringen.“ Das auf Schuldenmacherei basierte Wachstum der Erdoğan-Ära fährt vor unser aller Augen im Zeitraffer gegen die Wand – und das offenbar ohne Airbag.

Es ist wohl auch so, dass Erdoğan den Islam nicht nur als machtpolitisches Vehikel im Verhältnis zu seinen Untertanen benutzt, sondern ihm eigenes Herzblut entgegenbringt. Deshalb fließen womöglich die "wirtschaftspolitischen" Regeln des Islam in sein Denken und Handeln ein. Eigentlich müssten Erdoğan und seine Zentralbank die Zinsen erhöhen, um die Lira zu stützen. Das aber wäre ausgesprochen unislamisch, denn im Islam sind Zinsen als solche aus dem Reich des Bösen. Erdoğan hat sich zuletzt bereits als Gegner der Zinsen bezeichnet und angekündigt, eine größere Kontrolle über die eigentlich unabhängige Zentralbank auszuüben – was internationale Investoren noch skeptischer machte als sie es ohnehin schon waren.

Ein Ende des Verfalls ist nicht in Sicht

Im Islam werden Zinsen aus ökonomischer, sozialer und ethischer Sicht als schädlich für die Gesellschaft betrachtet. Zitat Qur´an 2:275: „Diejenigen, die Zins verschlingen, werden nicht anders aufstehen als jemand, den der Satan durch Wahnsinn hin und her schlägt. Dies wird sein, weil sie sagten, Verkaufen ist das gleiche wie Zinsnehmen. Doch hat Allah das Verkaufen erlaubt und Zinsnehmen verboten.“

So wie die Dinge laufen, muss mit einer Bruchlandung in der Wirtschaft auf Zahlungsausfälle, Konkursen türkischer Unternehmen und möglicherweise Bankzusammenbrüchen gerechnet werden. Die Lira stürzt in die Tiefe wie ein Selbstmörder von der Galata-Brücke. Die Auslandschulden der Türkei – und davon gibt es reichlich – steigen gleichzeitig in den Himmel wie eine türkische Mittelstrecken-Rakete vom Typ Gökdoğan .

Die türkische Lira hat seit Jahresbeginn bis Stand heute Mittag beinahe die Hälfte Ihres Wertes eingebüßt – und ein Ende des Verfalls ist nicht in Sicht. Erdogan vermochte die Europäischen Regierungen zu erpressen und einzuschüchtern, aber vor den Gesetzmäßigkeiten der Kapitalmärkte muss er wohl kapitulieren. Zumal Donald Trump in die brennende Hütte am Freitag noch einen Brandbeschleuniger namens "Verdoppelte Zölle auf türkischen Stahl und Aluminium" warf. Die Frage, wer von den beiden den größeren roten Knopf hat, dürfte damit ebenfalls geklärt sein. 

"Wir sind uns bewusst, dass das Problem nicht der Dollar, Euro, Gold.... das sind die Kugeln, Kanonenkugeln, Raketen des Krieges gegen uns", verstärkte Erdoğan seine kriegerische Rethorik, "wir haben die notwendigen Maßnahmen ergriffen und werden dies auch weiterhin tun. Aber was wichtig ist, ist, die Hände zu brechen, die diese Waffen abfeuern." 

In Berlin und Brüssel erschrockenes Schweigen

Nur wird das nicht viel zur Lösung des Problems beitragen: Nach Angaben der türkischen Zentralbank übersteigen die Fremdwährungsverbindlichkeiten der türkischen Nicht-Finanzunternehmen ihre Devisenaktiva um mehr als 200 Milliarden Dollar. Allein in den nächsten 12 Monaten müssen private Nicht-Finanzinstitute über 66 Milliarden Dollar an Fremdwährungsschulden zurückzahlen oder rollen. Die Banken in der Türkei sehen sich unterdessen mit 76 Milliarden Dollar konfrontiert. Insgesamt sitzen private Unternehmen in der Türkei auf einem Schuldenberg, der etwa 40 Prozent  des Innlandproduktes entspricht.

In Berlin und Brüssel herrscht derweil erschrockenes Schweigen. Man fürchtet, der Fallout der türkischen Lira-Schmelze könnte schon bald vor der eigenen Haustüre landen. Europäische Banken sind anfällig für eine sich zuspitzende Krise in der Türkei. "Wenn es zu größeren Ausfällen in der Türkei kommt, braucht es wenig Fantasie, um neue Bankenturbulenzen in Europa vorherzusagen," sagen Analysten. 

Einem Bericht der „Financial Times“ zufolge schauen sich die EZB-Bankenaufseher wegen der Lira-Krise bereits die Verbindungen europäischer Geldhäuser zur Türkei an. Besonders die Banken BBVA aus Spanien, die italienische Unicredit und die französische BNP Paribas stünden im Fokus. Die Möglichkeit einer neuen Eurokrise wird vorsichtshalber noch nicht einmal ausgesprochen. Am Morgen fiel der Euro zeitweise auf den tiefsten Stand seit zwölf Monaten. Ein Euro kostete kurzzeitig 1,1365 US-Dollar und damit so wenig wie zuletzt im Juli 2017. Zum Franken markierte der Euro im frühen Handel bei 1,1286 – das ist der niedrigste Stand seit August 2017.

Angeblich soll am 7. September ein Treffen Erdoğans mit Merkel auf der Agenda stehen. Nach Erdoğans Aussagen planen Deutschland, Frankreich, Russland und die Türkei zu diesem Termin einen Gipfel zur Nahostpolitik. Da lässt sich nebenbei bestimmt auch darüber reden, ob Angela Merkel einmal mehr bereit ist, dem Diktator vom Bosporus mit frisch gedruckten Euros aus der Klemme zu helfen. 

Foto: Hakeliha via Wikimedia

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Karla Kuhn / 13.08.2018

„Mit einer Zensur kritischer Kommentare in den sozialen Medien will der türkische Präsident Erdogan den Verfall der Lira bekämpfen“. Ende letzter Woche hieß es noch: „Sie haben den Dollar, wir haben Allah“. Der scheint aber nicht an die türkische Lira zu glauben.”  Was für ein WITZ !  Erdogan hatte doch die Türken in Deutschland aufgefordert ihre Devisen in die Türkei zu überweisen ?? Und, haben sie ? Oder ist es wie meistens überall, daß beim schnöden Mammon die Liebe aufhört ?? ” Erdogan vermochte die Europäischen Regierungen zu erpressen und einzuschüchtern, aber vor den Gesetzmässigkeiten der Kapitalmärkte muss er wohl kapitulieren.” Merkel hat mit diesem Mann auch noch einen sehr zweifelhaften Deal abgeschlossen.  “In Berlin und Brüssel erschrockenes Schweigen”  Für wie lange ?? Vielleicht sind doch noch Trump und Putin schuld ??  “Europäische Banken sind anfällig für eine sich zuspitzende Krise in der Türkei. „Wenn es zu größeren Ausfällen in der Türkei kommt, braucht es wenig Fantasie, um neue Bankenturbulenzen in Europa vorherzusagen,“ sagen Analysten. ”  ” Angeblich soll am 7. September ein Treffen Erdogans mit Merkel auf der Agenda stehen. Nach Erdogans Aussagen planen Deutschland, Frankreich, Russland und die Türkei zu diesem Termin einen Gipfel zur Nahostpolitik. Da lässt sich nebenbei bestimt auch darüber reden, ob Angela Merkel einmal mehr bereit ist dem Diktator vom Bosperus mit frisch gedruckten Euros aus der Klemme zu helfen. ”  Sind es nicht eher die STEUERGELDER ?? WANN tritt dies Frau ENDLICH zurück ??

Rudi Hoffmann / 13.08.2018

„Mit einer Zensur kritischer Kommentare in den sozialen Medien will der türkische Präsident Erdogan den Verfall der Lira bekämpfen“. “”“Da kann er doch von unserem Herrn Außenminister lernen .  Und schon kommt man sich wieder näher .

Hartmut Laun / 13.08.2018

Die Türkei kann nicht pleite sein. Die Staatsverschuldung ist gering = 28% vom BIP. Eher geht Italien noch früher pleite. Die Privatverschuldung ist hoch, davon viel in Fremdwährungskrediten. So haben auch die Türken ihr Handelsbilanzdefizit finanziert. Wenn, dann gehen höchstens die privaten Glaeubiger im Ausland pleite oder müssen wieder mal gerettet werden. Eher noch wird die ganze Türkei gerettet. Europas Banken gehören zu den wichtigsten Gläubigern der Türkei. Gut 255 Milliarden Euro, haben die Banken weltweit der Türkei geliehen. Vor allem spanische Geldhäuser müssen zittern. Immerhin führen sie mit 87 Milliarden Dollar die Liste der Gläubiger an. Französische Häuser haben rund 42 Milliarden Dollar im Feuer, deutsche Institute rund 15 Milliarden Dollar und italienische immerhin noch rund elf Milliarden Dollar. Hedge-Fonds, Versicherungen, andere große Geldsammelstellen haben der Türkei das Geld ihrer Kunden geliehen. Bei Zahlungsunfähigkeit der Türkei müssen deren Kredite abgeschrieben werden. Das erinnert an Griechenland, wo die EZB die maroden Staatsanleihen mit frischem Geld aufgekauft hat, damit die privaten, großen Gläubiger ausgezahlt wurden, damit die Rentenrücklagen nicht kollabieren.

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