Rainer Bonhorst / 25.12.2023 / 12:00 / Foto: Imago / 42 / Seite ausdrucken

Die Einsamkeit der Politiker

Ist es ein Zufall, dass die rotgrüngelbe Koalition dieser Tage ein „Strategiepapier gegen Einsamkeit“ auf den Markt geworfen hat? Natürlich nicht. Erstens ist Weihnachtszeit und Weihnachtszeit ist Einsamkeitszeit.

Die einen sind einsam, weil allein zu Hause, die anderen sehnen sich nach Einsamkeit, weil ihnen die Familienfestivitäten seelisch über den Kopf wachsen. Eine alte Geschichte. Aber eine politische? Was hat die Regierung nur dazu veranlasst, auf hoher politischer Ebene ein solches Strategiepapier zu verfassen? Und warum gerade jetzt? Warum nicht vor einem Jahr? Warum nicht vor zehn Jahren? Warum überhaupt?

Die Antwort auf diese Fragen liegt auf der Hand. Das Strategiepapier gegen Einsamkeit richtet sich an die Politiker selbst. Es war schon immer einsam an der Spitze, aber noch nie waren unsere Politiker so einsam wie heute. Von ihren potenziellen Wählern verlassen, dürften sie sich wie eine verlorene, wenn nicht gar die letzte Generation fühlen. Also haben sie sich zur Selbsttherapie durch Strategie entschlossen.

Der ganz große Einsame ist natürlich Olaf Scholz. Er ist dort oben auf der kalten Höhe der Macht so allein, dass es ihm über lange Strecken die Sprache verschlägt. Seine zusammengekniffenen Lippen sind permanenter Ausdruck des großen einsamen Schweigens. Kann man diese anscheinend fest verschlossenen Lippen wenigstens um die Weihnachtszeit einen Spalt weit öffnen und ihnen gar ein einnehmendes Lächeln entlocken? Ein Lächeln, das die Menschen anzieht und ihn aus seiner Einsamkeit wenigstens für eine Weile befreit? 

Am ehesten geeignet, ein solches befreiendes Lächeln hervorzuzaubern, dürfte das bereits bestehende, aber nunmehr strategisch eingebettete „Silbertelefon“ sein. Es schenkt Menschen ab 60, also Menschen mit silbernem Haar, Gehör und berät sie.

Olaf Scholz darf sich zur Zielgruppe des Silbertelefons zählen, da er über 60 ist und die Zugangsberechtigung nicht von der Anzahl der silbernen Haare abhängt. Im Falle Scholz ist aber auch denkbar, dass er zu denjenigen gehört, die sich nach Einsamkeit sehnen, weil die bunte Regierungsfamilie seine Nerven über Gebühr strapaziert. Sollte das so sein, so wäre eine Therapie zu empfehlen, die in der regierungsoffiziellen Strategie gegen Einsamkeit nicht vorgesehen ist: eine Auszeit möglichst in einem Kloster mit Schweigepflicht. 

Nummer gegen den Kummer

Die strategisch empfohlene „Nummer gegen Kummer“ berät eigentlich Kinder und Jugendliche. Aber da es den Grünen noch nicht gelungen ist, das passive Wahlalter auf zehn Jahre herabzusetzen, sollte man mit der Altersgrenze in diesem Fall nicht so streng sein. Unsere vergleichsweise jugendliche Außenministerin hat viele Gründe, sich der „Nummer gegen Kummer“ anzuvertrauen. Auf ihren zahlreichen Reisen um die Welt hat Annalena Baerbock zu ihrem Kummer immer wieder feststellen müssen, dass ihre feministische Außenpolitik in Nah und Fern gegen eine Macho-Wand stößt. Auch ihre Empfehlung, Deutschland möge sich den afrikanischen Staat Kenia als ökologisches Vorbild nehmen und ihm nacheifern, hat in der Heimat ein Echo gefunden, das in ihr das Gefühl tiefster Vereinsamung ausgelöst haben dürfte

Die Einsamkeit unseres Finanzministers ist von anderer Art. Christian Lindner ist der Außenseiter in doppelter Hinsicht. Erstens ist er – rechnerisch betrachtet – der Benjamin, der numerisch Kleinste in der Regierungsfamilie. Er darf zwar den Geldbeutel in der Hand halten, kann aber nicht verhindern, dass ihm die Großen immer wieder einfach hineingreifen. Und dann hat er noch diese merkwürdigen liberalen Neigungen, zum Beispiel die Überzeugung, dass der Staat nicht alles besser weiß und nicht alles besser kann. Damit kann er bei den roten und grünen Besserwissern natürlich nicht landen. 

Eigentlich würde man dem kleinen einsamen Liberalen empfehlen, es mal mit einem der 530 vom Bund unterstützten Mehr-Generationen-Häuser zu probieren, wo Groß und Klein, Alt und Jung sich in heiterer Harmonie ergänzen. Aber es ist zu fürchten, dass Christian Lindner das klassische Beispiel des Einsamen in der Menge ist und bleibt. Man kann nur hoffen, dass die Strategie gegen die Einsamkeit auch ihm irgendwie ein bisschen helfen kann.

Kompetenzzentrum Einsamkeit

So weit und beispielhaft diese drei betroffenen Politiker. Aber was hat es nun mit dieser Strategie eigentlich genauer auf sich? Nun, das Strategiepapier sieht zum Beispiel vor, „die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren“, also sicher auch für die Einsamkeit der Regierenden. Außerdem soll „durch Forschung das Wissen über Vorbeugung und Linderung von Einsamkeit vergrößert werden“. Das kann natürlich dauern. Darum sollen den Betroffenen kurzfristig „niederschwellige Hilfsangebote“ gemacht werden.

Vor allem aber: „Die Erkenntnisse aus den vom Bund unterstützten Projekten werden über das Kompetenzzentrum Einsamkeit bundesweit zugänglich gemacht.“ Donnerwetter. Das ist mal was Neues. Aber Moment mal. Das Kompetenzzentrum Einsamkeit fördert der Bund ja schon seit 2019. Also doch nichts Neues? O doch. Ab sofort gibt es das Ganze als Strategie. Und Strategie heißt, dass die bereits vier Jahr existierende Sache nunmehr „längerfristig angelegt ist“.

Also wohl mindestens noch zwei Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl. Damit haben die betroffenen Regierungspolitiker die Chance, noch während ihrer Amtszeit vom Kompetenzzentrum Einsamkeit zu profitieren. Danach können sie sich im Kreise ihrer Familien und Freunde von der berufsbedingten Einsamkeit erholen. Es sei denn, der eine oder die andere muss nach der Bundestagswahl in neuer Formation weiter seine oder ihre einsamen Kreise ziehen.

So oder so: Dem Kompetenzzentrum Einsamkeit dürfte die Arbeit nicht ausgehen.

 

Rainer Bonhorst arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung. 

Foto: Imago

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finn waidjuk / 25.12.2023

Unsere regierenden Politiker sind ja nicht erst als Erwachsene einsam geworden. Sie waren es schon als Kinder, weil niemand mit ihnen spielen wollte. Deren charakterliche Defizite wurden schon frühzeitig in Kindergarten oder in der Schule erkannt und jeder ging ihnen aus dem Weg. Oder können Sie sich vorstellen, als Kind mit Merkel, Scholz oder Faeser gespielt zu haben? Oder gar Lauterbach? Na, sehen Sie. Was tut man also nun, wenn man mit so einem miesen Charakter gesegnet wurde? Man schließt sich anderen Defizitären an. Man tritt in eine Partei ein oder sucht sich ein Unterkommen in der Amtskirche. Aber hier geht es ja um Politiker, bleiben wir also bei denen. Besonders die linken Parteien eignen sich dafür, bei SPD und den Grünen ist eine charakterliche Fehlentwicklung quasi Aufnahmebedingung. Vielleicht war es bei der CDU früher nicht ganz so; ich hatte als Kind in den 60ern einen Spielkameraden, der als Kind ganz normal wirkte. Als ich die Mädchen für mich entdeckte, trennten sich unsere Wege, ich hing mit Mädchen ab und er trat der Jungen Union bei. Später studierte er Jura und war mit 30 schon so verkorkst, dass er mit dem Pensionärverein in Urlaub fuhr, weil sich sonst niemand mehr mit ihm abgab.. Mit 50 brachte er sich um. Diejenigen, die durchgehalten haben und nun an der Spitze sind, können diese frühkindlichen Erfahrungen nicht vergessen. Die intelligenteren unter ihnen wissen genau, dass sie nur von Speichelleckern umgeben sind die sie eigentlich verachten, aber sich Vorteile von ihnen versprechen. Die dümmeren, und das sind die meisten, glauben tatsächlich, dass sie nun endlich Freunde gefunden hätten und leben ihren Wahn ungestört aus. Im schlimmsten Fall kommt dann so etwas wie Baerbock, Roth oder Lang raus. Oder es endet in Tränen, wenn man auf einem Parteitag nicht gewählt wird. Wenn sie dort wären, wo sie hingehörten, nämlich im Irrenhaus, könnte man sogar Mitleid mit ihnen haben. Leider ist das nicht der Fall und so stellen sie eine Gefahr dar

G. Zülken / 25.12.2023

Verstehe den Text nicht. Olaf Scholz ist doch nicht einsam. Er hat doch seine 2 engsten Freunde um sich. Einer von den Grünen und der andere ist sogar FDP- Vorsitzender. Und Lächeln braucht Olaf nicht, er ist doch Spitzenreiter im Grinsen, wenn es wieder gegen das eigene Volk geht. Also , was soll der Text. Einsam wird es höchstens demnächst in diesem Lande für die autochthone Bevölkerung, wenn der Islam die politischen und religiösen Geschäfte dieses Landes übernimmt. Und dann lassen es sich die jetzigen Politiker in Argentinien, oder einem anderen südamerikanischen Staat bestimmt gut gehen und freuen sich darüber, was sie ohne Not, aber durch ihrem Idealismus aus diesem Lande gemacht haben. Aber die Bevölkerung will es ja so. Man erkennt es jedes mal, wenn an Wahltagen die erste Hochrechnung verkündet wird.

Gregor Waldersee / 25.12.2023

Politik ist högschde Einsamkeit, ein Gefängnis unter vielen so genannten Parteifreunden. Sie mutiert heute zur heillosen Angst und schießt mit Propaganda-Maschinen auf die Kreuz-an-der-richtigen-Stelle-Macher. Spielt nicht mit den Schmuddelkindern, singt nicht das Deutschlandlied, bloß keine Flagge schwenken. Wartet, bis das böse Deutschland Geschichte ist und die Mohammedaner das Zepter übernehmen. Einsamkeit ist des Himmels Pforte für dilettantische Politiker, ihre einzige und letzte Hoffnung. Bis dorthin: Augen zu und durch. Es gibt keine besseren Repräsentanten dafür als Scholz, Steinmeier und Habeck: PolitikEnde im Einsamkeits-Strudel, längst jenseits aller Peinlichkeiten agierend, sie schämen sich für nichts mehr.

Peter Holschke / 25.12.2023

Was soll der Quatsch? Ein Einsamkeitsbehörde ist ebenso Unfug, wie über eine vermutete Einsamkeit von Politikern zu fabulieren, von der man nichts wissen kann, außer die Einsamkeit rührt von Einzelhaft her. Aber derzeit Laufen allen noch frei herum.

Heike Olmes / 25.12.2023

Kein Mitleid. Sollen sie doch einsam sterben in Ihrer selbstgewählten Abgehobenheit. Das von ihnen verachtete Volk hat andere Sorgen als die Befindlichkeiten skrupelloser Politiker.

HaJo Wolf / 25.12.2023

Die Einsamkeit, die diesem Kanzler und seinen Vasallen gebührt, ist noch nicht erfunden. Ich denke da an einen 10. oder 11. Kreis von Dantes Hölle…

Jochen Brühl / 25.12.2023

Ja das ist natürlich alles etwas ungünstig gelaufen, wenn man erst das “Patriarchat”, vulgo: familiäre Strukturen, dann die so verhasste deutsche Gesellschaft und ihre Strukturen (z.B. Vereine der Traditionspflege) zerstört und dann innerhalb der Bevölkerungsanteile ohne Migrationshintergrund Vereinsamungsprobleme feststellt. Ich denke einmal, in Duisburg Marxloh und Neukölln Nord in Berlin ist das Problem in den migrantischen Milieus überschaubar. Aber die aktuell herrschende Politik lebt davon, sich als Problemlöser für Probleme aufzuspielen, die sie ausnahmslos erst selbst erschaffen haben.

Thomin Weller / 25.12.2023

Scholz wurde in Hamburg als Hinterzimmergespenst betrachtet. Zu Divide et impera gehört die Eisamkeit. Es gibt Unterschiede zwischen Einsam und Alleinsein. Am schlimmsten dürfte wohl “gemeinsam Einsam” sein. Politiker leben in ihrer Netzwerkblase der politisch kollektiven Masturbation und Korruption. Ganz wie der Begriff Cocooning und Clanning definiert ist. (So melden Baumärkte oder der Online-Möbelhandel 2020 hohe Umsatzzahlen.)  Die ekelhafte Rede des Steinspalters sehe ich eindeutig einzig an Politiker und Beamte nebst ihrer extrem üblen Netzwerke gerichtet. Bloß niemals das Remonstrationsrecht, “§ 56 Verantwortlichkeit des Beamten; Remonstrationsrecht” in Anspruch nehmen. Nächstes Jahr wird sehr heftig werden und kann aus meiner Sicht einzig durch die Opferung der Unregierung vor allem Scholz und seine extrem kriminellen Inhalte halbwegs gemildert werden. Wäre Deutschland ein Rechtsstaat und keine Büchner Justizhure, wäre in -Tamanny Hall-, “Die Tammany Hall stand für Klientelismus und Korruption” längst aufgeräumt worden. P.S. TelefonSeelsorge® gibt es einzig nur für fundamental Gläubige. Wer schaut mal beim Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) nach, wer den Begriff TelefonSeelsorge® geschützt hat. Ist wohl wieder diese ekelige Inzucht und soziale Reproduktion der politisch Einsamen.

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