Der Frauentag könnte so schön sein, wäre er nicht vom Feminismus und der Jagd nach dem Patriarchat gekapert. Rund um den Gedenktag sprießen auch dieses Jahr wieder zahlreiche Irrungen und Wirrungen aus Politik und Medien.
Heute ist Weltfrauentag und ich habe etwas Schönes vor: Ich treffe meine Mutter und meine Schwester, wir wollen spazieren gehen (falls es nicht schneeregnet) und es uns dann mit leckerem Essen, Aperol Spritz und einem romantischen Film – einem „Frauenfilm“ – gemütlich machen. Seit der 8. März in Berlin zum Feiertag wurde, hat meine Mutter diese „Tradition“ eingeführt, manchmal kommen noch ein paar Freundinnen dazu. Für uns ist der Frauentag ein willkommenes Mittel zum Zweck, um sich Zeit füreinander zu nehmen – sozusagen für die wichtigen Frauen in unserem Leben. Das Ganze hat keine politische Dimension, es ist eine spielerische Wertschätzung, die wir einander damit entgegenbringen. Und nicht zuletzt einfach ein schöner Anlass, um zu quatschen, zu lachen und Spaß zu haben.
Diese Zwanglosigkeit geht leider verloren, sobald man einen Blick in die Nachrichtenlage rund um diesen denkwürdigen Tag wirft: Ver.di ruft zu einem bundesweiten Warnstreik in Kitas auf, meldet der NDR. „Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher, der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter muss die Anerkennung bekommen, die sie verdient“, hat die stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende Christine Behle zu Protokoll gegeben. Da 83 Prozent der Beschäftigten im Bereich der Sozialen Arbeit Frauen seien, scheint dieses Anliegen prädestiniert für den Frauentag. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ruft zu Kundgebungen rund um das Thema Frauen in der Erwerbsarbeit auf. Das unschlagbare Motto für den diesjährigen 8. März lautet: „Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten!“
Der NDR fasst es – vermutlich ungewollt – treffend zusammen: „So klingen die Forderungen am Internationalen Frauentag heute nicht viel anders als vor einem Jahrhundert: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, bessere Aufstiegschancen und Arbeitsbedingungen und mehr Rechte gegen Gewalt und Sexismus.“ Man könnte angesichts der Berichte tatsächlich meinen, wir lebten noch zu Kaisers Zeiten.
„Nie war der Dax weiblicher als derzeit“
Anne-Kattrin Palmer fordert in der Berliner Zeitung eine Abschaffung von Dingen, die bei näherem Hinsehen nicht als systematische Benachteiligung, sondern als Lebensstil-Konsequenzen betrachtet werden können, wie zum Beispiel: Der unbereinigte Gender-Pay-Gap (bei dem bekanntlich die Gehälter von Krankenschwestern mit denen von Chefärzten verglichen werden), eine unter anderem daraus resultierende niedrigere Rente bei Frauen (außerdem ausgelöst durch häufigere Teilzeitarbeit oder Hausfrauentätigkeit) oder „keine verlässliche Kinderbetreuung“ (ob sie damit einen Mangel an Ganztagsangeboten in definitiv existierenden Kitas und Schulen meint, ist unklar).
Im Handelsblatt singt Kolumnistin Tanja Kewes ein Loblied auf die gesetzliche Frauenquote: „Keine Angst, meine Herren!“ Gottseidank gibt es endlich Parität in Dax-Vorständen („Nie war der Dax weiblicher als derzeit“), sowie ganze 59 „Vorständinnen“ gegenüber 199 männlichen Vorständen. Und obwohl wir keine Kanzlerin mehr haben, ist unsere Annalena immerhin Außenministerin. Kommen Männer da zu kurz? „Es ist genug Karriere für alle da“, findet Kewes angesichts des Fachkräftemangels. Das mag sein, und trotzdem sollten für Top-Jobs jeweils nur ausreichend kompetente Vertreter infrage kommen – und zwar beiderlei Geschlechts.
All dies verdanken wir nicht zuletzt der gesetzlichen Frauenquote, die seit August 2021 „auch für Vorstands- und Aufsichtsgremien großer deutscher Unternehmen, für Unternehmen mit Bundesbeteiligung sowie für bestimmte Spitzenposten im öffentlichen Dienst“ gilt.
Durch Quote „geschenkt“ bekommen
Die damalige Bundesfrauen- und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht kommentierte das neue Gesetz folgendermaßen:
„Das neue Führungspositionengesetz ist ein Meilenstein für die Frauen in Deutschland. Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass mehr hoch qualifizierte Frauen ins Top-Management aufsteigen können. Schon mit dem ersten Gesetz von 2015 haben wir viel bewegt - vor allem in den Aufsichtsräten wird die Mindestquote von 30 Prozent Frauen inzwischen übertroffen.“
Lambrecht hatte bereits Ende 2020 innerhalb der „Quotenfrau“-Kampagne des Stern besagtes Gesetz beworben. Im dazugehörigen Interview hatte sie auf die Frage, ob eine Frau kompetenter und willensstärker sein muss als ein Mann, um dasselbe Ziel zu erreichen, geantwortet: „Ich denke ja. Und sie müssen als Frau ständig ihre Qualifikation wieder neu unter Beweis stellen. Ich habe den Eindruck, das ist bei Männern nicht so.“
Die Tatsache, dass Lambrecht ihren Posten als Verteidigungsministerin durch Quote „geschenkt“ bekommen und erst nach mehreren Fehltritten wieder verloren hat, scheint diese Aussage Lügen zu strafen.
Vormodernes Schuldverständnis
Ihre Polit-Kolleginnen scheinen eine ähnliche Weltfremdheit an den Tag zu legen. Familienministerin Lisa Paus verkündete kürzlich, dass wir nach wie vor im Patriarchat lebten. „Für mich ist das Patriarchat vorbei, wenn Frauen ökonomisch und politisch gleichgestellt sind, die Hälfte der Macht den Frauen gehört, und geschlechtsspezifische Gewalt nicht als individuelle Tat verharmlost wird, sondern als patriarchales Denk- und Verhaltensmuster anerkannt und geahndet wird“, hatte sie im Interview mit dem Tagesspiegel geäußert.
„Ich glaube, Lisa Paus lebt unter einem Stein“, schreibt WELT-Kolumnistin Anna Schneider. Dem kann ich nur zustimmen. Vor allem die Passage, dass „geschlechtsspezifische Gewalt nicht als individuelle Tat verharmlost wird, sondern als patriarchales Denk- und Verhaltensmuster anerkannt und geahndet wird“, lässt mich frösteln: Dies lässt auf ein sehr eigenwilliges, um nicht zu sagen vormodernes Schuldverständnis schließen. Dazu passt auch die von Paus beauftragte – und steuerlich finanzierte – „Antifeministische Meldestelle“, umgesetzt von der berüchtigten Amadeu-Antonio-Stiftung (Achgut berichtete).
Diese Denunzianten-Plattform sammelt anonyme „antifeministische Meldungen“ – von der Körperverletzung bis zum verteilten Flugblatt soll alles erfasst werden. Veröffentlicht wird nur, was „Prominente, bekannte Journalisten und Medien oder Vereine“ betrifft. Laut Projektbeschreibung nähme man Anschuldigungen auf, „unabhängig davon, ob sie einen Straftatbestand erfüllen oder unter der sogenannten Strafbarkeitsgrenze liegen“. Was soll dieser drohende Unterton bedeuten? Ist das, was nicht verboten ist, etwa nicht erlaubt?
„Von patriarchalem Besitzdenken“ geprägt
In dieselbe Kerbe schlägt eine Erklärung mehrerer SPD-Rechtspolitiker, die kurz vor dem Weltfrauentag verabschiedet wurde: Darin fordern sie „eine härtere Bestrafung von tödlicher Gewalt gegen Frauen. Wird eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist, müsse dies künftig als Femizid anerkannt und regelmäßig als Mord aus niedrigen Beweggründen bestraft werden.“
„Geschlechtsspezifische Motive müssen klar benannt werden und bei der Strafzumessung von Gesetzes wegen strafschärfend berücksichtigt werden“, heißt es außerdem in dem Papier.
Gemeint sind vor allem Tötungsdelikte von Männern an ihren Partnerinnen und Ex-Partnerinnen, laut Statistik ereignet sich eine derartige Tat alle drei Tage in Deutschland. Die stellvertretende rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Carmen Wegge betonte, dass derartige Taten „von patriarchalem Besitzdenken“ geprägt seien.
Wenn Männer in Trennungssituationen ihre frühere Partnerin töteten, sei das bisher vor Gericht oft lediglich als Totschlag und nicht als Mord gewertet worden, schreibt der Spiegel. Die aufgewühlte emotionale Situation des Täters sei als strafmildernd betrachtet worden, sein patriarchales Besitzdenken, das der Frau kein Leben ohne ihn zugestand, dagegen nicht als strafverschärfend. Der Zusatz „Femizid“ soll also eine Umetikettierung von „Totschlag“ zu „Mord“ ermöglichen.
Mord und Gehsteigbelästigung
Der rechtspolitische Sprecher der baden-württembergischen SPD-Landtagsfraktion, Boris Weirauch fügte hinzu: „Ein Femizid ist ein Femizid und darf nicht als ‚Ehrenmord‘ oder ‚Eifersuchtsdrama‘ verharmlost werden.“
Geht es also um die berühmten Messerattacken, die vornehmlich von Tätern aus dem muslimischen Kulturkreis verübt werden und regelmäßig traurige Nachrichten produzieren? Es ist bekannt, dass das Strafmaß für diese Täter oftmals erstaunlich niedrig ausfällt. Aber brauchen wir wirklich eine Erweiterung unserer Straftatbestände „Mord“ und „Totschlag“? Reicht es nicht, unsere bestehenden Gesetze bei der Rechtsprechung sorgfältiger zu berücksichtigen? Was sollte das nichtssagende Etikett „Femizid“ positiv bewirken? Und warum besteht die Politik weiterhin darauf, Männer aus genau diesem scheinbar bedenklichen Kulturkreis zahlreich ins Land zu holen, wenn sie doch angeblich um die weibliche Sicherheit derart besorgt ist?
Die Debatte ist eine politische. Laut Spiegel heißt es „in einem Gesetzentwurf der Ampelregierung unter anderem, dass ‚geschlechtsspezifische‘ Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe und Ziele in die Liste der bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigenden Umstände aufgenommen werden sollen“. Von „Femizid“ als Mord sei allerdings nirgendwo die Rede.
Vielmehr gehe es um Gehsteigbelästigungen im Zusammenhang mit Abtreibungen. „Vor Beratungsstellen, aber auch vor Krankenhäusern oder ärztlichen Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornähmen, komme es verstärkt zu Aktionen von Abtreibungsgegnern, heißt es in dem Papier.“
Rechtsbeugung und Einschüchterung
Die zuvor erwähnte Erklärung der SPD-Rechtspolitiker fordert außerdem laut Spiegel ein „gerichtliches Verfahren, um anonyme Social-Media-Accounts zügig sperren zu können und Frauen besser vor digitaler Gewalt zu schützen“. Zudem müsse Gewalt gegen Frauen bei Sorge- und Umgangsverfahren stärker berücksichtigt werden.
Man hat es mit einem ähnlich unübersichtlichen Sammelsurium von ernsten Straftatbeständen bis hin zur freien Meinungsäußerung zu tun wie bei der „Antifeministischen Meldestelle“. Irgendwie entsteht bei mir der Eindruck, dass man unter dem Vorwand der Gewaltbekämpfung Rechtsbeugung und Einschüchterung begehen möchte. Man denke an Lisa Paus' ungeheuerliche Forderung, dass „geschlechtsspezifische Gewalt nicht als individuelle Tat verharmlost wird, sondern als patriarchales Denk- und Verhaltensmuster anerkannt und geahndet wird“. Was dies mit Frauenrechten zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.
Das politische Geschehen unter feministischer Ägide erscheint mir so oder so recht unerfreulich. Da ist mir Sushi, Aperol Spritz und „Downtown Abbey“ am heutigen Tag definitiv lieber.
Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.