Manfred Haferburg / 26.04.2024 / 06:00 / Foto: Imago / 176 / Seite ausdrucken

Der Unschulds-Minister und der Atomausstiegs-Betrug

Es war die Nachricht des gestrigen Tages: Der Atomausstieg wurde entgegen der Empfehungen aus den zuständigen Ministerien durchgezogen. Minister Habeck aber soll von nichts gewusst haben. Wer soll das glauben?

Am 15. Januar 2022 schrieb ich einen Artikel für Tichys Einblick: „Kaste der Berufspolitiker – Trickser, Täuscher, Bauernfänger“. Heute würde sich die Redaktion vielleicht mit meiner etwas direkten Art schwertun, aber 2022 war wohl noch eine andere Zeit – ohne den Begriff „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. 

Der Artikel ist so aktuell, als wäre er heute Nacht geschrieben worden. Ausnahmsweise zitiere ich mich deshalb mal selber: „Berufspolitiker sind wohlversorgt und abgesichert, und ihre Zahl wächst unaufhörlich. Dieser Status zieht die verschiedensten Leute an – gelegentlich auch Leute, die durch einen Mangel an Rechtschaffenheit auffallen… Ich frage mich bange: Was sind das für Leute, die immer wieder von Neuem versuchen, ihre angeblich so hehren Ziele mit Lug und Trug zu erreichen? Sie tricksen bei den Zahlen und Statistiken, sie schreiben schamlos ihre Doktorarbeiten ab, sie fälschen ihren Lebenslauf. Waren sie schon immer so? Wurden sie, was sie sind, mit diesen Methoden? Was empfinden sie, wenn sie lügen oder gemachte Versprechen brechen? Wieso werden sie nicht schamrot, wenn sie mit Hilfe manipulierter Statistiken das Volk im Eigeninteresse hinter die Fichte führen?“

Das Magazin Cicero hat einige Geheimakten über die Art und Weise des Zustandekommens des Beschlusses über den Atomausstieg im Jahre 2022 freigeklagt. Fast zwei Jahre hat sich das Wirtschaftsministerium mit Händen und Füßen und den absurdesten Begründungen gewehrt, den innerministeriellen Beschlussweg durch Akteneinsicht für Journalisten transparent zu machen. Wir sind noch ein Rechtsstaat, ein Gericht hat diesem Treiben ein Ende gemacht und das Habeck-Ministerium zur Herausgabe der Dokumente verdonnert. 

Dadurch kommt ans Tageslicht, dass das Wirtschaftsministerium die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke gegen die Bedenken der eigenen Experten veranlasst hat. Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatten ihre Ministerien prüfen lassen und kamen zu dem Schluss, dass eine Laufzeitverlängerung für die letzten drei AKW „nicht zu empfehlen“ sei. Dieser Beschluss widersprach aber der Expertise der eigenen Fachleute in den Ministerien. Habecks Fachabteilung wies deutlich darauf hin, dass der Weiterbetrieb der Meiler die Energiekrise entschärfen und Risiken minimieren würde. Das operative Netzrisiko würde gesenkt, teures und knappes Gas gespart und die Energiepreise gesenkt. Die zuständigen Fachleute im Umweltministerium hatten mit der GRS (Gesellschaft für Reaktorsicherheit) geklärt, dass ein Weiterbetrieb der damals noch laufenden Atomkraftwerke „über mehrere Jahre“ „mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit vereinbar sei“. 

Ministerium mit strammer Agenda

Doch in den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt sorgte ein grüner Filz unter der Leitung der grünen Staatssekretäre Patrick Graichen (Habecks Wirtschaftsministerium) und Stefan Tidow (Lemkes Umweltministerium) für eine genau umgekehrte Aussage. Sie waren sich von vornherein einig: Ein Abrücken vom Atomausstieg darf es nicht geben. Fachliche Argumente, die dafür sprechen, sollten gar nicht erst bekannt werden. Die Fachleute in den Ministerien fanden kaum Gehör, und ihre Einschätzungen wurden ignoriert oder verfälscht. Beim Lesen der Enthüllungen entsteht der Eindruck, Habeck leite nicht das Wirtschaftsministerium, sondern eine Art „Grünen-Ministerium“ mit ausgeprägten Filz-Strukturen und strammer Agenda ohne Rücksicht auf das Wohl des Landes.

Auf diese Weise wurden die Öffentlichkeit, aber auch die Regierung und der Bundestag von grünen Ideologen getäuscht und der Atomausstiegsbeschluss durchgedrückt. Zwischendurch sorgte ein Machtwörtchen des Bundeskanzlers für eine lächerliche „Laufzeitverlängerung“ von drei Monaten. Schlussendlich wurden die drei Kernkraftwerke, die zu den besten und sichersten Anlagen der Welt gehörten, am 15. April 2023 abgeschaltet und werden gegenwärtig verschrottet. Herr Trittin feierte diese Vernichtung von vielen Milliarden Investitionsvermögen mit ein paar Gleichgesinnten in Berlin auf dem Alexanderplatz. Jetzt kommt heraus, dass diese Entscheidung gegen jede Vernunft und zum Schaden Deutschlands durch Trickser, Täuscher und Bauernfänger herbeigeführt wurde. 

Die Politiker beklagen immer, dass die Bevölkerung das Vertrauen zur Politik verloren hat, so als wäre das Staatsvertrauen den Leuten versehentlich durch ein Loch aus der Tasche gerutscht. Ist es aber nicht. Die Lügen der Politiker werden hin und wieder durchschaut, auch wenn die Politiker noch so viele hochbezahlte Anwälte vorschicken, um das Aufdecken ihrer Lügen zu unterbinden. Doch statt wahrhaftiger zu werden, wollen sie sich Vertrauen durch neue Tricks und Täuschungen erschleichen. 

Aber Vertrauen wird nicht einfach „verloren“ wie ein Schlüsselbund. Vertrauen ist wie ein Bankkonto – wer abheben will, muss erst mal einzahlen. Diese Erkenntnis ist der Politik nicht nur beim Geld abhandengekommen, sondern auch im Umgang mit den Wählern. So hat Merkel die CDU zu dem geschrumpft, was sie heute ist – ein Verein, der in Friedrich Merz einen Hoffnungsträger sieht. Würde irgendjemand von Kanzler Scholz denn einen Gebrauchtwagen kaufen? Glaubt noch irgendwer den Märchen eines Wirtschaftsministers? Den Vertrauensverlust wird bei der nächsten Wahl auch der regierungsbesoffene Lindner erleben – die Fünf-Prozent-Hürde droht mit jedem über Bord geworfenen Wahlversprechen. Und auch den Grünen prophezeie ich demnächst ihr „Energiewende-Waterloo“, und zwar früher, als sie denken. Sie brauchen nur munter weiter „abzuschalten“. Sie sitzen in der Falle eines selbstgemachten Dilemmas als Lohn ihrer jahrelangen Atom- und Klima-Angstverbreitung: Stoppen sie das Abschalten, haben sie ihre eigene Klientel an der Gurgel; schalten sie weiter ab, droht dem Land der Energiekollaps.

Der Minister kannte die Warnungen nicht?

Doch schon wird der nächste Verteidigungswall von den Grünen mit Hilfe der ihnen zutiefst ergebenen Presse errichtet: Der Minister ist natürlich unschuldig. Habeck hatte angeblich von den Warnungen seiner eigenen Fachleute gar keine Kenntnis. Cicero-Redakteur Daniel Gräber, der die Herausgabe des Schriftverkehrs durchgesetzt hatte, fragte im Bundeswirtschaftsministerium nach, wem dort der vierseitige Vermerk aus der Fachabteilung bekannt war. Die schriftliche Antwort eines Habeck-Sprechers: „Der in Rede stehende Vermerkentwurf (3. März 2022) lag in der Leitungsebene nur Staatssekretär Patrick Graichen vor.“ Also – der Graichen war’s.

Da fragt man sich doch unwillkürlich: Herr Dr. Graichen ist wegen der Trauzeugenkorruption seit einem Jahr nicht mehr Staatssekretär. Warum hat sich das Ministerium des nichtsahnenden Wirtschaftsministers dann trotzdem noch ein weiteres Jahr vehement geweigert, die nun freigeklagten Akten herauszugeben? 

Ein Rücktritt der beiden involvierten Minister Robert Habeck und Steffi Lemke wäre eigentlich das Mindeste, was die um Milliarden geprellten Bürger erwarten könnten. Aber das wird wohl nicht passieren. Der Minister ist ja unschuldig. 

 

Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman Wohn-Haft mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

Foto: Imago

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Talman Rahmenschneider / 26.04.2024

Sehr prägnant zusammengefasst, Herr Haferburg. Vielen Dank. Mit der Rücktrittsforderung haben Sie Recht.

Albert Martini / 26.04.2024

Ceterum censeo ad nauseam: Nicht der intellektuelle und charakterliche Bodensatz ist schuld, den gibt und gab es schon immer, sondern einzig und allein die Wähler, die denselben in die Position gebracht haben, den Nerobefehl Stand 2035 überzuerfüllen. Wenn es in Deutschland schon seit 1000 Jahren nicht mit dem Aufstand klappt (die Ossis gegen Links 1989 als regelbestätigende Ausnahme): Warum kündigt ihr nicht zumindest Grünenwählern die Freundschaft? Die ganze Welt um euch ist inzwischen nur noch fassungslos, mit Übergängen ins Schockierte.

A. Iehsenhain / 26.04.2024

Der deutsche Energiekollaps - in der Zukunft vielleicht mal von Hollywood verfilmt unter dem Titel “Das Oranienburg-Syndrom”...

G. Brugger / 26.04.2024

Ohne jede Koketterie - Deutschland ist verloren.

A. Ostrovsky / 26.04.2024

WELT am 26.09.2022: >>Bereits vor 60 Jahren war Atomstrom grün. Ein Rechtsanwalt aus Rom, der in Italien für die Kommunisten eintrat, schrieb für Kinder einmal wöchentlich in der „L’Unità“ über die Abenteuer eines atomaren Kobolds. 1968 kam Marcello Argillis „Atomino“ als Buch heraus, mit Bildern von Vinicio Berti. Auf dem himmelblauen Einband hüpft der Held mit einem Gänseblümchen in den Fingern strahlend über einen Regenbogen. Die Geburt Atominos ereignet sich auf faustsche Weise in einer Atomzentrale: Während sich die Wissenschaftler an ihren Visionen einer besseren Welt berauschen („Wir werden so viel Wärme erzeugen, dass wir damit die Eisfelder der Antarktis zum Schmelzen bringen können!“), macht sich der Laborkater an einem Topf zu schaffen, in dem alle Elemente der Materie köcheln.<< # Das habe ich mir schon immer gedacht, das Atomino ein Kommunist ist. Lieber TOT, als ROT! Der Hund ist schuld am Gletscherschmelzen!! Alles eine kommunistische Verschwörung! Das schlägt dem Fass den Boden aus! NeunzehnhundertACHTUNDSECHZIG, ein atomarer KOBOLD, ein verantwortungsloser Wissenschaftler und ein kommunistischer Kater!!! Und uns erzählt man was vom Zeh-O-Zwo!!!!

PeterBernhardt / 26.04.2024

Dass ihr doch wenigstens als Tiere vollkommen wäret! Aber zum Tiere gehört die Unschuld.  Friedrich Nietzsche

A. Ostrovsky / 26.04.2024

Was ist eigentlich los mit mir, dass ich mir gar keine Rückgängigmachungen per Telefonanruf des Mufti wünsche? Habe ich eine gefährliche Stoffwechselstörung? Vielleicht bin ich ganz grau? Ich muss gleich mal zum Spiegel gehen. Äh, upps, geht nicht. Da sehe ich ja nichts, weil ich das Licht nicht anschalten kann, weil das Strom verbraucht. Und wegen dem Schmetterling. Also wenn ich jetzt die 5,3 Watt LED einschalte bricht vielleicht gerade die Stromversorgung zusammen. Ich gehe einfach vorher zum Fenster und prüfe, ob Wind weht. Ach ich Dummer, ich habe doch diese Solar-Dingse und die Batterie ist voll. Gott sei dank, dann brauche ich keinen Teelicht-Ofen. Atomino kann mich mal. DuRöhre:  WkTaaXcFWHU (Pupo, ATOMINO, 1979) Sono un tipo di robot spaziale Ultrasonico super speciale Razzi laser per andar lontano Due molecole per fare un pieno Ecco qua, sono Atomino Sono nato per l’esplorazione Ritrasmetto anche in eurovisione Se succede al mondo un fatto strano Se dal cielo viene giù un marziano Stai tranquillo, c’è Atomino Fra le stelle ed i pianeti Per scoprire i suoi segreti Faccio strada perché sicura sia l’umanità

M.Müller / 26.04.2024

Jetzt hat Cicero monatelang über den angeblichen Geheimakten gesessen. Und ausgerechnet, wenn die Liebe der AfD zu D auf die China- und Putin - Probe gestellt wird, kommen sie mit Ihrer Story. Nun gut. Man stelle sich vor, diese AKW Story wäre lanciert, und kurz danach veröffentlicht ein Onlinemagazin die Spionage- und/oder Korruptionsgeschichten im unmittelbaren Einflussbereich die AfD.

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