In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als auf Rente hoffen.
Dem Altherrenduell um das Weiße Haus steht seit dem Super Tuesday nichts mehr im Weg. Der Ausstieg der Republikanerin Nikki Haley aus dem Wettbewerb macht fest, was ohnehin schon so gut wie klar war: Das Traumpaar im Kampf um die amerikanische Präsidentschaft heißt Joe Biden (81) gegen Donald Trump (77). Als einer, der selber dazu gehört, darf ich diesen Triumph der Oldies klammheimlich genießen. Manchmal wünschte ich, wir hätten in Deutschland eine Regierung mit so geriatrischer Ausrichtung. Kein alter Knacker und keine alte Schachtel würde es wagen, uns eine solche Amateurpolitik zuzumuten, wie sie die rotgrüngelbe Jugendgruppe anbietet.
Jugendgruppe ist natürlich relativ. Selbst der Kanzler, der die Seniorität für sich in Anspruch nehmen kann, ist mit seinen 65 Jahren ein Jüngling im Vergleich zum alten oder neuen US-Präsidenten. Im normalen Berufsleben könnte er sich gerade mal auf seine erste Rente freuen. Ein Termin, zu dem das Leben bekanntlich erst anfängt. Für Olaf Scholz rückt der Termin auch im politischen Leben näher. Nächstes Jahr wird wohl Schluss für ihn sein. Seine (relative) Jugendgruppe hingegen kann weiter hoffen. Die künftige Wahlsiegerin wird ja mindestens einen der beiden politischen Amateurvereine brauchen, um zu zeigen, dass sie es besser kann. Übermäßig hoffnungsfroh stimmt einen das in diesen drohenden Kombinationen nicht. Ja, wahrscheinlich droht sogar wieder ein flotter Dreier, nur eben mit schwarzer Grundeinfärbung.
In Amerika wird es bei allen Verrücktheiten des Systems am Ende wenigstens klare Verhältnisse geben. Entweder der dann 82-Jährige bleibt im Weißen Haus oder der dann 78-Jährige kehrt zurück. Trump wohnte da ja schon mal und meint bis heute, dass er damals zu Unrecht rausgeschmissen worden ist. Seine Anhänger meinen das auch. Der Ältere der beiden wiederum ist überzeugt, dass nur er den ungestümen Mit-Oldie von seiner schönen Altersresidenz in Washington fernhalten kann.
Manches spricht dafür. Das einzige Problem mit so einem Seniorat ist natürlich, dass die Perspektive ein bisschen verkürzt ist. Wird Joe Biden bis zur Zielgeraden durchhalten? Wird Donald Trump seiner kräftezehrenden Doppelbeschäftigung noch lange genug gewachsen sein? Schließlich muss er nach den Vorwahlen noch zum eigentlichen Wahlkampf gegen den Demokraten wirbeln und sich gleichzeitig von Prozess zu Prozess hangeln. Da hat es Joe Biden als Hausherr ohne ernst zu nehmende juristische Verfahren auf der Agenda und ohne großen Vorwahl-Stress vergleichsweise leicht. Das dürfte die vier Jährchen ausgleichen, die er mehr auf dem Buckel hat als der Republikaner.
America first
Beide machen bei ihren Auftritten inzwischen immer wieder einen erschöpften Eindruck. Joe Biden verhaspelt sich immer mal wieder und stolpert nicht nur verbal, sondern auch gesamtheitlich, Donald Trump schwadroniert gelegentlich mit Tendenz zum Absurden. Zum Glück erwartet den Sieger eine etwas geregelte Zeit im Weißen Haus, umgeben von Beratern, die im übertragenen Sinne als Korsett und Stützstrümpfe Dienst tun.
Ob sich Joe oder Donald auf die politischen Pflegerinnen und Pfleger stützen werden, ist allerdings fraglich. Trump ist von Hause aus beratungsresistent, und Biden glaubt als politisches Urgestein, das meiste besser zu wissen. Beide lösen in Deutschland gewisse Ängste aus. Um Biden bangt man und vor Trump ist es den meisten bang. In der Rückschau auf ihre Tätigkeit muss man allerdings feststellen: Von beiden könnten sich unsere Politiker die eine oder andere Scheibe abschneiden.
Als Trump im Weißen Haus residierte, hat er einfach ein paar ewige Kriege beendet, was die Angehörigen der über den Globus verstreuten US-Soldaten hoch erfreut hat. Das hat viele Europäer allerdings genauso erschreckt wie das Gegenteil: Amerikas Rolle als Weltpolizist. Man kann es uns eben nie recht machen. Trumps Credo „America first“ bedeutet eben auch, dass er sich nicht in jeden Weltenzwist einmischen will. Es sei denn, er bringt den einen oder anderen arabischen Staat näher an Israel heran, was ihm auch gelungen ist. Zum „America first“ gehört auch, dass er amerikanische Firmen, die sich ins Ausland verdrückt haben, mit Zuckerbrot und Peitsche wieder heim in die USA geholt hat: mit Steuererleichterungen für Heimkehrer und Strafzoll-Androhungen für Wegbleiber.
Den Alten eine Chance!
Isolationismus nennt man diese keineswegs neue amerikanische Politik. Und sie ist auch Joe Biden nicht unbekannt. Er trumpft zwar nicht so auf wie Trump, aber für ihn ist „America first“ auch eine Selbstverständlichkeit. Trump ist verbal deutlich unangenehmer für Europa, aber Biden kann bei Bedarf auch ein harter Brocken sein. Er wird die NATO nicht erschrecken, wie es Trump gerne tut, aber wird weiter darauf bestehen, dass die Verbündeten ihren Beitrag leisten, was diese angesichts des Ukrainekriegs ja ohnehin gerade lernen. Für die Ukraine allerdings wäre ein Sieg Bidens überlebenswichtig und ein Sieg Trumps eine Katastrophe. Aber irgendeinen Kompromiss-Frieden wird auch Biden früher oder später vermitteln müssen.
Bidens größter Trumpf ist seine Wirtschaftsbilanz. Die amerikanische Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit ist weitgehend verschwunden und die Inflation ist wieder im Griff. Offenbar gelingt in Amerika, was in Deutschland zur Zeit als ein Ding der Unmöglichkeit erscheint. Liegt es etwa daran, dass auch die quasi-sozialdemokratischen Demokraten nicht unter dem Ideologie-Syndrom der eben sehr deutschen Rotgrünen leiden? Könnte sein.
In normalen Zeiten wäre Bidens Wirtschaftsbilanz eine Siegesgarantie. Aber die Zeiten sind in den USA nicht normal. Über die Verrücktheiten der amerikanischen Politik ist oft und viel geschrieben worden. Eine dieser Verrücktheiten ist, dass die Amerikaner im November die Wahl zwischen den beiden ältesten Präsidentschaftskandidaten ihrer Geschichte haben. Aber solange den Jüngeren auch nichts Besseres einfällt (siehe Berlin), kann man – wenn auch mit etwas Bangen – sagen: Den Alten eine Chance!
Rainer Bonhorst, geboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.