Bernhard Lassahn / 12.05.2019 / 06:25 / Foto: DiG / TRIALON / 53 / Seite ausdrucken

Deutschland, Deutschland, Balla, Balla

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bodo Ramelow,

An der Hymne habe ich mich auch schon versucht. Ich bin noch nicht weit gekommen. Was meinen Sie? Soll ich weitermachen? Aber erstmal zum Grundsätzlichen.

Als Kind hatte ich das nicht richtig verstanden. Ich wollte aber. Ich war neugierig. Unsere Nationalfarben – das wusste ich – waren Schwarz, Rot und Gold. Damit fingen die Probleme an: Gold hatte ich nicht in meinem Tuschkasten.

Ich hatte nur Gelb, und das Gelb – links oben in der Ecke – war immer zuerst alle. Vielleicht lag es daran, dass man auch beim Farbenverbrauchen links oben anfing wie beim Lesen, oder es lag daran, dass Kinder viel zu viele Sonnen malten, deren Strahlen bis rechts unten in die Ecke reichten. 

Die Fahnen waren auch nicht Schwarz, Rot, Gold, sondern Schwarz, Rot, Gelb. Das war verständlich. Nach dem Krieg konnte sich keiner richtiges Gold leisten, da mussten alle sparen und ersatzweise Gelb nehmen. Das fand ich nicht schlimm. Doch dann sollten sie auch sagen: Unsere Nationalfarben sind Schwarz, Rot und Gelb. Warum nicht? So war es eben. 

Schlimm war, wenn man so tat, als wäre das Gelb in Wirklichkeit Gold, und als hätten wir einen Sehfehler, die gefürchtete Gold-Gelb-Blindheit der Deutschen. Das war eitel Blendwerk. Damit taten wir so, als hätten wir Goldmedaillen gewonnen und hatten es gar nicht. 

Jedenfalls nicht die erste Strophe

Die Hymne war auch ein Problem. Man durfte sie nicht singen. Jedenfalls nicht die erste Strophe. Einmal hatte ich sie trotzdem gehört und gleichzeitig meine Eltern dabei erwischt, wie sie etwas Verbotenes taten. Sie hatten Besuch von Verwandten, von denen sie womöglich angestiftet wurden. Sie feierten irgendwas und vergnügten sich mit einer Erdbeerbowle. 

Das gefiel mir gar nicht. Es tat mir in der Seele weh, dass dabei die Erdbeeren zu verboten Früchten wurden. Wie gerne hätte ich die Überreste gegessen, die am nächsten Tag aufgedunsen im Bowleglas schwammen. Ich durfte nicht. Und die Großen wollten sie nicht mehr und schütteten sie einfach weg.

Es war ein Skandal! So durfte man nicht mit Erdbeeren umgehen! Nicht in der schweren Zeit nach dem Krieg, in der es an allen Ecken und Enden fehlte. Wenn das so war, musste ich mich auch nicht wundern, dass sich die Großen im Zuge der Erdbeervernichtung zu weiteren strafbaren Handlungen hinreißen ließen, dass sie Witze erzählten, die nicht stubenrein waren, ihre Aufsichtspflicht vernachlässigten und wahrscheinlich dachten, die Kinder würden längst schlafen.

Ich hatte nicht geschlafen. Ich hatte gelauscht. Da hörte ich sie singen, hörte sie singen und lachen und lachen und singen: „Deutschland, Deutschland unter anderm ...“ mehr war nicht zu verstehen, weil es im allgemeinen Kichern unterging. 

Offenbar war es ein lustiges Lied. Warum war es verboten? Es fing gut an. Die doppelte Nennung von „Deutschland“ gefiel mir. Ob es politische Gründe hatte und sich auf die Teilung des Landes bezog, wusste ich natürlich nicht. Doch die Verdopplung war klasse. Sie erinnerte an die Südsee und an Babysprache. Hula Hula, Happa Happa, Balla Balla, Deutschland, Deutschland, Plem Plem. Vielleicht wurde deshalb so viel gelacht.

Am nächsten Morgen sortierte ich meine Briefmarken neu. Ich hatte erst vor kurzem mit dem Sammeln angefangen und die deutsche Marken in ein Extra-Album gesteckt. Inzwischen hatte ich ein weiteres Album „geschonken gekraucht“, wie ich es nannte, weil mich irgendetwas daran hinderte, die korrekte Bezeichnung – „geschenkt gekriegt“ – zu verwenden.

Mein Onkel hatte mir neue Briefmarken mitgebracht, kostbare ausländische Marken, die noch nicht abgeweicht waren. Ich sortierte alles neu. Diesmal nach Alphabet. Es fing mit „Argentinien“ an. Deutschland kam – „unter andern“ – unter D: „Deutsches Reich“ und „DDR“, auch „Bundesrepublik Deutschland“, selbst wenn es strenggenommen mit B anfing. Die Hitler-Marken versteckte ich sicherheitshalber in einem gebrauchten Briefumschlag. Ich war nicht sicher, ob der Besitz verboten war oder nicht. 

Erst viel später erst lernte ich die anderen Strophen kennen. Mit der dritten Strophe hatte ich immer ein Problem: Bei der Stelle „Danach lasst uns alle streben“ musste ich unfreiwillig denken: „Danach lasst uns alle sterben.“

Das ist kein Fall von „misheard lyrics“, wie der Fall, von dem eine Freundin erzählt hat, die statt „the only one who could ever reach me was the son of a preacher man“ immer „the only one who could ever feed me was the son of a pizza man“ verstanden hatte.

So nicht. Es ist kein legasthenischer Hörfehler, es ist eine unvermeidliche Assoziation. Vielleicht wurde sie deshalb hervorgerufen, weil die Hymne immer zum Sendeschluss gespielt wurde. So kam sie in die Wohnstuben. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen: Aber es gab einmal eine Zeit, da gab es noch einen Sendeschluss im Fernsehen. 

Da wurde die Hymne gespielt, man sah die wehende deutsche Fahne und die Skyline von Helgoland, dann war Schluss, Licht aus, Ende. Doch da schimmerte immer das Grauen durch, ich musste automatisch an Todesurteile denken, die im Namen des Volkes und zum Klang der Hymne vollstreckt wurden. Dann wurde es finster. Dann war wirklich Schluss.

Mir war klar: Wir brauchen einen neuen Text. Die Musik konnte man lassen. Die war gut. Brecht hatte eine Version vorgeschlagen, die mir gefällt. Bei der Stelle, an der es um die Liebe zum deutschen Land geht, bietet er an: „und das liebste mag’s uns scheinen. So wie anderen Ländern ihrs“. Das war wesentlich besser als: „über alles in der Welt“. Erst dadurch, dass auch die „anderen“ mitbedacht werden, wird die Sache verträglich. 

Ich habe mich also rangemacht und versucht, eine eigene Version zu dichten. Ich bin noch nicht weit gekommen, aber ich habe schon angefangen. Ich würde den Anfang der ersten Strophe mit der lustigen Doppelnennung so lassen wie gehabt, es sollte dann folgendermaßen weitergehen:

Deutschland, Deutschland 

unter andern 

Ländern dieser weiten Welt, 


die gemeinsam unterwandern, 


was sich für was Bessres hält.

Wie gesagt: Ich bin noch nicht weit gekommen. Weiter noch nicht. Das ist erst der Anfang. 

Foto: DiG / TRIALON CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Jochen Brühl / 12.05.2019

Ramelow und seine Linke sind die Rückseite der Reichsbürgerbewegung. Eine “DDR-Bürgerbewegung”, die ebenfalls nicht anerkennen kann oder will, dass Deutschland kein kommunistischer Staat mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl gegen Ausreisewillige sein kann. Das werden sie alles wieder einführen, wenn sie ihre kommunistischen Flausen umsetzen. Dass sie dabei möglicherweise Unterstützung von SPD und Grünen bekommen werden, ändert daran nichts.

Gotthelm Fugge / 12.05.2019

Ich kenne den historischen Hintergriund sehr wohl. Und ich habe Detailwissen zu August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben. Und ich singe auch die erste Strophe (gern) mit! Und brülle nicht, wie z. B. ein Ramelow per 20150905 auf dem Saalfelder Bahnhof “Inschallah”!!! Auch diese (seine) Worte vor Ort wären mir sehr fremd: „Hier zeigt sich, dass dieses Land ein anderes ist als das der braunen Schreihälse - Ich könnte weinen vor Freude.“ Die gierigen Machthabenden des Altparteienkartells (MdB = 617, dazu zählt auch ein externer Thüringer Landtagsabgeordneter Ramelow) sollten sich auch einmal der anderen Seite unserer deutschen Geschichte als immer nur den Zeitraum von 1933 bis 1945 zuwenden (Und JA, es ist ein im Kontext der historischen Zeitachse nahezu ein “Vogelschiß”, auch wenn es der politisch-mediale Komplex für seine Bashing-Zwecke populistisch auf- (& aus-) wertet und populistisch instrumentalisiert) , JA, und auch da gab, gemessen an ihrer Zeit (besonders der der Aufklärung), sehr kluge Köpfe, die nach einem Wertekanon lebten wie z.B. Friedrich der Große, König von Preußen: “Eine Regierung muss sparsam sein, weil das Geld, was sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt1” Die vierzehnjährige Merkel-Despotie ist gekennzeichnet vom anfänglichen bis hin zum ständigen grundsätzlichen Bruches ihres Amtseides hinsichtlich eines prosperierendes Wohlgedeihen des DEUTSCHEN Volkes! Macht diesen Widersinn endlich ein Ende! Eingeenk dieser sinnlosen wie - freien Ramelow-Äußerungen, weine ich NUR noch vor (& um dem / das) Elend in Deutschland.

Uta Buhr / 12.05.2019

Volle Zustimmung @Dr. Kari Köster-Lösche! Danke für Ihre klaren Worte, denen nichts hinzuzufügen ist.  A propos “Immerhin steht die erste Strophe nicht unter Strafe” bitte ich zu bedenken, dass alles, was im Irrenhaus Doofland nicht ausdrücklich erlaubt wurde, verboten ist. Soweit sind wir ja dank unserer links-rot-grünen Politikerdarsteller (fast) schon wieder. Abyssus abyssum invocat.

Udo Kemmerling / 12.05.2019

Wer bei der Nationalhymne “Nazi”-Aufmärsche sieht, sollte unverzüglich aus der Politik ausgeschlossen werden!

Maria Salzwedel / 12.05.2019

Vielen Dank für den sehr schönen Artikel. Mein Mann hatte bei der Suche nach einer neuen Hymne die völkerverbindende Idee, ein Karnevalslied zu wählen, und mir ist spontan eingefallen: „Eine Besuch im Zoo, oh oh oh oooh…...“

Thomas Dornheck / 12.05.2019

Lieber Herr Lassahn, das ist ausgezeichnet geschrieben! Ich ziehe meinen Hut! Ihre private Geschichte macht mich neugierig, ihren Sprachstil empfinde ich als konsequent und ihr Zieleinlauf mit Vierzeiler ist Weltklasse!! Die Worte Ihres Beitrages habe eine Seele. Danke, danke, danke! Ihr Leser Th. Dornheck

Cornelius Angermann / 12.05.2019

Ich schlage folgenden Text vor: ZWISTIGKEIT; UNRECHT; UNFREIHEIT - FÜR DAS DEUTSCHE KALIFAT…

Ulv J. Hjort / 12.05.2019

Zum glueck gibts zwischen all diesem schwachsinn auch mal was zu lachen ! Friedrich , herzlichen dank fuer deinen “tiefschuerenden ” blødsinn . hat mir richtig gut getan ! Wuensche dir noch einen schønen tag und bleib so .

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