Dirk Maxeiner / 26.01.2020 / 06:25 / Foto: Bavaria-media.de / 81 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Rechtschreibung im Streifenwagen

Nun gut, es war kein Sonntag. Es war Freitagnacht. Oder genauer: Samstag morgen gegen 1:00 Uhr auf der B2 zwischen Nürnberg und Augsburg. Von Berlin aus kommend, nehme ich meist dieses letzte Stück Bundesstraße, weil es kürzer ist und nachts nur wenige Lastwagen im Weg stehen. Kurzum: Ich wollte schnell heim. Man kann das von Berlin aus in etwas über fünf Stunden schaffen ohne zu rasen, den Toleranzbereich der erlaubten Geschwindigkeit muss man allerdings ausnutzen, was um diese verkehrsarme Zeit kein Problem darstellt. Ansonsten halte ich es mit der Formel 1: Nur ein kurzer Boxenstopp, 20 Liter nachtanken, dauert mit Bezahlen maximal fünf Minuten und versaut den Schnitt nicht. 

Es gibt am Weg ein paar menschenleere Straßendörfer, kein Licht, kein Hund auf der Gasse, aber klassische Geschwindigkeitsfallen, wo die Sheriffs hinterm Busch lauern. Aber die habe ich im Laufe der Jahre alle kennengelernt, wir halten den Flensburger Punktestand in sozialverträglichen Grenzen, sind eben ein über Jahre eingespieltes Team. 

Es lief prima an diesem Abend, ich war in Gedanken schon zu Hause, wo Sabine mir eine Dose Bier kaltgestellt hatte. Dann dieser blöde Lastwagen. Kein Gegenverkehr. Ich, gerade schön im Flow und dank schnurgerader Straße mit guter Sicht, gebe dem betagten Volvo die Sporen, wobei der durchgezogene Mittelstreifen noch nicht ganz zu Ende war, ähm. 

Beim Blick in den Rückspiegel denke ich: Hoppla, da ist ja noch jemand zügig unterwegs. Zwei helle Scheinwerfer folgen mir sehr beherzt. Dann beschleicht mich das ungute Gefühl, dass da im Rücken möglicherweise bereits der Feind lauert. Ich war eine Weile abgelenkt gewesen und in Gedanken. Ich überlegte ein Thema für den nächsten Sonntagsfahrer.

Und in diesem Zusammenhang war mir Anfang der Woche eine lustige Steilvorlage untergekommen. „Gebührenflüchtige Ferwahrnung“ überschrieb ich eine kleine Meldung, nach der die Bundespolizei ihre Anforderungen für Bewerbungen gesenkt hat, um neu geschaffene Stellen besetzen zu können. Auf Anfrage habe die Behörde zum Hintergrund mitgeteilt, heißt es darin, dass allein im laufenden Jahr über 850 Beamte in den Ruhestand gingen, während der Bundestag zusätzliche Stellen genehmigt habe, brutto kämen im laufenden Haushaltsjahr 2.150 Planstellen hinzu. Die Meldung las sich ein wenig so, also ob korrekte Rechtschreibung bei der Bundespolizei in den Ruhestand ginge. 

Das wollte die natürlich nicht auf sich sitzen lassen und reagierte im behördeneigenen Intranet mit einer „Stellungnahme“, die mir von einem Freund und Helfer überlassen worden war: „Hat die Bundespolizei in den letzten Jahren die Anforderungen an Anwärter abgesenkt?“, wird gefragt und auch gleich geantwortet: „Die Bundespolizei hat die Anforderungen an Anwärter ausdrücklich nicht abgesenkt“. Und dann heißt es: „Bezüglich der Sprachfertigkeiten von Bewerbern wurde die Fehlertoleranz im Diktat für das Auswahlverfahren mittlerer Dienst geringfügig angehoben und zum Beispiel das Wort „Chrysantheme“ herausgenommen, um einem größeren Bewerberkreis auch in den nachfolgenden Testbestandteilen die weitere Teilnahme zu ermöglichen“. Dieses Gesamtkunstwerk spricht dafür, dass die Leitung der Bundespolizei nicht nur mit der Rechtschreibung, sondern auch mit der logischen Abfolge von Gedanken ringt. 

Die spiegelbildliche Meldung dazu kam gestern aus Baden-Württemberg. Dessen grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält es offenbar für nebensächlich, dass Kinder heute die Rechtschreibung noch beherrschen. Grüne wählen geht auch besser ohne. Ein Grundgerüst an zu lernenden Regeln genüge, so der Mann aus Spaichingen am Fuße des Dreifaltigkeitsberges. Es gebe heute „kluge Geräte“, die Rechtschreib- und Grammatikfehler korrigierten.

Na, wenn das so ist, braucht man auch nicht mehr lesen zu lernen. Dafür gibt es Podcasts. Rechnen? Jedes Mobiltelefon verfügt über einen Taschenrechner. Fremdsprachen? Die Übersetzungsprogramme werden immer perfekter. Wissen? Wikipedia! Wenn man diesen Kinderchen dann den Strom abstellt, sind sie wieder auf dem Bildungs-Niveau von Neandertalern, wobei die wenigstens noch wussten, wann man wegrennen muss. „Schulfach für Schulfach ließe sich auf diese Weise umkrempeln“, schreibt DIE WELT, am Ende verließen nicht Schüler die Schule, „sondern Trottel“. Und die könnten dann wohl auch keine Schilder mehr lesen, warum die Verkehrsregeln täglich neu ausgehandelt werden müssen.

Und damit zurück zu mir und der B2. Ich passiere ein Hinweisschild auf den nächsten Rastplatz, und hinter mir bricht ein wahres Gewitter los. Sehr viel blitzendes blaues Licht, eine rote Schrift mit dem Hinweis „Polizei“ und ein melodisches "Tatütata". Mir gehen genau drei Gedanken durch den Kopf. 1. Jetzt versauen diese Heinis Dir den Schnitt. 2. Seit wann sind sie hinter Dir, und welche Verfehlungen wurden protokolliert? 3. Das kalte Bier muss wohl noch eine Weile warten.

Zwei Uniformierte begrüßen mich höflich und mit gemütlichem fränkischem Dialekt, leuchten mit Taschenlampen ins Auto. Verkehrspolizei, keine Bundespolizeit. Einer schon älter, der andere jünger, beide also mit bayrischer Schulbildung und Manieren, das lässt mich hoffen. 

Ich steige aus. „Haben Sie was getrunken?“ 

„Nein nix.“

„Wirklich gar nix?“

„Keinen Tropfen.“

Das wird akzeptiert. 

„Stellen Sie sich mal gerade hin und schauen mit den Augen nach links.“

Einer leuchtet mir mit der Taschenlampe von der Seite in die Augen.

„Und jetzt nach rechts.“

„Sie haben so große Pupillen. Nehmen Sie Medikamente oder Drogen?“ 

„Blutdrucksenker, damit ich mich jetzt nicht so aufrege.“

„Aber sie zittern ja wie Espenlaub.“

„Es ist arschkalt, Herr Wachtmeister.“

„Das ist trotzdem nicht normal wie sie zittern, haben Sie was zu verbergen?“

„Ich habe immer was zu verbergen, nur im Moment gerade nicht.“  

Sie lassen sich Warndreieck und Verbandskasten zeigen, leuchten sorgfältig in jede Ecke. Aber es findet sich weder ein geklauter Geldautomat noch ein Koks-Depot.

Die beiden sind eigentlich ganz in Ordnung und fragen nebenbei:

„Was machen Sie beruflich?“

Journalist finde ich jetzt keine gute Idee.

„Ich bin Handelsreisender.“

Und dann reitet mich der Teufel: 

„Ich handele mit Chrysanthemen.“

Die beiden schauen sich an und ziehen sich mit meinem Fahrzeugschein und den Papieren in ihre Blaulicht-Orgel zurück. Es dauert ewig. Was machen die bloß so lange? Googeln die jetzt „Chrysanthemen“? Oder fragen im Hauptquartier nach der korrekten Schreibweise? Bei dem Gedanken kehrt meine gute Laune wieder zurück. Endlich steigen sie aus und überreichen mir eine gebührenpflichtige Verwarnung: „Sind Sie mit 30 Euro einverstanden, damit kommen Sie echt billig weg.“ „Danke für die Blumen“, höre ich mich sagen und stecke den Strafzettel ein. Handschriftlich und fehlerfrei. Ich hebe das Schriftstück als Zeugnis aus der guten alten Zeit auf, in der die Polizisten noch schreiben und die Autofahrer noch lesen konnten. Von mir mal abgesehen.

Nachtrag:

Aus dem Raum Spaichingen erreichte mich heute folgende Kunde eines kenntnisreichen Achse-Lesers, der Wert auf folgende Feststellung legt: "Kretschmann ist nicht "der Mann aus Spaichingen“. Er wurde dort geboren, aber das ist lange lange her und die Spaichinger sind gottfroh, dass dies vorbei ist. Kretschmann wohnt schon seit Ewigkeit in Sigmaringen-Laiz." 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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netiquette:

Detlef Rogge / 26.01.2020

Mein Vater, Jahrgang 1920, lediglich zwei Wochen in alliierter Kriegsgefangenschaft, bewarb sich im Juni 1945 bei der Berliner Schutzpolizei. Sein Ansinnen speiste sich aus blanker Not, der einstige Betrieb des Feinmechanikergesellen war auf Erdgleiche gebracht und sein Hunger entsetzlich. Weil er im Bewerbungsbogen angab, lediglich Mitglied des „Reichsluftschutzbundes“ sowie Zwangsmitglied der „Deutschen Arbeitsfront“ gewesen zu sein und ansonsten keiner NS-Organisation, nicht einmal der „Hitlerjugend“, angehört zu haben, musste er sich vor seiner Einstellung mehrfach Verhören unterziehen, um seine Glaubhaftigkeit darzulegen. Es folgte eine recht kurze, kasernierte Ausbildung, in der auch Deutsch unterrichtet wurde, seine Schulhefte sind noch in meinem Besitz. Mein Vater schrieb ein fehlerfreies Deutsch mit beeindruckend klarem und gefälligem Schriftbild. Absolviert hatte er lediglich die Volksschule mit acht Schuljahren, las allerdings zeitlebens viel. Bei Hausarbeiten im Fach Deutsch stand er mir oft hilfreich zur Seite. Ob er allerdings Chysantheme richtig geschrieben hätte, wage ich zu bezweifeln?

Peter Meyer / 26.01.2020

am Ende verließen nicht Schüler die Schule, „sondern Trottel… Und einige Jahre später werden Trottel von Trottel unterrichtet oder Schulen ganz abgeschafft.

Herbert Priess / 26.01.2020

Schön am Sonntagmorgen zum Kaffee so eine Satire zu lesen. Da fällt mir ein alter Polizistenwitz ein: Zwei Polizisten finden einen Toten vor einem Gymnasium, fragt der Eine: Wie schreibt man Gymnasium? Sagt der Andere: Keine Ahnnung, sagt der Erste: Komm, dann schleifen wir ihn vor die Post! Zu DDR Zeiten auch gern erzählt: Was bedeuten die Streifen am Ärmel der Uniform? Ein Streifen: Er kann lesen, zwei Streifen: Er kann Schreiben, drei Streifen: Er kennt einen der lesen und schreiben kann. Die Fehler hier hab ich absichtlich eingebaut nur falls jemand mault. Schönen Sonntag noch.

Hjalmar Kreutzer / 26.01.2020

Herrlich, Herr Maxeiner! Mein Weihnachtsbäumchen am Innenspiegel ersetze ich jetzt durch eine Crisa…, Kryso…, Chriesan… - wie war das noch mal? Waren Sie dann doch etwas zu schnell oder was hat Ihnen die 30€ eingebracht? Wer musste jetzt nicht an das tote Pferd vor dem Helmholtz-Gymnasium denken, das für das Protokoll mal eben vor die Post geschleift wurde?  Einen schönen Sonntag!

Stefan Riedel / 26.01.2020

“...mit gemütlichem fränkischem Dialekt,...”. Ich als bekennender Franke muss gemütlich antworten. Also Rechtschreibung ( Orthografie und Interpunktion, setzen 6!! bin ich Experte, ist hier auf der Achse dokumentiert), bedeutet nicht alles. Warum sollte ein deutscher Bundespolizist überhaupt “Deutsch” sprechen? MultikultigendergagaGretaÖkoSozioBlablaARDZDF- Slang reicht doch!  Welcome Idiots!!!

Dr. Joachim Lucas / 26.01.2020

“Kebürenflichtike Ferwarnunk”: Wenn wir das V, das B, das D, das G, das H in einemWort apschafen wirts noch einfacher in Teutschlant. Pitschin-Teutsch ist das Zauperwort. Wozu so viele Puchstapen im Alfapet? Da hat der Her Kretzman recht. Ich kene ihn noch persönlich aus der Zeit, da wo der bei uns am Ort seine KBW-Plätchen verteilt hat. Ser fortschritlich schon tamals. Jetz komen wir schreiptechnisch wider ins 18. Jhd. Tamals stant er ja au schon auf Maos Kulturewoluton.

Jan Kandziora / 26.01.2020

Also, dass die Polizei nun die Chrysantheme aus ihrem Wortschatz gestrichen hat, kann ich nachvollziehen. So eine Fahndung nach dem japanischen Kaiser kommt schließlich selten vor. Viel wichtiger sind da schon Wörter wie »Verschissmus«. Sonst schreibt das am Ende noch ein Polizist falsch auf, und die Strafanzeigen der SPD ergeben dann überhaupt keinen Sinn mehr.

J.G.R. Benthien / 26.01.2020

Dass Sie keinen Mut haben und somit Ihren Beruf sowie sich selbst wegen einer solchen Lapalie verleugnen, enttäuscht mich. Wo bleibt der Stolz der aufrechten Menschen in dieser Zeit?

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